Dünne im Visier
Eine Woche vor dem Start der Mercedes-Benz Fashion Week in Berlin sorgt eine Gesundheitsinitiative der Modeagentur IMG Fashion und des deutschen Vogue-Magazins für Gesprächsstoff. In einem Brief appellieren sie an Designer, sich an gewisse Regeln zu halten.
Models dürfen nicht jünger als 16 Jahre alt sein und sollen ein gesundes Körperbild vermitteln. Hintergrund: Viele Mädchen laufen mit 14 Jahren über internationale Laufstege und nehmen das Hungern für den Erfolg im Rampenlicht in Kauf. Christiane Arp, Chefredakteurin der deutschen Vogue, betont: "Models haben für viele Frauen eine Vorbildfunktion. Umso wichtiger ist es, dass sie auch Botschafterinnen eines gesunden Körperbewusstseins sind."
Das bedeutet für Designer neue Maßstäbe beim Casting. Designer Marcel Ostertag (seine Fashionshow ist am 5. Juli um 15 Uhr) begrüßt die Initiative. Er bucht immer selbstbewusste Models, gern auch 25-Jährige, gibt aber zu bedenken: "Man muss schon unterscheiden zwischen den Mädchen, die sich runterhungern – das sieht man gleich an der Haut – und jenen, die genetisch gesegnet sind und tatsächlich nicht zunehmen. Ich habe noch nie ein Mädchen per Maßband gemessen. Die propagierten 90-60-90 sind vielleicht perfekte Maße für den Playboy."
In den 1990er-Jahren gaben Supermodels wie Cindy Crawford die perfekten Maße von 90-60-90 (Brust-Taille-Hüftumfang) vor und verkörperten das "gesunde Körperbewusstsein". Heute zählen Mädchen wie die 19-jährige Schwedin Chloe Memisevic zu den meistgebuchten Topmodels. Bei einer Körpergröße von 1,83 Metern zählt sie zu den "Size Zero"-Models. Damit regiert sie die begehrten Laufstege in Mailand, Paris und New York. Couturiers schätzen ihren "speziellen Look". Auch Modeschöpfer Karl Lagerfeld verteidigt dürre Models wie sie konsequent: "Da sitzen dicke Muttis mit der Chipstüte vorm Fernseher und sagen, dünne Models sind hässlich. Die Welt der schönen Kleider hat mit Träumen und Illusionen zu tun. Runde Frauen will da wirklich niemand sehen."
"Wir wollen keine Lippenbekenntnisse"
Michaela Langer vom Wiener Programm für Frauengesundheit begrüßt es, dass sich einige in der Modebranche für ein gesundes Körperbild der Mädchen einsetzen. Sie hofft aber, dass es nicht bei Lippenbekenntnissen bleibt. Schon vor einigen Jahren sorgten ähnliche Kampagnen gegen Magermodels, bei den Shows in Mailand und Spanien für Aufsehen. Von einem Umdenken in der Branche ist nichts zu sehen. "Auf den Laufstegen und in den Medien wird ein eindimensionales und unrealistisches Körperbild gezeigt. Eine Taille von 60 Zentimetern ist die eines acht bis neunjährigen Kindes", sagt Langer. Vor allem junge Frauen versuchen dem Ideal nachzueifern und erkranken an Essstörungen. "Die Norm, die hier vorgegeben wird, verinnerlichen junge Mädchen. Wenn sie das Gefühl haben, von dieser Norm abzuweichen, werden sie unzufrieden und ihr Selbstwert sinkt. Der nächste Schritt ist eine Diät. Darauf folgt der Jo-Jo-Effekt, die nächste Diät, und das kann in eine Essstörung führen." Laut aktueller WHO-HBSC-Studie finden sich 40 Prozent der befragten 15-jährigen Mädchen zu dick, obwohl sie normalgewichtig sind. Die Expertin sieht eine Herausforderung für die Modewelt und Journalisten. "Es wäre sehr wichtig zu zeigen, wie vielfältig der menschliche Körper ist."
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