Vea Kaiser: Auch Thomas Gottschalk liest ihre Bücher
Die Aufregung kommt immer dann, wenn man sie gar nicht brauchen kann. Bei Vea Kaiser (30) war es ein Diebstahl.Vergangenen Mittwoch befindet sich die Bestseller-Autorin, deren erster Roman „Blasmusikpop“ 2012 durch die Decke ging, auf dem Heimweg von einem Journalistengespräch und wird gegen Mitternacht auf der Wiener Schwedenbrücke von einer Frau angerempelt – eine Sekunde später ist ihre Handtasche weg. „Mit allen Karten, Schlüsseln und Dokumenten. Ich war verzweifelt.“
Viel Zeit zum Hadern bleibt Kaiser aber nicht. Am Donnerstag erscheint ihr Familienroman „Rückwärtswalzer“ – und eine mehrmonatige Lesereise steht bevor. Köln, Leipzig und Hamburg sind die ersten Stationen, die sie mit Buch und Hund Dante – benannt „nach meinem absoluten Lieblingsdichter“ – ansteuern wird. Zurück bleibt ihr Mann Davide, ein angehender Urologe, den sie im Sommer geheiratet hat. „Mein Mann hat sich sehr gut ins Eheleben eingefügt und völlig aufgehört, sich Gedanken zu machen, was er isst. Ich habe Angst, er verhungert, wenn ich nicht da bin. Aber ich komme dazwischen auch heim.“
Das ist aber nicht die einzige Angst, die sie in den nächsten Monaten begleiten wird. „Ich habe Tage, an denen ich mich frage, ob die Menschen etwas missverstanden haben, weil sie meine Bücher so mögen. Aber zweifeln ist menschlich.“
Die Chancen, dass auch „Rückwärtswalzer“ eine Vorwärtsrolle macht, sind aber groß. Kaisers Bücher haben sich bisher 250.000 Mal verkauft – und die mediale Unterstützung von Talklegende Thomas Gottschalk (68) wird dem neuen Werk auch nicht schaden. Kaiser ist Premierengast seiner neuen Literatursendung „Gottschalk liest?“ am 19. März. „Er will Menschen wieder zum Lesen ermuntern“, erzählt Kaiser. „Es freut mich, dass ein Entertainer, der so viele Menschen begeistert und erreicht, sich für seine neue Show Literatur ausgesucht hat.“
Frau Kaiser, ihr nächstes Baby kündigt sich an ...
Vea Kaiser: Nein, man darf nie Kind sagen zu einem Buch. Viele Schriftsteller machen das. Aber ich finde es respektlos. Es ist nur ein Buch und wird dich im Alter weder pflegen noch besuchen. Das Tolle an Büchern ist aber, das sie deine Begleiter sein können. Mein neues Buch betritt die Bühne der Welt und ich freu mich irrsinnig!
Kann man im Moment, wo ein Buch abgeschlossen ist, eigentlich schon an das nächste denken?
Ich habe so wahnsinnig viele Ideen. Für einen Krimi, für ein Sachbuch, eine Jugendbuch-Reihe und für einen Podcast. Dass der Tag nur 24 Stunden hat, in denen man auch noch essen und schlafen muss, finde ich ziemlich gemein. Ich bin draufgekommen, dass meine größte Angst im Leben nicht die ist, irgendwann zu sterben, sondern zu sterben, bevor ich all die Dinge, die ich in mir trage, niedergeschrieben habe.
Welches Sachbuch möchten Sie schreiben?
"Kaisers kleines Graecum" - die gesamte griechische Antike auf 700 Seiten. Ein Coffee Table Book, das man sich als interessierter Laie zu Gemüte führen kann. Man kann auch schwere Dinge leicht erklären und muss nicht immer alles so kompliziert darstellen. Das habe ich nach zwölf Jahren Studium gelernt. (Anm.: Kaiser studiert Klassische und Deutsche Philologie mit Schwerpunkt Altgriechisch)
Warum trägt Ihr Buch den Titel "Rückwärtswalzer"?
Er steht für die Bewegung im Buch. Die Familie, um die es geht, fährt in den Süden. Zusätzlich gibt es zwischen jedem Kapitel Rückblenden. Diese Bewegung nach hinten hat mich auf den Titel gebracht. Es ist auch ein sehr österreichisches Buch geworden, was ich gar nicht vorhatte. Dafür steht der Walzer. Die ganze Nachkriegs-Geschichte wird aufgerollt, wichtige Stationen in der Geschichte Österreichs kommen vor. Da habe ich gedacht, das passt ganz gut.
Ist Ihnen das Schreiben beim dritten Buch leichter gefallen?
Beim ersten war's halt das Erste, und das ist schwierig, weil du was machen musst, was du noch nie zuvor gemacht hast. Das zweite war auch irgendwie schwierig. Es ist allgemein bekannt, dass das zweite Buch nach so einem großem Erfolg einfach schwierig ist. Und das dritte war von der Geschichte her wirklich herausfordernd. Einerseits ist es eine Reisegeschichte und Reisen zu beschreiben ist nicht leicht. Zusätzlich noch diese Rückblenden. Da den Überblick zu behalten und alles aufeinander abzustimmen, ohne sich zu wiederholen, war eine Riesenherausforderung.
Ihr erstes Buch war ein Bestseller. Wie groß ist der Druck dadurch für Ihr neues Buch?
Eigentlich gibt es keinen Druck. Ich kann das nicht beeinflussen oder steuern. Die Leser entscheiden am Ende des Tages, ob sie ein Buch lesen wollen oder nicht. Ich hoffe, dass meine Bücher die richtigen Leser finden. Aber du kannst nicht den Mitarbeiter eines Verlages in die Buchhandlung stellen, damit er dein Buch verkauft.
Man kann das Buch aber in der Buchhandlung besser positionieren.
Natürlich kann man ein bisschen was tun für ein Buch. Ich wurde schon öfters gefragt, ob es hilft, eine junge, fesche Frau zu sein, wenn es um den Buchverkauf geht.Das ist eine Frage, die mich irgendwie beleidigt. Meine Güte, ich kann nichts dafür, wie ich aussehe. Ich bin, was ich bin. Aber es hilft, wenn man nicht öffentlichkeitsängstlich ist. Viele Autoren werden ja Schriftsteller, weil sie gerne ihre Ruhe haben und keine Rampenschweine sind. Dann sind sie plötzlich wegen ihrer Publikation gezwungen, aufzutreten. Das ist nicht leicht, auch für die Verlage. Die Geschichte alleine ist es aber nur in Ausnahmefällen.
Was möchten Sie mit Ihren Büchern erreichen?
Ich bin keine Philosophin und schreibe keine Bücher, die die Welt erklären. Ich bin Schriftstellerin und kann nur versuchen, zu berühren, zu unterhalten, den Menschen während der Lektüre eine gute Zeit zu verschaffen. Das ist alles. Wie oft sich das dann verkauft, liegt nicht in meinem Wirkungsbereich.
Viele träumen davon, Autorin oder Autor zu werden. Haben Sie einen Traumberuf?
Es ist eigentlich nicht wirklich ein Beruf, es ist eine Berufung. Viele Menschen glauben, wenn man es richtig macht, wird man reich. Aber es ist ein hochspezialisiertes, kleines Feld. Die Gruppe, die wirklich davon leben kann - und ich habe ein unfassbar großes Glück, dass ich da dazugehöre - ist sehr klein. Ich liebe das Schreiben und mag es, gerne, alleine zu sein. Ich mag es aber auch, auf Lesereise zu gehen und durch 300 Städte zu fahren, um mein Buch Menschen vorzustellen.
Sie sind erst seit September verheiratet. Fällt da der Abschied von zuhause nicht schwer?
Wir werden sehen, aber anders als mein Bruder, der Unternehmensberater ist und am Montag in den Flieger steigt und am Freitag zurückkommt, muss ich das nicht jede Woche machen, sondern nur für ein paar Monate. Ich glaube, mein Mann schiebt das noch weg. Ich mache mir Sorgen, dass er total abnehmen wird. Mein Mann hat sich sehr gut in das Eheleben eingefügt. Er hat einfach völlig aufgehört, sich Gedanken über sein Essen zu machen. Und ich mache mir auch Sorgen, dass ihn niemand mehr aufweckt, um ins Bett zu gehen, wenn er vor dem Fernseher einschläft. Ich vermute, dass er auf dem Sofa leben wird, wenn ich weg bin. Aber ich komme ja dazwischen auch immer wieder heim. Außerdem hat er im November seine Facharztprüfung für Urologie und muss sehr viel lernen. Da passt das zeitlich ganz gut.
Thomas Gottschalk hat Sie in seine neue Sendung "Gottschalk liest" eingeladen. Kennen Sie ihn schon?
Nein, noch nicht. Die Einladung hat mich irrsinnig gefreut, vor allem weil ein so legendärer Entertainer wie Gottschalk, der so viele Menschen begeistert und erreicht, sich ausgerechnet Lesen als Thema für seine neue Sendung aussucht. Er hat gemeint, er will die Menschen wieder zum Lesen ermuntern. Für mich ist es eine riesige Ehre, dass ich in seiner ersten Sendung sein Gast sein darf. Es ist eine illustre Runde mit Sarah Kuttner und Ferdinand von Schirach, der ein großartiger Analyst des Verbrechens ist.
Was sind die größten Ängste einer Autorin?
Je länger ich schreibe, desto mehr zweifle ich an mir. Mir hat unlängst ein älterer, erfahrener Kollege gesagt, das wäre ein Qualitätsmerkmal. Ich hätte ein besseres Bewusstsein für meine eigenen Schwächen entwickelt. Aber ich zweifle wahnsinnig viel. Es gibt wirklich Tage, an denen ich mich frage, ob es nicht ein großes Missverständnis ist, dass Menschen meine Bücher mögen. Ich habe auch Tage, da habe ich Angst davor, meine Kolumne abzugeben (Anm.: in der KURIER Freizeit), weil ich denke, es werden sie alle furchtbar finden. Das hilft es, mit erfahrenen Kollegen zu sprechen, die solche Zweifel auch kennen. Zweifeln ist menschlich und dem muss man auch Raum geben.
Haben Sie ein Rezept gegen das Zweifeln?
Ich habe sogar eine Super-Lösung gefunden. Ich ziehe mir meine Laufschuhe an oder schnappe mir meine Yoga-Matte. Je mehr ich zweifle, desto schneller laufe ich. Und nach Yoga tut mir alles so weh, dass ich gar keine Gelegenheit mehr habe, über Zweifel nachzudenken.
Was wünscht man einer Autorin für Ihr neues Buch?
Hals- und Beinbruch, das schadet nie.
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