Warum man jetzt in Yogahosen zum Dinner geht
Zu Party-Musik auf dem Fahrrad schwitzen, beim Krafttraining die Muskeln definieren oder im Yoga zur Ruhe kommen – statt zum After-Work-Drink sind plötzlich alle auf dem Weg ins Fitnessstudio. Zumindest scheint es so, wenn man einen Blick auf viele Alltagsoutfits wirft. Hier blitzt unter dem Cashmere-Pullover ein Sport-BH hervor, dort werden bunt gemusterte Leggings zum eleganten Mantel gestylt.
Im Gym-Look zum Abendessen
Der Trend heißt Athleisure (zusammengesetzt aus Athletic und Leisure, dem englischen Wort für Freizeit) und beschreibt das Phänomen, das Sportbekleidung außerhalb des Aerobic-Kurses erlaubt. Die heutigen Entwürfe sind so stylish, dass man sie auch zum spontanen Abendessen mit Freunden ausführen kann – ohne sich extra umziehen zu müssen.
„Wir leben in einem Zeitalter, in dem Bequemlichkeit gepaart mit Funktionalität, Komfort und Design wichtig ist“, sagt Anni Beneschke, Stylistin der Online-Stilberatung Zalon. „Athleisure-Mode fügt sich wunderbar in den hektischen Lebensstil ein.“ Die Grenzen zwischen Business- und Freizeit-Bekleidung verschwimmen immer mehr: Sportmarken arbeiten mit internationalen Designern zusammen, diese wiederum integrieren immer öfter funktionelle Stoffe in ihre Kollektionen.
Luxus-Modehäusern hat es derAthleisure-Trend besonders angetan. Donatella Versace, die sich normalerweise auf figurbetonte Mode mit viel Sexappeal konzentriert, bietet ihren Kundinnen in der Frühjahr/Sommer 2017-Kollektion lässige Overalls und kurze Nylonjacken mit Kordelzug an. „Sportbekleidung ist die Zukunft der Mode“, sagt die Italienerin über ihre Entwürfe. Ihre Kollegen Miuccia Prada und Alexander Wang dürften zustimmen – schließlich lassen sie seit Jahren athletische Elemente in ihre Arbeit einfließen.
Sogar Karl Lagerfeld kann sich dem Hype nicht mehr entziehen. Für die Herbstsaison 2014 designte der Modemacher Sneakers, die er in Kombination mit Knieschützern auf dem Laufsteg präsentierte. Und das, obwohl der Designer einst mit dem Satz „Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren“ als Gegner von Sportmode berühmt wurde.
Yogahosen vom Designer
Wie gut die Symbiose aussehen kann, haben schon die großen Sportmarken vorgezeigt. Adidas kooperierte 2005 erstmals mit der Modemacherin Stella McCartney. Die blumenverzierten Yogahosen und detailverliebten Kapuzenpullover verkauften sich so gut, dass die Entwürfe der Britin heute fester Bestandteil des Angebots sind.
Inzwischen haben auch andere Designer wie Mary Katrantzou, Raf Simons und Jeremy Scott mit dem Sportartikelhersteller zusammengearbeitet. An den Erfolg der von Rapper Kanye West entworfenen Yeezy-Boost-Sneakers (siehe unten) konnten sie jedoch nicht herankommen. Er gehört zu jenen Prominenten, die zunehmend von Fitness-Marken als Designer angeworben werden. Aktuellstes Beispiel: Rihannas Puma-Kollektion namens Fenty.
Auch Konkurrent Nike krempelt mit dem „Nike Lab“ zunehmend die gängige Vorstellung von Sportmode um, indem Visionäre wie Chitose Abé, Kreativdirektorin des japanischen Labels Sacai, ins Boot geholt werden. Zuletzt hat Errolson Hugh, Gründer des Labels Acronym, futuristische Sneakers für die Firma entworfen.
Eine ganz besondere Kollektion bietet derzeit der Onlineshopmytheresa.coman. Erstmals in der 64-jährigen Firmengeschichte hat das italienische Label Missoni Sportmode entworfen, die das Münchner Unternehmen exklusiv auf seiner Website anbietet.
Warum man vom Erfolg der Kooperation so überzeugt ist? „Sportlich und aktiv zu sein, gehört zum Lebensstil unserer Kundin“, sagt Michael Kliger, Präsident von mytheresa.com, im Gespräch mit dem KURIER. „Besondere Athleisure-Teile mischen sich mittlerweile in die Alltags-Garderobe.“ Die Nachfrage sei in den vergangenen Jahren so stark gestiegen, dass er in Zukunft das Angebot an stylisher Sportbekleidung weiter ausbauen möchte.
Vor allem die verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten der neuen Fitnessmode dürften deren Popularität ausmachen. „Die Leggings kann zum Jackett kombiniert werden und schon wird daraus ein Business-Outfit“, erklärt Kliger. Ob man nach dem Büro wirklich noch ins Fitnessstudio geht oder nur sportlich aussehen möchte, bleibt bei diesem Trend jedem selbst überlassen.
Jedes Jahr erwarten Schuhfans mit Spannung, wann die beliebtesten Turnschuhe der Welt namens Yeezy Boost wieder nachproduziert werden – und jedes Mal ist der Andrang kaum bewältigbar. Der bisherige Höhepunkt: Als der Onlineshop mrporter.com eine limitierte Anzahl der von Kanye West designten Sneakers anbot, war die Website minutenlang nicht erreichbar.
Nach zehn Minuten waren 9000 Paar weg
Diesem Hype vorangegangen war eine von Adidas clever aufgezogene Marketing-Kampagne. Ende 2013 holte der Sportartikel-Hersteller den berühmten Rapper ins Boot und kündigte die Lancierung einer gemeinsamen Kollektion an. Die mit dem Athleisure-Trend einhergehende Nachfrage nach stylishen Sneakers machte man sich zunutze, indem das von Kim Kardashians Ehemann entworfene Schuhwerk in begrenzter Stückzahl angeboten wurde. 9000 Paar waren bei der Markteinführung im New Yorker Flagship-Store erhältlich – und nach nur zehn Minuten ausverkauft.
Ein halbes Jahr später hatte man auch in Wien mit Menschenmassen zu kämpfen. Mehrere hundert Adidas-Fans standen stundenlang vor dem Steffl Department Store Schlange, um sich eines der 200 Lose zu sichern. 60 Gewinner konnten ein Paar mit nach Hause nehmen.
„Der Hype um die Kanye West-Kollektionen ist selbst als Insider nur schwer nachzuvollziehen“, sagt Steffl-Einkäufer Florian Kampelmühler. Das Prinzip der künstlichen Verknappung funktioniert auch heute noch. „Der Andrang wird von Mal zu Mal größer. Hunderte Interessenten kommen auf ein Paar. Da muss man sich etwas einfallen lassen“, so der Sneakers-Experte. Vergangenen Sommer wurde eine virtuelle Schnitzeljagd durch ganz Wien veranstaltet, an deren Ende die Verlosung eines Kaufrechts für die ersten 220 Teilnehmer stattfand.
Ins Fitnesscenter werden die ab 200 Euro erhältlichen Sportschuhe freilich nicht getragen – sondern lieber zu zerrissenen Jeans oder Blumenkleidern kombiniert. Schließlich will das Statussymbol der Stunde auch gezeigt werden. Und sollten die Yeezys irgendwann doch nicht mehr gefallen, gibt es noch eBay. Dort sind Fans bereit, bis zu 1500 Euro für den Kultschuh auszugeben.
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