Ulla Meinecke: "Ohne Navi durch die Welt"

Ulla Meinecke: "Ohne Navi durch die Welt"
Die Rockpoetin erzählt, warum sie lieber keine Spuren hinterlässt.

Ein Besuch in Wien ist für Ulla Meinecke in erster Linie "lecker" – vom Schnitzel bis zu den Knödeln, sie liebt die "Genusssituation". Für den Interviewtermin mit dem KURIER sucht sie sich aber das Museum für Angewandte Kunst (MAK) aus. Sie ist tief beeindruckt von der Architektur des Hauses, doch privat hat sie für "alten Kram" nichts übrig. "Ich bin jemand, der ausmistet. Für mich hat es etwas Belastendes, wenn ich altes Zeug rumstehen habe." Selbst ihre alten Schallplatten hat die Sängerin von "Die Tänzerin" und "Feuer unterm Eis" nicht aufgehoben. "Inzwischen tut es mir leid, dass ich manche Platten nicht mehr habe. Aber wenn’s vorbei ist, dann ist es vorbei."

Nach mehr als 30 Jahren im Musik-Business singt sie lieber "Ich bin zu alt fürs Showgeschäft. Ich bin zu alt für geliftete Wangen ... Mit mir zu reden ist wie Nekrophilie." Dementsprechend wenig kümmert die 60-Jährige der Hype um Anti-Aging und gekünstelte Jugendlichkeit. "Anti-Aging ist so erfolgreich wie eine Katzenklappe an einem U-Boot. Dafür hab’ ich keine Zeit. Ich hab’ einen glücklich machenden Beruf. Musik, Schlaf und Liebe sind meine großen Heiler."

Ohne Jugendkult

Ulla Meinecke: "Ohne Navi durch die Welt"
Unterwegs mit Ulla Meinecke im Museum für Angewandte Kunst (MAK) in Wien am 10.03.2014
Ulla Meinecke gehört zu einer "glücklichen Generation", in der es noch keinen Jugendkult gab. "Diese heutigen Probleme der Eigendarstellung hatten früher nur Hollywoodstars." Sie nimmt an keinen Promi-Dinners teil und setzt sich nicht in die Jury von Casting-Shows. "Manche denken, wenn sie nicht im TV sind, sind sie gestorben."

Meinecke schwimmt gegen den Strom. Bei ihren Konzerten bittet sie ihre Zuschauer, nicht mitzufilmen und wenn, dann sollen sie ihre Videos nicht ins Internet stellen. "Ich nenne es Handy-Tourette – früher haben die Leute bei Konzerten Feuerzeuge hochgehalten, jetzt ist es das Handy." Das Internet zu meiden sei zwar kein Rezept für eine junge Band, aber sie will das alles nicht. "Computer und Smartphone sind Werkzeuge. Aber ich sehe es als Bereicherung zu wissen, wie ich ohne Navi durch die Welt komme."

Meinecke hält sich gerne bedeckt. Und so spielt sie bei ihren Konzerten oft Lieder, die es gar nicht auf CD gibt. "Ich zahle auch nichts mit Kreditkarte. Ich gehe so spurlos wie möglich durch die Welt. Ich habe keine Paranoia, aber ich lebe lieber ohne Netz." Die Künstlerin erinnert sich noch gerne an die Zeiten als sie nicht einmal wusste, wie die Musiker aussehen, die sie im Radio hörte.

Zeitorte

Wenn es um die Vergangenheit geht, wird sie wieder poetisch. "Die Zeit funktioniert nicht wie eine Linie. Es gibt Zeitorte – etwas, das Jahre her ist, kann viel präsenter sein als anderes, das viel kürzer her ist und im Meer der Zeit versunken ist." Da verrät sie, dass es doch etwas gibt, das auch sie durch alle Zeiten begleitet. "Ich sammle Steine und Mineralien, schon seit meiner Kindheit. Die liegen bei mir herum. Das ist etwas Lebendiges."

Ulla Meinecke: "Ohne Navi durch die Welt"
Unterwegs mit Ulla Meinecke im MAK in Wien am 10.03.2014
Die Liebe – das Hauptthema von Ulla Meinecke – interessiert sie heute weniger. "Es gibt immer wieder romantische Auswüchse, aber diese Mann-Frau-Paar-Nummer, dieses Suchen, Finden, Verpassen, Verlieren und Wiederfinden ..." All das ändere sich im Laufe der Jahre, doch ihre Lebensweisheiten spiegeln sich noch immer in ihren Texten: "Wenn du mich nicht verstehst, dann ist das wie Bierdosenkicken im Regen, wie ein schlechter Traum im Abstellraum."

Mit Träumen sind auch ihre Inspirationen vergleichbar. "Ich habe einmal versucht das mit Rio Reiser zu definieren. Sie liegen in einem Raum, wo alles ist, was war und sein wird. Vielleicht ist es der Raum, den Menschen betreten, wenn sie träumen. Und wir sind die glücklichen, die ihn ab und zu auch tagsüber betreten können. Es hat einfach etwas Magisches."

Tipp: Ulla Meinecke & Band am 25. 3. Metropol, 26. 3. Kunsthaus Weiz, Karten: www.oeticket.com

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