Stille Postings

Nach dem Rufmord der Ruf-Selbstmord? Wulffs Weißbuch gegen anzügliche Anschwärzungen – ihre Klage gegen „Google“ gilt als aussichtslos
Ins Netz gegangen: Klatsch, Kampagne, Indiskretion, Intrige oder blanke Bosheit – gefährlicher als ganze Lügen sind halbe Wahrheiten. Just für berühmte Menschen, wie aktuell Bettina Wulff, heißt "www" immer öfter "weltweite Widerlichkeit".
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Klatschen kann man so manches. Beifall etwa.  Aber auch ins Gesicht oder hinterm Rücken anderer. Bettina Wulff (38), seit 2008 zweite Ehefrau des im Februar dieses Jahres zurück- getretenen deutschen Bundespräsidenten, hat alles davon – innerhalb weniger Monate – am eigenen Leib (und an eigener Seele) erfahren. An der Seite von Christian Wulff (53) schien sie, wenn schon nicht unverwundbar, so doch unantastbar ... Sogar das "Tribal Tattoo" auf ihrem rechten Oberarm, einst "ein Erkennungsmerkmal der Piraten, Ganoven und Lustdamen" – so Die Welt genüsslich –, erklärte man splendid zum spielerischen Statement gegen spaßfreie Spießigkeit .

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Aber schon auf dem Höhepunkt ihrer Hochglanzzeiten wurde mehr als bloß in die Hände geklatscht. Auch hinter vorgehaltenen Händen. Klatschen ist laut Wilhelm Busch (1832–1908), "anderer Leute Sünden beichten." Der moderne Pranger steht nicht mehr auf einem Marktplatz – man wird im Netz gefangen. Die ganze Welt lag Bettina Wulff zu Füßen, doch darunter lag die halbe. Ob nun die halbe Welt, wie virtuell verbreitete Verdachtsmomente über ihre verruchte Vergangenheit verrieten, jemals der "ganzen Wahrheit" entsprachen, ist längst irrelevant.

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Kuriosum: Die inkriminierten Intrigen im "jungen" Medium "Internet" lassen sich angeblich auf einen 88 (!) Jahre alten Blogger aus Hamburg zurück verfolgen. Was der Cyber-Senior anrichtete: Bei Eingabe der beiden Buchstaben "B" und "E" empfiehlt "Google" (Foto li. o.) innerhalb von 0,2 Sekunden "Bettina Wulff Prostituierte" als Such- und Sucht-Begriff. Diese Funktion heißt "Auto-Vervollständigung" und gibt nur die jeweils "meistgefragten" Themen wieder. Damit gilt eine Klage als aussichtslos (denn der "Täter" ist ein Algorithmus). Das Fatale dran: Selbst Inhalte von "Anbietern", deren Seiten vom Netz genommen wurden, bleiben in der Regel "unauslöschlich". Dafür sorgen die (gelegentlich) Millionen Links, gegen die es noch kein Rechtsmittel gibt ... Das anonyme Ausleben des "AA" (Anpatzen und Abwatschen) scheint allerdings so alt wie unsere Spezies selbst.

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Historisches Harassement wirkt heiterer und harmloser, war aber stets ein Feme- und Hämegericht vom Feinsten. Die Ahnengalerie Denunzierter und Diffamierter (Foto-Leiste u.) reicht von den Kennedys, über die CIA-"Krake" Edgar Hoover delikate Dossiers sammelte, über Kreisky bis zu Kristallprinz KHG, der neuerdings sein finanzielles Fortkommen mit Entschädigungen von früher hofierten Heckenschützen seiner erstbesten Gesellschaft zu fristen scheint. Ja: Wer Karl-Heinz Grasser (43) "mit oder ohne" – sprich: mit Fiona (47) oder ohne Badehose bzw. umgekehrt – in die Spalten rückt, muss, wie etwa die Bildzeitung (2006), mit 20.000 Euro pro Kopf und Hose rechnen. Bemerkenswert und banal zugleich: Alles schon einmal da gewesen! Seit Jahrhunderten sind liederlicher Lebenswandel ( wohl auch aus eigenem Erlebnisdefizit) und abweichlerische politische, religiöse oder "berauschungstechnische" Haltungen vor- rangige Angriffspunkte. Freilich mit feinen Nuancen.

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Statt eitel Wonne herrscht die "Wonne der Empörung", wie der frühere deutsche Innenminister Otto Schily (80) flächendeckende frivole Fieberfantasien formulierte.Denn: Dank Wulffs "Weißbuch" gegen anzügliche Anschwärzungen ("Jenseits des Protokolls", Riva-Verlag, 19,99 Euro) hat die Betroffene selbst das Gerücht, das über Daten-Highways schwirrte, zur Landung in der Wirklichkeit gezwungen. Hajo Schumacher (48) diagnostiziert in der Berliner Morgenpost "nach dem Rufmord einen Ruf-Selbstmord" und ätzt, seit Wulffs Klags- drohungen gegen Stern TV- Moderator Günther Jauch (56) bzw. gegen "Google" fehle jetzt nur noch der Heilige Vater ...

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Mit Ausnahme einer Pause in den Jahren 1992 und 1993 war er bis 2011 Showmaster der Sendung.
Bild: Gottschalk mit Udo Jürgens und Peter Alexander

Was für Popstars als artgerecht gilt (Sex & Drugs neben etwas Rock ’n’ Roll), bedroht politische Karrieren. Kreisky, Brandt, Mitterrand oder Kohl hielten ihre "auswärtigen An- gelegenheiten" peinlichst un- term roten Teppich. Ottfried Fischer (58) klagte ein Intim-Video, Tom Cruise (50) ein nie gewährtes Interview, Udo Jürgens (78) ein zufällig nicht selbstgemachtes Baby, Thomas Gottschalk (61), Scientologe zu sein, und Peter Alexander die behaarlich kolportierte Falschheit seiner Tolle.

Wie glücklich wäre Bettina Wulff heute nur mit Perücke!

Wie man sich im Job gegen Gerüchte wehrt

Die gemeine Sprache von Hass, Heimtücke und Hinterhältigkeit, ob in Schule, Nachbarschaft, Job oder Internet , ist weltweit Englisch: Mobbing , Bashing , Bully- ing , Shitstorming . Auf gut Deutsch: Öffentliche – wenn auch meist feige, anonymisierte – Verspottung, Unterstellung und Herabminderung, "live" oder virtuell.

Dagegen gibt es mittlerweile erprobte und erfolgreiche Strategien. Hier die Top 5 Tipps für Mobbing-Opfer am Arbeitsplatz.

1. Gegenangriff: Frauen sind um 75 Prozent gefährdeter als Männer. Der typische Täter: Männlich, Chef, 35 bis 54. Nur wer sich früh wehrt, hat Chancen. Demütiges Schweigen gilt als "Fügung ins Schicksal" und als Ansporn für Aggressoren.

2. Offene Worte: Suchen Sie die Aussprache mit dem Feind! Führen Sie dennoch Buch über Zeit, Ort und Art der Attacken, um im Ernstfall gewappnet zu sein.

3. Verbündete machen: Je größer die Zahl derer, die zu Ihnen hält, desto kleiner der Mutwillen des Mobbers.

4. Rat und Hilfe suchen:

Freunde, Therapeuten, Gewerkschafter oder Anwälte zu konsultieren, zeugt nicht von Schwäche, sondern von Ernst und Entschlossenheit.

5. Auswege finden: Fehlt aber seelisch wie körperlich die Kraft weiter zu kämpfen, ist ein Jobwechsel die beste und gesündeste Alternative.

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