Wunderwimpern aus Wien
Eine Wienerin entwickelte 1935 die weltweit erste wasserfeste Mascara. La Bella Nussy wird heute noch nach derselben Rezeptur erzeugt – und verkauft sich immer noch.
Von Eva Gogala
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Wenn die Kundin in der Parfumerie nach „La Bella Nussy“-Wimperntusche fragt, geht die Verkäuferin meist in die Knie öffnet die Lade und nestelt eine Packung aus dem mit einem Gummiringerl zusammengehaltenen Bündel.
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Die rosa Schachterln mit dem braunen Aufdruck sucht man vergeblich auf den gut gefüllten Dispensern. Die gibt es nur für die Produkte der großen internationalen Kosmetikkonzerne. Das macht aber nichts, denn Kundinnen, die nach den Produkten dieses Wiener Traditionsunternehmens suchen, wissen ohnehin, was sie wollen. Und das meist seit vielen Jahren.
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Dabei hätte Helene Winterstein es sich damals, in den 1920er-Jahren, wohl nicht träumen lassen, dass sie dereinst die Erfinderin der weltweit ersten wasserfesten Wimperntusche werden würde.
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Sie war dabei, einen ganz anderen Karriereweg zu gehen. Sie war nämlich nicht nur schöne Frau, sondern auch eine hochbegabte Konzertsängerin.
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Damals trug sie noch ihren Mädchennamen, Vierthaler, und den Kosenamen, den ihr die Familie gegeben hatte: Nussi. Sie gab Liederabende und Kritiker lobten ihre künstlerischen Leistungen.
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Doch dann gab das Schicksal ihrem Leben eine völlig neue Wendung. Die schöne Nussi, „La Bella Nussy“, fühlte sich plötzlich krank, hatte chronische Magenschmerzen und sogar Gedächtnisstörungen. Erst nach zwei Jahren war klar, warum: Bleivergiftung. Ursache dafür war bleihältige Farbe, mit der das Holz in ihrer Wohnung gestrichen worden war.
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Die Folgen waren dramatisch: Die junge Frau konnte nicht mehr gehen und war auf den Rollstuhl angewiesen. Doch sie ließ sich nicht unterkriegen. Sie hatte geheiratet, trug den Namen Helene Winterstein.
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In der Küche ihrer Wohnung in der Hegelgasse in der Wiener Innenstadt begann sie gemeinsam mit ihrem Bruder, einem Chemiker, zu experimentieren. Sie wollte den Frauen schöne Augen machen. Das Problem hatte sie schon als Sängerin auf der Bühne erkannt. Wer sich große, ausdrucksstarke Augen schminken wollte, war auf Schuhpasta angewiesen. Das war natürlich ein ungeeignetes Mittel. Kaum flossen Schweiß oder Tränen liefen den Frauen schwarze Bäche übers Gesicht.
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„2.000 Versuche brauchte meine Großmutter, um die richtige Rezeptur zu entwickeln“, erzählt Marcus Kambersky. Er führt heute, gemeinsam mit seiner Frau Katharina, das kleine, aber feine Familienunternehmen. Das Büro ist genau dort, wo alles begann: in der Hegelgasse. Dann hatte Helene Winterstein es geschafft. Eine handgerührte, schwarze Paste, die die Wimpern lang und dicht machte, fest aber nicht brüchig.
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Bienenwachs statt Harz war das Geheimnis. Wasserfest, aber trotzdem leicht zu entfernen musste sie sein. 1935 ließ sie sich die weltweit erste wasserfeste Mascara patentieren, 1936 gründete sie ihre Firma.
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Das Geschäft ging gut. So gut, dass Helene Winterstein ihre Wimperntusche auch einem Kosmetik-Weltkonzern zulieferte. Und im früheren Jugoslawien hatte La Bella Nussy quasi das Monopol auf Mascara.
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Dass sich weder an dem Produkt noch an der Art der Herstellung seither etwas geändert hat, macht für die Kundinnen von La Bella Nussy den Reiz aus. Die rosa Röllchen, der altmodische Schriftzug, der Name „Tubomatic“, der typische Geruch. „Bei den meisten Kosmetika ist die Verpackung das Teuerste. Uns ist der Inhalt aber wichtiger“, sagt Katharina Kambersky.
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Sie und ihr Mann, der Enkel der Firmengründerin, seine Mutter und zwei fix angestellte Mitarbeiterinnen – das reicht. Dabei wird die Mascara heute noch mit der Hand gerührt. „Erst nach zwei Tagen hat sie die richtige Konsistenz. Das muss man spüren.“ Dann wird die schwarze, braune oder blaue Paste händisch abgefüllt und verpackt.
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Das einzige Zugeständnis an die neue Zeit: „Seit 15 Jahren haben wir auch einen Online-Versand.“ Denn, so Marcus Kambersky, es werde immer schwieriger, in den Parfümerien gelistet zu werden. Einen Unterschied zu anderen Firmen gibt es trotzdem. „In unserer Kartei haben die Kunden keine Nummer, sondern einen Vor- und einen Nachnamen“, sagt Katharina Kambersky. Darauf ist sie stolz. Ebenso wie auf die handgeschriebenen Briefe mit Briefkopf, die sie immer wieder erhält. „,Danke, dass es so etwas noch gibt’, schreiben uns zufriedene Kundinnen.“ Und machen fleißig Mundpropaganda.
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Dass es das Familienunternehmen noch lang geben wird, daran zweifeln die Kamberskys nicht. Nikolaus, ihr Sohn, hatte vor knapp zwei Wochen seinen ersten Schultag. Der junge Mann weiß aber heute schon ganz genau, was er einmal werden will: „Wimperntuscheverkäufer und Tennisspieler.“
(kurier.at)
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