Eins, zwei, Wiiiegeschritt

Eins, zwei, Wiiiegeschritt
Hoch das Bein: In einer Woche ist Opernball. Was Sie zum Thema Tanzen schon immer wissen wollten – oder auch nicht.

Slow, slow, quick, quick, slow." Wenn Thomas Kraml Tango tanzt, steht seinen Schützlingen, die in der Tanzschule Kraml in Wien-Landstraße "Rising Stars" genannt werden, der Mund offen. "Passt du eh auf", mahnen einige Damen ihre Herren. Besser wäre es. Kraml führt seine Partnerin flott von der geschlossenen Haltung in die Promenade. "Und Ab-schluss-schritt."

Pause. Jetzt stehen auch Kramls Füße kurz still: "Leidenschaft ist das Um und Auf beim Tanzen. Wer das Feuer in seinen Schülern entzünden will, in dem muss es auch selber brennen." Und sie schaffen das, Herr Kraml? "80 Prozent unserer Schüler machen nach dem ersten Kurs weiter. Also, ja. Das ist aber eine Leistung des Teams, das ausschließlich aus Profis besteht." Und bei welchem Tanz brennen die Ballsäle in Österreich? "Salsa-Musik. Wussten Sie zum Beispiel, dass jeden Tag Hunderte Tänzer in Wien in Latino-Clubs gehen? Das ist nur einer von vielen Trends, den manche Kollegen verschlafen haben", sagt der aktuelle Staatsmeister für lateinamerikanische Tänze.

Frage an den Tanzmeister. Wussten Sie, dass so mancher Ball-Eleve oft schon daran scheitert, dass er Tanz und Takt nicht erkennt? "Das braucht Erfahrung und Gefühl. Ein gutes Gehör hilft: Eine authentische Rumba identifiziert man an den Holzinstrumenten im Hintergrund – auch Samba und Salsa, die ein ähnliches Tempo haben, kann man an den Instrumenten unterscheiden."

Weitere Fragen, die Sie sich möglicherweise auch noch nicht gestellt haben, hat der KURIER für Sie zusammengetragen und Experten befragt. Hand aufs Tänzerherz ...

Wussten Sie, dass ...

... es zu allen Zeiten Modetänze gab? Roman Svabek, Zeremonienmeister des Opernballs, weiß zum Beispiel, dass in den 1790er-Jahren die Polonaise en vogue war, in den 1910er-Jahren der Boston (eine Frühform des langsamen Walzers, Anm.) , in den 1920ern Charleston und der gestampfte Black Bottom, in den 1930ern der Lindy Hop, in den 1950ern Blues und Bossa Nova.

... Sie vom Tanzen einen Muskelkater in den Oberarmen und in den Waden bekommen können? Tanzen ist eine Sportart, die bis ins hohe Alter betrieben werden kann, erklärt Univ.-Prof. Norbert Bachl vom Sportmedizinischen Institut in Wien.

... Tanzen die Diät unterstützt? Ein 30-jähriger Mann mit 80 Kilogramm verbrennt beim Foxtrott in zehn Minuten 50 Kalorien, beim Langsamen Walzer 31 Kalorien. Eine gleichaltrige Frau mit 70 Kilogramm muss sich für ein ähnliches Ergebnis länger bewegen. In zehn Minuten verbraucht sie 41 Kalorien (Foxtrott) beziehungsweise 25 Kalorien (Walzer).

Eins, zwei, Wiiiegeschritt

... Winston Churchill während eines Balls geboren wurde? Seine Mutter kam in einer Palast-Toilette nieder.

... man beim Walzer nicht Abstand halten sollte? "Körperkontakt ist gefragt", sagt Svabek. Deshalb war der Walzer anfangs so verpönt, sogar verboten.

... optisch der Wiener Walzer der schnellste Tanz ist? Gefühlt ist die Samba der schnellere Tanz. "Vor allem, wenn man ihn nicht richtig beherrscht", meint Svabek.

... der langsamste Tanz der Blues ist? Die Wiener nennen ihn den "L’amour-Hatscher".

... man den Galopp am schnellsten lernen kann? "Seit Schluss, Seit Schluss und hopp hopp hopp."

... jeder Mensch tanzen lernen kann? "Das ist das Motto unserer Schule und bis jetzt hat das auch gestimmt. Aber die Übung macht es halt aus", sagt Svabek.

... man das Schwindelgefühl beim Tanzen besiegen kann? "Tanzen, tanzen, tanzen. Es wird besser, versprochen", sagt Svabek.

... sich an der Spitze des Dubaier Luxushotels Burj al Arab ein Ballsaal befindet? Der soll an die Wiener Oper erinnern. Soll.

... der Opernball keine Wiener Erfindung ist? "Es war der französische Ludwig XIV", sagt Monika Fink, Musikwissenschaftlerin an der Uni Innsbruck. "Der Sonnenkönig wollte dem wilden Treiben in vielen spontanen Tanzveranstaltungen in Paris Einhalt gebieten und sie in geregelte Bahnen lenken."

... im 19. Jahrhundert auf Bällen Exotisches modern war? In Innsbruck z. B. gab es Redouten mit brasilianischen Instrumenten.

... Redouten Tanzveranstaltungen waren, zu der in Wien so gut wie jeder kommen durfte? "Seit 1772 standen sie sämtlichen Bevölkerungsgruppen offen. Nur die Bedienten in der Livree und den Dienstmägden wurde der Einlass verwehrt", weiß Monika Fink.

... Josef II. den Zugang zu den Hofbällen erleichterte? Der Kaiser wollte damit Standesunterschiede abbauen. Er lud sogar einmal die Wiener zu dem privaten Hofball, dem Schönbrunner Ball. Mozart schien darüber etwas entsetzt. Er schrieb in grausamer "Konfusion", dass der Ball "voller Hof- und Stubenmädchen" gewesen sei.

Er tanzt: Wie geht das mit der Führungsrolle?

Eins, zwei, Wiiiegeschritt

Jeden Tanz, der was mit A endet, beginnst mit dem rechten Haxen.“ So hat mir das mein erster Tanzlehrer bei der Weihnachtsfeier des Fußballvereins erklärt. Der Lehrer, der was übrigens auch mein Trainer war. Ich, obergescheiter Rotzbua gab zurück: „Und was ist mit dem Rechts-Walz-er?“ Die Antwort: „Hurch, auf welchen Buchstaben endet Walza? Na, bitte.“

Restlos überzeugt war ich nicht, aber auch eine wacklerte Eselsbrücke nimmt der blutige Anfänger gern. Und außerdem war der Trainer ein Ass im Foxtrott. Ich starrte minutenlang auf seine Füße, konnte mir aber die Schritte nicht merken. Dabei versäumte ich das Wesentliche. Trotz seines dicken Bauches und roten Kopfes führte der mehr als stattliche Mann seine Dame übers Parkett. Einen Schönheitswettbewerb hätte mein Trainer nie gewonnen, aber seine Führungsrolle nahm er wahr. Das war männlich, diskret, eindeutig. Nie stieß er sie, er stupste nur.

Ich kann das bis heute nicht richtig. Technisch erklärt haben mir schon viele Tanzlehrer, wann der richtige Zeitpunkt für den Impuls gekommen ist, jenem Zeitpunkt, zu dem der Mann der Frau Widerstand bieten soll, damit sie sich abstoßen und drehen kann. Nun, da ich fast so alt bin wie mein Trainer damals war, wächst der selbst auferlegte Druck.

Aber auch hier konnte mir mein Trainer eine Lebensweisheit mitgeben. „Scheiß di nix, Bua, geh auße und hau s’ nieda.“ Im übertragenen Sinn freilich.

von Martin Burger

Sie tanzt: Kurzer Auftritt einer Legasthenikerin

Ich habe zwei linke Füße. Und weiß trotzdem nicht, welcher welcher ist, eine Folge schwerer Legasthenie. Auch taktisch bin ich nicht versiert. Auf glattem Parkett komme ich schnell ins Trudeln. Keine guten Voraussetzungen, um Goldstar zu werden.

Als meine Generation bei Elmayer oder Fränzel in die Lehre ging, färbte ich die Haare rot, die Lider schwarz und hörte Frank Zappa und Janis Joplin. Tonangebender Walzer beschränkte sich aufs Neujahrskonzert.

Die ersten Freunde heirateten und ich blasses Mauerblümchen musste betreten zugeben, weder rechts noch links herum die Kurve hinzukriegen. Mit dem richtigen Mann an meiner Seite sollte sich das ändern. Wir wagten, beide gleichermaßen blank, den Schritt in die Tanzschule.

Grundkurs für Erwachsene.

Was soll ich sagen: Es war eine Katastrophe. Tränen des Zorns und wegen gequetschter Zehen alles, nur kein leichtfüßiges Schweben zweier begnadeter Körper. Der Tanzlehrer gab Anweisungen für Männer. "Rechts beginnt mit einem Schritt nach vorne". Heißt für Frauen: Linker Fuß zurück. Wie soll da eine Legasthenikerin mit zwei Linken – bitteschön – mithalten? "Ich führe", stellte der emanzipierte Mann an meiner Seite fest. Auch das erleichterte Samba, Rumba und Tango rückwärts in Stöckelschuhen keineswegs. Das Ende im Dreivierteltakt folgte zehn bewegende Übungsstunden später.

Aufforderungen zum Tanz schlage ich jetzt höflich aus: Schwindelgefühl.

von Hedwig Derka

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