1968: Modischer Protest damals und heute

1968: Modischer Protest damals und heute
Schon vor 1968 etablierten weitsichtige Designer neue Möglichkeiten für Frauen, sich modisch zu äußern.

Es gab viel zu lesen, als man auf das Gebäude zuschritt, in dem die Dior-Modeschau stattfand: "WOMEN’S RIGHTS ARE HUMAN RIGHTS", "PROTEST“, "I AM A WOMAN"... Das Gleiche im Inneren. Der gesamte Laufsteg war rundum mit Zeitschriftencovers von 1968 geschmückt. Wir schreiben Februar 2018. Designer lassen sich vom Zeitgeist vor 50 Jahren inspirieren. Auf dem (Herbstmode-)Pullover, den das erste Model trug, stand ebenfalls eine Botschaft: "C’est non non non et non." ("Es ist nein, nein, nein und nein").

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Auch Alessandro Michele, der weltweit gefeierte Designer von Gucci, holte sich für die aktuelle Werbung für seine Herbst-Pre-Kollektion Anregungen von 1968: Junge Gucci-Rebellen besetzen auf riesigen Plakatwänden einen Universitätscampus, mit "Optimismus, Idealismus und Leidenschaft". So soll an die Proteste erinnert werden, als Studenten im Mai 1968 in der Sorbonne in Paris aufmarschierten und für "Liberté, Egalité, Sexualité" rebellierten. Dazu Gucci: "Unerschrocken, sich selbst darzustellen, eint sie der Wunsch nach Wandel und Infragestellung des Establishments."

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Karl Lagerfeld kann darüber vermutlich nur milde lächeln. Er hatte die Erinnerung an die Revolution bereits 2014 mit seiner Chanel Modeschau auf den als Straße gestalteten Laufsteg gebracht: "BOYS SHOULD GET PREGNANT TOO", "feminism NOT masochism", "Make fashion not war", "WOMEN’S RIGHTS ARE MORE THAN ALRIGHT!" stand auf seinen Transparenten zu lesen, die die Models strahlend vor sich hertrugen.

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Erfinden, erfühlen, wissen

Brillante Modeschöpfer waren und sind ihrer Zeit immer voraus. Auch jene, die 1968 die Looks definierten. Weil sie sensibel erfühlen, was die Frau, was der Mann gerade will und in welche Richtung es weiter gehen soll, was die Zukunft modisch bringt. So bestimmen sie die wahren Trends.

Mary Quant nahm 1968 bereits 1958 vorweg, als sie den Minirock erfand. Erfand? Erfühlte! Wusste, dass da ein neues Selbstbewusstsein immer stärker wurde. Ja, die Frauen hatten es satt, sich verhüllen zu müssen, damit sie nicht sexuell belästigt, gar vergewaltigt würden. Motto: Ich mache mit meinen Beinen – auch mit meinen Brüsten – was ich will, zeige sie her oder nicht. Ganz wie ich will. Kleidung als politisches Statement gegenüber prüden Moralvorstellungen.

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Rudi Gernreich, der 1922 in Wien geborene und 1938 nach Los Angeles geflohene Tänzer und Modeschöpfer, unterstützte diesen Wunsch bereits 1963 mit seinem Monokini.

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Yves Saint Laurent brachte den Wunsch 1967 auf den Couture-Laufsteg in Paris. Mit einer transparenten Bluse und einem durchsichtigen Abendkleid.

Hosenverbot

Genauso wichtig war es damals, dafür zu kämpfen, dass Frauen Hosen tragen durften. Saint Laurent sorgte 1966 mit seinem Damen-Smoking für Aufsehen und Sonia Rykiel gestaltete ihre erste Modeschau 1968 hauptsächlich mit Hosen. (In Paris wurde das Hosenverbot für Frauen offiziell erst 2013 aus den Gesetzen gestrichen.)

Grandios, die Mode-Pop-Stars der 60er-Jahre André Courrèges, Pierre Cardin und Paco Rabanne. Letzerer gestaltete die Kostüme für den Film Barbarella mit, wurde dadurch weltberühmt und läutete so die Pop-Art-Ära des Films ein. Wunderbar der Wandel von Vivienne Westwood von der braven Lehrerin zur Punk-Queen.

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Natürlich verlangte die neue Mode auch neue Unterwäsche. "Weg mit dem BH" hieß es bei den Protesten und schon stand es auf den Verpackungen zarter, durchsichtiger BHs von Palmers zu lesen: "No Bra"! Und zum Minirock wollte man keine Strumpfgürtel tragen, also wurde die Strumpfhose rund um 1968 interessant und populär. Und wieder tat sich Palmers – auch immer der Zeit voraus – mit der "Hipster-Strumpfhose", hervor. Hip (englisch für Hüfte) stand auf der Verpackung zu lesen. Denn sie reichte nur bis zur Hüfte und passte somit perfekt unter die hüftfreien Miniröckchen.

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Dass mit dem Ausdruck Hipster auch ein politisches Statement gemeint sein könnte, muss man ja nicht zugeben...

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