Jonathan Berkh: Dieser Künstler veredelt altes Gewand
Konsumverzicht ist keine reine Frauensache – Autorin Nunu Kaller hat’s zwar vorgemacht und ihre Erfahrungen in dem Buch „Ich kauf nix!“ zu Papier gebracht, aber auch Männer folgen diesem Beispiel. Wie der in Wien lebende Künstler Jonathan Berkh, der seit Weihnachten 2017 auf Shopping-Askese setzt. Was er sich davon verspricht und warum er jetzt seine Kleidung selber macht, verriet er dem KURIER.
KURIER: Sie haben es sich zum Ziel gesetzt, ein Jahr lang nichts einzukaufen. Wie kam’s?
Jonathan Berkh: Das waren verschiedene Komponenten. Erstens hatte ich den Eindruck, ich habe wirklich genug im Kleiderschrank und auch für jede Gelegenheit etwas anzuziehen. Und dann wollte ich das einfach probieren, mal nichts zu kaufen. Ein anderer Aspekt ist diese „Consumer Awareness“ (Sensibilisierung der Verbraucher). Wir müllen unseren Planeten zu und die Mode-Industrie ist eine der größten Verschmutzer überhaupt. Bis die Stoffe einmal so weit sind, dass man sie verarbeiten kann, dann werden sie gefärbt, sie werden chemisch behandelt und und und. Allein, bis wir die Klamotten einmal im Laden haben, ist so viel an der Umwelt passiert und alles, was wir kaufen, landet irgendwann im Müll. Egal wie hübsch das im Augenblick gerade ist. Vor allem mit dieser „Fast Fashion“, die wir haben mit diesen ganzen Ketten: Man kauft sich ein T-Shirt und weiß, ich hau’ es in zwei Monaten weg. Das ist einfach ein bisserl das Bewusstsein zu sagen: Nein! Und wenn wir dem Planeten oder unserer Gesellschaft, den Menschen, etwas Gutes tun wollen, ist die einzige Möglichkeit Konsumverzicht oder die Reduktion von Konsum.
Hand aufs Herz, ist es Ihnen schwergefallen, an Schaufenstern nur vorbeizugehen?
Nein, komischerweise überhaupt nicht. Es war am Anfang sogar eine Befreiung zu sagen, ich muss da jetzt überhaupt nicht reinschauen, ich brauche das alles nicht.
Haben Sie sich schon einmal überschlagsmäßig überlegt, wie viel Sie sich dadurch erspart haben? Oder war das Geld überhaupt kein Thema?
Das Geld ist kein Thema, weil ich auch sonst versuche, relativ günstig einzukaufen. Selbst wenn es High-Fashion-Teile sind. Ich kaufe alles nur im Abverkauf und ich kaufe meistens die Sachen, die übrig geblieben sind, um minus 80 Prozent, die irgendwo in der Ecke stehen, weil sie keiner nimmt. Und das sind immer die perfekten Sachen für mich. Die passen, das ist genau mein Style. Das Geld war nicht der Punkt, aber ich habe mir sicher einiges erspart.
Sie sind ja im Prinzip noch einen Schritt weitergegangen. Sie kreieren jetzt selbst Mode. Und zwar aus Ihren alten Sachen.
Das mache ich schon länger. Wenn ein Teil von einem Kleidungsstück kaputt ist, dann nehme ich es einfach auseinander und setze es neu zusammen. Und bei mir ist als Maler halt auch noch die Farbe dazugekommen. Ich gehe dann mit Pinsel und Farbe über meine Sachen drüber.
Also kann man in dem Fall auch sagen: Mode ist eine Form von Ausdruck.
Ja! Ich sehe das so, dass jeder Mensch kreativ ist. Und am Morgen, wenn wir zum Kleiderschrank gehen und uns etwas aussuchen, kreieren wir den Menschen, der wir tagsüber sein wollen. Das finde ich einen ganz wesentlichen Prozess. Und das ist nicht nur bei Künstlern oder bei Musikern so, das ist wirklich bei jedem. Jede Rechtsanwältin, jeder Bäcker oder jede Kassiererin – man kreiert damit den Menschen, der man sein will. Ein kreativer Effekt, den viele Menschen jetzt nicht wirklich wahrnehmen. Aber für mich ist er sehr wichtig.
Wie würden Sie überhaupt Mode für sich definieren? Was ist für Sie modisch?
Für mich ist das eher Style. Ich hab wahnsinnig gern zeitlose Sachen im Kleiderschrank, die ich seit 20 Jahren habe und noch immer anziehe. Das ist jetzt nicht einmal das "sentimental attachement", das man oft hat, sondern weil die Sachen noch funktionieren. Sie sind noch tragbar und sie sind noch super und schön.
Zur Person
Jonathan Berkh wurde 1963 in Deutschland geboren, war ursprünglich Tänzer, Choreograf und Schauspieler und hat sich dann der Malerei verschrieben. Seit 1999 arbeitet er auch intensiv mit Künstlerin
Cécile Nordegg. mit der er auch privat verbunden ist, zusammen an Projekten in den Bereichen Bühne, Projektion, Design und Malerei. Die beiden haben zwei Kinder, Tochter Tahnée und Sohn Talin. Erst kürzlich hat er einen Vertrag mit einer Galerie in Padua unterschrieben.
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