Ohne Bühne findet sich Rainhard Fendrich auf der großen Wiese bei der Floridsdorfer Brücke kaum zurecht. „In welche Richtung spielen wir da?“ Er war schon lange nicht mehr privat auf der Donauinsel, sondern nur, um Konzerte zu geben. Wie er es auch kommenden Samstag ab 20.50 Uhr tun wird, auf der Wien Energie/Radio Wien-Festbühne. „Es war eine totale Überraschung, dass ich beim 30-jährigen Donauinselfest-Jubiläum spielen darf. Es gibt ja derzeit wirklich angesagtere Künstler als mich.“
Sein Satz wirkt unkokett und echt, seine Haarfarbe nicht. Fendrich trägt eine weiße Hose, die beim Bauch etwas spannt, dazu eine jugendliche Jacke. Die Zähne sind auffallend weiß. Er „hätte jetzt gerne ein Bier“ und kein Problem damit, sich zum Gespräch zum etwas schäbigen Kiosk zu setzen. Der erfolgsverwöhnte Fendrich scheint demütig. „Als Künstler ist man das immer. Man hat seine Höhenflüge, dann kommen ein paar Ego-Reductions. Aber es geht mir gut.“ Sein neues Album heißt „Besser wird’s nicht“. Im ersten Lied „Nie nach Boston“ geht es um verlorene Ziele. „Das ist auch Kritik gegen mich selbst. Was wollte ich, als ich meine erste Gitarre in einem feuchten Proberaum in die Hand genommen habe? Nur auf einer Bühne stehen und Spaß haben. Und was ist daraus geworden? Ich bin Teil der Society. So wollte ich es nie.“
Erfahrungen und Erkenntnis
Zwischen dem einstigen 26-jährigen „Strada del Sole“-Sonnyboy und dem 58-jährigen Künstler liegen Erfahrungen und Erkenntnis: „Everybody’s Darling ist Everbody’s Depp. Keiner kann sich vorstellen, welche Belastung diese Bekanntheit ist. Es ist wie mit Torbergs Affen im Zoo: Jeder kennt den Affen, aber der Affe kennt keinen.“ Er hätte sich die negativen Erlebnisse gerne erspart. „Ich weiß aber nicht, ob ich dann die heutige Ruhe hätte.“
Teil dieser neuer Ruhe ist, über Privates zu schweigen. „Sogar der Affe hat ein Häuschen, wo ihn keiner sieht. Es gibt ja keine Rückzugsgebiete mehr. Aber ich habe sonst nichts. Die Exponiertheit macht mich kaputt.“ Fendrichs Lächeln ist weg, er schaut auf die Wiese. „Die schönsten Abende hier waren mit Austria 3. Und der schlimmste Abend, als ich für den Georg gespielt habe.“ Die Austropop-Legende Danzer war zwei Tage zuvor gestorben.
Hundertprozent
Auf der Bühne habe er immer hundertprozentige Arbeit geleistet. „Das Publikum hat mich immer aufgefangen und das nimmt einem keiner weg.“ Zwischen den stechenden Augen schimmert Traurigkeit hervor. Fendrich hatte harte Zeiten: eine schlammige Scheidung und aktuelle Trennungsgerüchte – „Eine Beziehung in der Öffentlichkeit ist nicht einfach. Wir führen eine glückliche Künstlerehe.“ Die Koksaffäre – „Ich habe keine Freunde verraten und auch keine verloren. Das waren nicht einmal Haberer.“ Darf einer, der immer so sehr mit der Öffentlichkeit gespielt hat, eine Mauer um sein Privatleben ziehen? Fendrich macht einen Schluck aus der Dose. „Ich habe mir um meine Seele eine Nano-Beschichtung zugelegt, damit vieles, was geschrieben und gesagt wird, abperlt.“ Einiges, das geschehen ist, arbeite er noch immer auf. „Am Anfang meiner Karriere habe ich Probleme oft verräumt. Ich bin kein Verdränger, sondern ein Hineinfresser, auch ein Explodierer. Aber ich habe gelernt, dass ich mich schützen und meine Worte wählen muss.“Der Schmerz ist ihm dabei nicht verloren gegangen. „Natürlich gibt es Schrammen aus 58 Jahren. Aber wer kann die Seele sehen? Ich bin stolz, dass ich mich immer erfangen habe. Weil ich das Glück hatte, dass auch in meinen tiefsten Tälern immer ein Engel da war.“ Trotzdem tut es noch weh, wenn man verliert. „Wenn ich sage, es ist mir wurscht, was über mich geschrieben wird, dann ist das eine selbstschützende Lüge. Das ist das Problem mit der Beschichtung: Ich muss einen Filter entwickeln, die wichtigen Dinge durchzulassen. Sonst fällt mir nie wieder ein Lied ein. Es ist ein Beruf, in dem man versucht, Kreativität zu beherrschen.“
Mit 28 schreibe man andere Lieder als mit 58. „Man hat eine andere Glücksvorstellung.“ Fendrich fährt wieder Motorrad, überlegt aber, die Harley zu verkaufen: „Weil so viele alte Deppen Harley fahren.“
Jugendliche Revoluzzer
Im neuen Album ringt der jugendliche Revoluzzer mit dem Elder Statesman: Fendrich rechnet mit Fast Food ab, mit USA, Kapitalismus, Fernsehen, Männern und Frauen. „Das sind Dinge, die mich interessieren, die wahrhaftig sind. Es gibt viel Schönes, ich bin der ,halbe Glas voll‘-Typ. Ich bin nicht gegen die USA, sondern gegen den Kongress, die Waffenlobby, fehlende Sozialversicherungen und die Kriegs-Vorwände.“ Die Kunst reflektiere eben die Zeit. Er sehe nur hin. Wie auch beim Männerbild: „Wohin geht die Liebe, wenn sie durch den Magen durch ist? Die meisten Ehen werden irgendwann zu Arrangements.“ Fendrich gestikuliert und packt den 1980er-Schmäh aus: „Die erste Hälfte deines Lebens fragt dich deine Mutter, wo gehst du hin, die zweite Hälfte fragt deine Frau, wo kommst du her? Männer sind nicht so stark, wie behauptet.“
Am Samstag wird das Publikum auf der Wiese wieder „I am from Austria“ fordern. Bedauert der Schöpfer der gefühlten Landeshymne, dass sein Denkmal angekratzt ist? „Es gibt mich noch immer. Ich habe versucht, aufzuhören. Aber mein Weg ist noch nicht vorbei. Spüre ich einmal ,Verweile Augenblick, du bist so schön‘, dann war’s das.“
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