Die Hosenbilanz der Österreicher

Die Hosenbilanz der Österreicher
Von Montag bis Samstag tragen die meisten Jeans, am Sonntag Pyjama- oder Jogginghose.

Sechs Jeans hat er daheim im Kasten. Zwei kauft er jedes Jahr neu dazu, und zwei gibt er zur Altkleidersammlung. So sieht die persönliche Hosen-Bilanz vom Franz aus.

Den Franz gibt es im Original nicht, aber er ist laut einer aktuellen Marketagent-Umfrage („1. österreichische Hosenvolksbefragung“) der größte gemeinsame Nenner, quasi der Repräsentant der Österreicher in Sachen Beinbekleidung.

Ohne Jeans wäre der Franz also nicht lebens- bzw. gesellschaftsfähig. An sechs von sieben Tagen der Woche schlüpft er in seine vertraute Baumwollhose. Am siebenten Tag beruft er sich auf Gott – und bleibt im Pyjama oder steigt auf die ebenso sehr beliebte Jogginghose um.

Und die Frau vom Franz? Ist eventuell die Maria. Die Maria trägt an fünf von sieben Tagen Jeans. Und besitzt, was vielleicht nicht besonders verwundert, mehr Beinkleider als ihr Schatz. In puncto Jeans sind es deren acht.

Völker verbindend

Die Jeans ist ein weltweites Phänomen. Bald wird sie 140 Jahre alt. Ein Schneider und ein Stoffhändler aus San Francisco ließen sich ihre Idee, die Nähte ihrer Arbeiterhosen mit Nieten zu ver­stärken, am 20. Mai 1873 patentieren.

Der Schneider hieß Jacob Davis und sein Kompagnon Levi Strauss. Später, um 1920, kam die Bezeichnung Blue Jeans auf – als Hinweis auf den mit Indigo gefärbten Baumwollstoff Denim.

Nach dem Zweiten Weltkrieg fand die Jeans auch ihren Weg nach Österreich. Was ursprünglich ein Alleinstellungsmerkmal der US-Besatzungssoldaten war, wurde bald auch von den ersten heimischen Rock ’n’ Rollern getragen (begleitet von heftigen Protesten ihrer Eltern).

Heute hat die Jeans der Leder- und auch der Anzughose den Rang abgelaufen. Sie hat quer durch alle soziale Schichten hohe Akzeptanz, ist omnipräsent und Völker verbindend. Man trägt sie in San Francisco ebenso wie in St. Anton, St. Pölten oder in Sankt Hanappi. So ist auch die Bandbreite in den Regalen der Anbieter von der 10-€-Billig- bis zur 1000-€-Maß-Anfertigung zu erklären.

Hochwasser-Hose

Speziell den Franz plagen vor dem Schrank Zweifel. Wenn er in der Früh oder auch nach Dienstschluss (so er ein Bankangestellter ist) in seine Jeans steigt, geht es ihm wie den meisten Männern hier zu Lande: Die Hälfte seiner Blue Jeans passt ihm gut, die andere nicht so gut. Weil er gewachsen ist – nicht in die Höhe, sondern in die Breite.

Auch die Hochwasser-Jeans hat, wie der 2,04-Meter-Mann und Chef-Marketagent Thomas Schwabl in der Wiener U-Bahn oft beobachtet, noch immer nicht ausgedient. Neben der Hochwasser- gibt es noch drei Jeans, die laut Schwabl bzw. seiner Hosenbefragung Sünde sind: „Die Patchwork-Jeans, die karottenförmige Jeans und die Röhrl-Jeans bei den Männern.“ Dazu die drei Anlässe, bei denen Franz und Maria keine Jeans tragen wollen: „Bei unserer Hochzeit, bei einem Ball und im Theater.“

Und wie begründen die Landsleute von Franz und Maria den Siegeszug der Jeans? Weil sie bequem zu tragen ist, erklärt die Mehrheit der Befragten. Und weil sie zumindest bei den Männern nach dem Anzug das Kleidungsstück mit dem meisten Sex-Appeal sei. Nicht so bei den Frauen: Da liegt die Röhren-Jeans hinter Minirock, Cocktailkleid, Hot Pants, Bikini, Dirndl und Sommerkleid gar nur auf Rang 7.
Franz und Maria, war da nicht noch was? Genau, ihre Pyjamahosen und ihre Jogginghosen – nur diese beiden Hosen wertet man in Österreich als noch bequemer.

Ungewaschene Jeans

Gut, wer oft U-Bahn fährt, den wird auch Folgendes nicht überraschen: Franz wirft seine Jeans später in den Wäschekorb als Maria. Laut Umfrage trägt jeder fünfte österreichische Mann seine Hose bis zu zehn Mal zwischen zwei Waschgängen.

Der Lebenszyklus einer Jeans liegt indes bei rund fünf Jahren. Dann muss dringend eine neue her. Und auch da gibt es feine Unterschiede: Die Maria kauft sie am liebsten alleine (maximal mit einer Freundin, aber ganz sicher nicht mit ihrem Franz), der Franz am liebsten mit der Liebsten. Sicher ist sicher.

von Christine Scharfetter

Die Passform sei ihre Domäne, erklären die Gebrüder Stitch. „Wir zimmern den Kunden die Jeans genau auf ihren Hintern.“ Eine Hinterhof-Schneiderei auf der Mariahilfer Straße in Wien 6. „Hosenlabor“ steht über dem Eingang. Hier sieht Wien ein wenig so hip wie London oder mindestens wie Berlin aus.

Obacht, diese Gebrüder sind Schmähbrüder. Sie heißen mit bürgerlichem Namen Moriz Piffl und Mike Lanner. Und sind alles andere als Maßschneider. An die Nähmaschinen setzen sich die Marketingprofis nur, wenn das Fernsehen kommt.

Dafür haben sie inzwischen sechs gut ausgebildete Leute, die für sie arbeiten. Einer unterrichtet sogar an der Angewandten. Von ihm ist zum Beispiel auch zu erfahren, wie groß die Hosentaschen am Hintern sein sollten, damit eben jener bestmöglich zur Geltung kommt.

Piffl und Lanner sind mit ihrer Hinternhof-Idee inzwischen seit zweieinhalb Jahren umtriebig. Sie schneidern im Schnitt vierzig Hosen pro Monat. Damit werden sie nicht reich. „Dafür macht uns die Arbeit viel Spaß“, erklärt Gebruder Piffl.

Ihre Hosen sind Unikate. Der Einstiegspreis liegt bei fetten 240 €, und nach oben hin ist noch viel Luft. Wem das zu viel Holz ist, dem erklärt Piffl: „Das Material kostet uns so viel wie eine fertige Hose beim H&M.“

Das Anfertigen einer Hose dauert dann im Schnitt einen Monat. Sofern den Schneidern in ihrem Hosenlabor nicht – so wie in Kürze – das Weihnachtsgeschäft dazwischen kommt.

Bei der Herstellung der Stoffe mussten laut Piffl keine Kinder arbeiten, und auch die Umwelt wurde geschont. Das freut auch den zahlungskräftigen Wiener Hipster.

Und sollte die Passform tatsächlich passen, kann man sich dieselben Maße auch noch in zehn Jahren auf den Hintern zimmern lassen. Fast ein bisserl konservativ werden bei den Gebrüdern Stitch die persönlichen Kundendaten auf Zetteln archiviert. Die Frage ist nur, zu welchem Hintern die alten Maße in zehn Jahren noch passen.

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