Tenor Piotr Beczala gibt Gas

Opernsänger, Piotr Beszala, Interview im Gasthaus Sperl
Vom Straßensänger zum Opernstar.

Müde und mit Halsweh kommt Piotr Beczala aus Südpolen, wo er ein kleines Häuschen besitzt, in sein Stamm-Gasthaus Sperl im vierten Bezirk. Um die Ecke hat sich das Ehepaar Beczala seine neue Wohnung eingerichtet. „Ein Weinkeller mit Lehmboden für meine Sammlung ist auch dabei.“ Der Star-Tenor ist mit vielen österreichischen Spitzenwinzern, unter ihnen Karl Fritsch und Alois Gross, befreundet. „Und dann gibt’s noch die Garage. Dort zeige ich euch später eine Überraschung“, sagt er mit spitzbübischem Lächeln.

Der sonst so fröhliche Sänger ist genervt, weil er seinen Auftritt in München (La Traviata) wegen seiner Verkühlung absagen musste. „Das mache ich wirklich sehr, sehr selten. Für sein Konzert in Linz („Dein ist mein ganzes Herz. Eine Hommage an Richard Tauber, 13. 7., Domplatz, www.klassikamdom.at) will er wieder fit sein. In Linz hat die Karriere des Polen, der vorige Woche Ehrenbürger seiner Geburtsstadt Czechowice-Dziedzice wurde, begonnen. In Linz ist der Operettensänger Richard Tauber, den er seit seiner Jugend verehrt, geboren. „In Linz habe ich viele Freunde“, sagt der 46-Jährige und legt seine zwei Handys zur Seite.

Der Ärger verfliegt, wenn der Sohn eines Textilarbeiters und einer Näherin über seinen fulminanten Lebenslauf erzählt. Eigentlich wollte er als Kind Schiffskapitän werden. Als er mit 18 Jahren zum Chor ging, entdeckte man sein Talent. „Dort lernte ich auch meine Frau Katarzyna kennen, mit der ich seit 21 Jahren verheiratet bin.“ Kinder hat das Paar keine. „Es hat nicht geklappt. Da könnte ich eine lange Geschichte erzählen.“ Dafür könne nun seine Frau überall dabei sein. „Sie ist mein Auge und mein Ohr im Publikum. Wir sind ein Team.“

Beczala war 20, studierte in Kattowitz Gesang und dachte sich: „Ich könnte ein paar Schillinge brauchen. Also fahre ich nach Wien und mache irgendeinen Job.“ In der Innenstadt sah er die Straßenmusikanten. „Da hab ich mich hingestellt und irgendetwas gesungen. Plötzlich versammelten sich die Leute um mich. Ich kaufte mir einen Hut und sang weiter. Ich hab gut verdient.“ Drei Wochen lang sang er ab 17 Uhr auf der Kärntner Straße. „Um halb sieben war ich schon heiser. Dann bin ich jeden Tag direkt auf den Stehplatz in die Oper gegangen.“

Dass er heute dort als gefeierter Tenor auf der Bühne steht, hätte er sich damals nicht träumen lassen. „Für mich waren die Wiener Staatsoper, Covent Garden oder die Metropolitan Oper wie der Himalaja“, erzählt der begeisterte Golfer (Handicap 17,5), der auch „ein sehr guter Skifahrer“ ist.

Als er 1992 in Linz engagiert wurde, sprach er kein Wort Deutsch. „Mit der Operette, den Dialogen, musste ich es lernen“, sagt er in bestem Hochdeutsch.

Was sagen seine Eltern zu seiner Karriere? „Sie sind ein bissl verblüfft. Für sie ist das eine fremde Welt. Sie kamen zu meiner Faust-Premiere nach London, es war ein riesen Erfolg. Aber sie waren als politische Menschen mehr mit der Witwe von General Wladyslaw Sikorski beschäftigt als mit der Musik“, sagt er und führt uns zum Abschied zu seiner Garage. Dort steht ein funkelnder, bis zur letzten Schraube renovierter Jaguar XK 150, Baujahr 1958. „Mein Baby“, sagt er stolz, bevor er seinen HNO-Arzt trifft.

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