Wie wohltuend uneitel und doch von Kopf bis Fuß ein Gentleman. Ein Herr der alten Schule eben. Ohne Kopfbedeckung und Handschuhe sieht man den Grandseigneur des österreichischen Theaters nie auf der Straße. Für den winterlichen Spaziergang durch den Burggarten wählt Peter Matić eine Pelzkappe. „Wenn ich grüße, ziehe ich immer den Hut. Mit der Mütze geht das nicht,“ sagt der 75-Jährige, während er ganz galant auf die linke Seite der Dame wechselt. Wie es im Knigge steht.
„Mein Vater hat das auch gemacht“, erzählt der Sohn eines Offiziers, der als Kavallerist noch in der k. u. k. Armee diente. Erzogen habe ihn und seine ältere Schwester aber die Mutter. „Er war zu Hause sehr unmilitärisch, ein sehr liebevoller Ehemann und Vater“, erinnert sich Matić an seine Jugend. Geboren ist er in Wien, aufgewachsen in Deutschland, Elsass und Salzburg, weil sein Vater als Leiter des sogenannten Wehrkreises Reit- und Fahrschule öfters versetzt wurde.
„Als er nach Schlesien musste, sind wir nicht mehr mitgegangen. Wir haben das Kriegsende im Neckartal bei meinem Onkel erlebt“, erzählt das charismatische Ensemblemitglied des Wiener Burgtheaters.
Manieren
„Was die Formlosigkeit heute betrifft, finde ich das schon sehr bedauerlich. Dass ein Mann die Kopfbedeckung im Aufzug oder in einem Lokal abnimmt, man einander grüßt, gehört zu guten Manieren“, erklärt er. Neulich saß ein Mann mit Melone auf dem Kopf vor ihm im Theater. Hat Matić sich beschwert? „Ich muss gestehen, ich hab nicht die Courage gehabt, ihm zu sagen, er soll den Hut abnehmen.“ Auch das zählt zu seiner guten Kinderstube. „Leute nicht deutlich merken zu lassen, dass sie keine Manieren haben“, sagt der Schauspieler und zückt ein Taschentuch – aus Stoff, was sonst.
Dass Eltern mit den Jugendlichen heute offener und freizügiger umgehe, bringe aber auch Vorteile. „Man hätte vieles besprechen sollen, worüber die Altvorderen nicht gesprochen haben. Das war zum Beispiel die Sexualität.“ Nie wäre er auf die Idee gekommen, die Eltern zu fragen. Als Peter Matić schon in der Oberstufe im Gymnasium in Salzburg war, ging sein Vater zum Klassenvorstand und fragte, ob die Schule die Kinder aufklärt. „Da hat der Lehrer furchtbar gelacht und gefragt, glauben Sie denn nicht, dass die Buben längst alles wissen?“
Jugendtraum
Seit er denken kann, wollte er Schauspieler werden. Sein erster großer Theatereindruck war „Tannhäuser“ in Heidelberg, als er acht Jahre alt war. „Das hat mir wahnsinnig imponiert.“ Später war es die Oper, „die mich gelockt hat. Obwohl ich auch eine Gesangsausbildung hatte, wollte ich nicht Sänger werden. Aber das hab ich später gebraucht, weil ich Offenbach gespielt und gesungen habe.“ Zurzeit steht er in der Wiener Staatsoper auf der Bühne. In einer Sprechrolle als Haushofmeister in „Ariadne auf Naxos“. In den 50er-Jahren war er dort Stehplatz-Stammgast. Die Ariadne hat er intus. In England hörte er die Oper 1954 erstmals im Radio. 1979 stand er selbst in Salzburg in „Ariadne auf Naxos“ auf der Bühne.
The Voice
Seit 1982 ist Peter Matić die deutsche Stimme von Ben Kingsley. Er ist weit mehr als dessen Synchronzwilling. Er hat selbst eine Meisterstimme, ist ein Klangkundiger, der 160 Stunden Marcel Prousts „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ in jahrelanger Arbeit für ein Hörbuch gesprochen hat. Ans Aufhören denkt er nicht. „Mein Beruf ist mein Hobby. Solange ich gesund bin und solange es Leute gibt, die mich engagieren, werde ich arbeiten.“ Lukrative Werbeaufträge lehnte er immer ab. Darauf ist der Vater einer Tochter, die für die UNO an der Elfenbeinküste tätig ist, und eines Sohnes, der in seine Fußstapfen als Schauspieler trat, stolz.
Synchronisieren hält der Kammerschauspieler für ein Kunsthandwerk, das nichts mit Kunst zu tun hat. Er beherrscht dieses Handwerk, wie eine Anekdote beweist. Er synchronisierte die Kingsey-Rolle für den Kinofilm „Elegy“ – „alter Mann, junge Frau, große Liebesaffäre“ – in Wien. „Die Dame, mit der ich da im Bett herumkugel, hab ich nie gesehen, weil sie die Cruz in Berlin synchronisierte. Wenn man sich das dann anschaut und anhört, hat man das Gefühl, das ist ein Miteinander.“
Ein großartiges Miteinander hat der Mime auch mit seiner Frau. Seit 47 Jahren „sind wir glücklich verheiratet“. Das Geheimnis seiner langen Ehe?„Meine Frau sagt immer, man kann mit mir nicht streiten“, sagt Matić, der schon bald das erste Mal Großvater wird.
Info: Peter Matić sehen Sie in der Rolle des Haushofmeisters in „Adriane auf Naxos“, Wiener Staatsoper, 26. und 29. 12.
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