Caprihose: Erst gemieden, dann geliebt

Caprihose: Erst gemieden, dann geliebt
Was heute Hotpants sind, war einst die Caprihose: skandalös. 70 Jahre später empört der dreiviertellange Schnitt längst niemanden mehr.
Caprihose: Erst gemieden, dann geliebt
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Für Sonja de Lennart war es nur ein kleiner Schnitt, für die Modewelt ein großer: Im Italien der 1940er-Jahre griff die damals 25-jährige Münchnerin zur Schere, kürzte ihre Hosen auf Dreiviertel-Länge und machte links und rechts einen Schlitz. Fertig war die Caprihose – benannt nach der italienischen Insel, dem Lieblingsurlaubsziel von de Lennarts Familie.

Wie so viele war auch die Jungdesignerin empört, dass Hosen an Frauen in der Nachkriegszeit nicht gern gesehen oder sogar verboten waren. Die „Hosenweiber“ entsprachen so gar nicht dem vom NS-Regime propagierten Frauenbild. „Ich habe mir geschworen, ich werde kämpfen und die Frauen von diesem Verbot befreien“, erinnerte sich die 95-Jährige bei der Eröffnung der Sonderausstellung zur Caprihose im Textilmuseum Augsburg im Juni.

Zu klein für Marlene

Schon ihre Berufswahl Jahre zuvor war rebellisch gewesen: Gegen den Willen ihres Vaters absolvierte de Lennart eine Ausbildung zur Textilingenieurin, unmittelbar nach dem Krieg eröffnete sie den „Salon Sonja“ in der Münchner Innenstadt. Ihrer ersten Kollektion gab die Mutter zweier Töchter den Namen „Capri“ – weil eine weite Hose unter ihren Mänteln nicht elegant aussah, entwarf sie ein schmales Modell. Die Entstehung der heutigen Kult-Hose hat noch einen anderen, pragmatischen Grund: „Ich liebte Marlene Dietrichs weite Hosen, doch mit einer Größe von 1,52 Metern war ich dafür zu klein.“ Als sie ihr körperbetontes Modell im Urlaub auf Capri bei einem Strandspaziergang trug, wurde der Saum nass – und die Designerin wagte jenen Schnitt, der die Modewelt revolutionierte.

Es dauerte, bis das Mode-Novum seinen Durchbruch hatte. Anfangs wurden die Capris nur am See oder im Schwimmbad toleriert. Nur mutige Trendsetterinnen trauten sich in der dreiviertellangen Hose mit dem schmalen Bein auf die Straße – zu skandalös der neue Schnitt, und überhaupt: eine Hose! Im konservativen München! Eine der ersten Frauen, die das Modell in der Öffentlichkeit trug, war die Schauspielerin Erni Mangold. 1949 arbeitete sie als Modell für de Lennart.

Prominente Fans

Caprihose: Erst gemieden, dann geliebt
Bildnummer: 75463246 French actress Brigitte Bardot on the beach with Carl Mohner during the Cannes Film Festival, 29th April 1955. (Photo by RDA/Getty Images)
Der richtige Hype wurde erst Jahre später ausgelöst: Audrey Hepburn, die auch dem kleinen Schwarzen zu Kultstatus verholfen hat, bezauberte 1954 in der Theaterverfilmung „Sabrina“ in schwarzen Caprihosen. Hubert de Givenchy, ihr Lieblingsdesigner, hatte sie ihr auf den Leib schneidern lassen. Dazu trug die Stilikone zarte Ballerinas. „Sie war für meine Hose wie geschaffen“, erinnert sich de Lennart im Interview mit der Tageszeitung Die Welt. „Klein, zierlich, schlank wirkte sie mit ihrem knabenhaften Haarschnitt wie die Verkörperung eines neuen Typus Frau.“

Plötzlich wollten alle raus aus dem Rock und rein in die Hose: Brigitte Bardot flanierte im gepunkteten Modell durch St. Tropez, Marilyn Monroe kombinierte dazu eine geknotete Bluse. Auch Liz Taylor, Ava Gardner und Sophia Loren liebten die Münchner Erfindung. Und als Jackie Kennedy die schmalen Hosen trug, waren sie endgültig in der High Society angekommen.

Zu de Lennarts Kundinnen im neuen „Maison Haase“ in der bayrischen Hauptstadt zählten unter anderem Maria Schell und Ingrid Bergmann. Curd Jürgens und Klaus Kinski kauften für ihre Frauen ein.

Im Hintergrund

Anders als Mary Quant, Erfinderin des Minirocks, blieb Sonja de Lennart trotz ihrer revolutionären Erfindung lange Zeit unbekannt. Andere Modegrößen beanspruchten die Caprihose für sich: Emilio Pucci verkaufte in seiner Boutique auf Capri Ende der 1950er-Jahre schmale, wadenlange Hosen mit seitlichem Schlitz und galt somit jahrelang als Erfinder. Auch Hubert de Givenchy, der Audrey Hepburn in ihren Filmen ausgestattet hatte, wurde fälschlicherweise als „Vater der Capri Pants“, wie sie im Englischen genannt werden, gehandelt.

Sonja de Lennart blieb der Familie wegen in München, wo sie heute noch lebt – und verpasste vielleicht auch deswegen die ganz große Karriere. Ihre Erfindung wurde zum Klassiker und im Laufe der Jahre immer wieder, auch von großen Designern, kopiert. Mode-Ikonen wie Elle MacPherson und Miranda Kerr tragen Capris heute noch. Italienisches Lebensgefühl kommt so schnell eben nicht aus der Mode.

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