Daunenjacken: Ethisch nicht immer vertretbar

Daunenjacken: Ethisch nicht immer vertretbar
Obwohl Lebendrupf bei Gänsen verboten ist, finden Hersteller Schlupflöcher.

Wer dieser Tage auf der Suche nach Wintermode durch die Geschäfte zieht, kommt an ihr nicht vorbei: Die Daunenjacke ist für viele die wichtigste Anschaffung, gilt sie doch als wärmste und atmungsaktivste Variante aller Überbekleidungen. Woher genau das Innere der dicken Jacken und Mäntel kommt, hinterfragten bisher nur wenige. Mussten die Tiere leiden? Oder kann man guten Gewissens kaufen, weil es sich sowieso "nur" um ein Nebenprodukt bei der Schlachtung handelt?

Lebendraufen erlaubt

"Wir merken, dass das Bewusstsein für Lebendrupf bei den Kunden in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen ist", sagt Corinna Reinisch von der Nutztierabteilung bei Vier Pfoten. Immer häufiger werden sie und ihre Kollegen angerufen, um Auskünfte zu einzelnen Marken zu geben. Lebendrupf, bei dem Gänsen bei lebendigem Leib und ohne Sedierung das Gefieder aus dem Leib gerissen wird, ist in Europa zwar seit 1999 verboten. Trotzdem finden Hersteller nach wie vor Schlupflöcher, um der steigenden Nachfrage nach dem leichten und warmen Innenfutter gerecht zu werden.

"In China, Ungarn und Polen wird Lebendraufen praktiziert", erklärt Reinisch. Hierbei werden die Daunen während der jährlichen Mauser gewonnen, bei der die Gänse ihr Federkleid von selbst verlieren. "Bei 2000 Tieren kommt es aber automatisch zu Lebendrupf, weil nicht alle gleichzeitig Mauser haben." Hinzu kommt, dass Produzenten beim Lebendrupf meist besonders hohe Qualität gewinnen können, weil das Gefieder in Elterntier-Betrieben umso schöner wird, je älter die Tiere werden. Und es kann im Gegensatz zum gängigsten Verfahren, dem Totrupf, mehrmals Daune von den einzelnen Tieren gewonnen werden. Diese bleiben traumatisiert und häufig mit blutigen Wunden oder gebrochenen Flügeln zurück.

Tierleid ausschließen

Auf den Etiketten der Daunenjacken finden Kunden so gut wie keine Angaben. "Die fehlende Rückverfolgbarkeit der Daunen ist das Problem", erklärt die Vier Pfoten-Mitarbeiterin. Mittlerweile wurden Standards zur Kontrolle der Lieferketten und Tierhaltung initiiert (siehe unten). Der Responsible Down Standard, der von der Marke The North Face ins Leben gerufen wurde, ist der inzwischen am weitesten verbreitete Standard und stellt sicher, dass die Tiere artgemäß gehalten werden und kein Lebendrupf stattfindet.

Die Luxusmarke Moncler ist noch einen Schritt weiter gegangen und hat ein eigenes Kontrollsystem gegründet. Auf Anfrage des KURIER erklärt man, dass 2015 das DIST-Protokoll (Down Integrity System and Traceability) eingeführt wurde, bei dem ein Nachhaltigkeitsexperte von der Ca' Foscari Universität Venedig den Vorsitz inne hat. Mit dem Protokoll wird vom Züchter bis zum Produzenten jeder regelmäßig von einer unabhängigen Instanz kontrolliert. Damit wird sichergestellt, dass Daune ausschließlich als Nebenprodukt der Fleischgewinnung verwendet wird.

Für Corinna Reinisch gibt es einen weiteren Weg, um Tierleid auszuschließen: Pflanzliche und synthetische Daunenalternativen. Polyester, Lyocel, Baumwolle und Leinen gehören zu den gängigsten Füllmaterialien – und halten ebenfalls sehr warm. "Der Durchschnittseuropäer geht nicht auf den Mount Everest. Wir sind nicht auf Daune angewiesen."

Unabhängige Gütesiegel

Responsible Down Standard: Globaler und freiwilliger Standard, bei dem sich Firmen auch schulen lassen können.

Traceable Down Standard: Zertifizierung, die von der Outdoor-Marke Patagonia in Zusammenarbeit mit u.a. Tierschutzorganisationen entwickelt wurde.

Downpass: Daunen können zum Ort ihrer Beschaffung zurückverfolgt werden.

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