Manuel Legris: Der Meistertänzer auf dem Dach der Oper
Schnellen Schrittes, die Zehenspitzen leicht nach außen gedreht, eilt er durch die schmalen Gänge der Wiener Staatsoper. Vom vierten Stock, wo sich seine Kompanie gerade in den Ballett-Studios fürs Training aufwärmt, geht es unzählige Stufen hinauf zum Schnürboden und weiter über eine Wendeltreppe bis zur obersten Dachluke. „Vielleicht bin ich für manche Menschen zu schnell“, sagt ein rastloser Manuel Legris. „Das heißt aber nicht, dass ich ungeduldig bin.“
Auf dem Kupferdach der Oper stockt einem der Atem ob des prachtvollen Rundumblicks auf Wien. Emsig wie der Ballettdirektor, summen bei den zwei hauseigenen Bienenstöcken die Arbeiterinnen. „Der Honig schmeckt hervorragend“, versichert Legris, der vergangene Woche seinen Vertrag als Direktor des Staatsballetts bis 2017 verlängerte.
Der 49-jährige Franzose blickt auf drei erfolgreiche Jahre in Wien zurück. „Als ich kam, erwartete mich ein fantastisches Ballettensemble, das nur wartete, dass man seine Batterie auflädt und es los lässt“, sagt Legris, der als 17-jähriger von Rudolf Nurejew zum Danseur Étoile an der Pariser Oper geadelt wurde. Operndirektor Dominique Meyer „gab mir in Wien die Möglichkeit, im ersten Jahr fünf Premieren in der Staatsoper zu machen. Dazu kamen noch drei Premieren in der Volksoper. Das war ein guter Start, es gab wieder frischen Wind“.
Auch die internationalen Gastspiele des insgesamt 100-köpfigen Ensembles – von Japan, über Monte Carlo bis Paris – sei erfolgreich gewesen. „Mit dieser Tour haben unsere Tänzer einen qualitativen Sprung nach vorne gemacht“, sagt der Meistertänzer auf dem Weg zu den Ballettstudios. In den Gängen hallt Klaviermusik, in den Sälen schwitzen begnadete Körper. Ob Attitude, Arabesque oder Fouetté en tournant, die Tänzer schweben, als wären sie schwerelos.
Leidenschaft
Auch der Chef ist noch gut in Form. „Tanzen ist mein Leben“, schwärmt er und zieht sich den von Mama handgestrickten Trainingsanzug an. „Als ich vier war, wollte ich unbedingt in die Ballettschule. Wenn ich Musik hörte, egal welche, tanzte ich“, erinnert sich der Sohn eines Flugzeugmechanikers und einer Kaufhaus-Angestellten. Mit zehn Jahren wurde Manuel in der kleinen Ballettschule eines Pariser Vorortes entdeckt und an die Oper geholt. Trotz der Sorgen wegen des brotlosen Jobs, unterstützte ihn sein Vater. „Am Ende war ich es, der das meiste Geld in der sechsköpfigen Familie verdiente.“
Angst vor dem Älterwerden hat der große Tänzer nicht. „Ich wurde in meinem Leben reich beschenkt, habe alle wichtigen Rollen getanzt. Ich hatte so große Chancen und so viel Glück.“ Körperliche Probleme habe er dank guter Gene nicht. „Bei Tanzfestivals tanze ich gerne noch Modern Dance.“
Workoholic
Für Freizeit bleibt dem Getriebenen kaum Zeit. Nicht einmal für eine Partnerschaft? „Nicht wirklich. Natürlich braucht man jemanden, man kann ja nicht allein sein.“ Von seiner Wohnung im vierten Bezirk geht er meistens zu Fuß zur Oper. Auto brauche er keines.
Ist der Franzose ein strenger Chef? „Ja, aber meine Kompanie respektiert mich und sie vertraut mir. Ich versuche, gerecht zu sein.“ Er bezeichnet sich als großzügig „von früh bis spät“. „Wir krachen zusammen, aber am nächsten Tag ist alles wieder gut. Ich bin nicht nachtragend.“ Wenn er stolz in die Klassen der 100 Eleven – von denen am Ende der Ausbildung nur ein Teil als Berufstänzer bleiben – schaut, glänzen seine Augen. „Wenn ich schwere oder traurige Momente hatte, war es immer das Tanzen, das mich wieder aufgemuntert hat.“
Info
„Tanzperspektiven“, 14., 21. und 22. 11. ;
„Ballett-Hommage“, Premiere am 15. 12. mit Choreografien von William Forsythe, Natalia Horecna und Harald Lander. www.wiener-staatsoper.at
Meine Mutter sagte immer: Sei du selbst.
Meine größte Liebe ist die Bühne. Natürlich hat man privat viele große Lieben, aber Tanzen ist mein Leben.
Ich wünsche mir, dass alle meine Freunde und mir nahe stehenden Menschen gesund und glücklich sind.
Angst machen mir Intoleranz und Aggressivität.
Älter werden ist für Tänzer manchmal schwierig. Der Feind ist der Spiegel. Du schaust jeden Morgen hinein und merkst, wie sich dein Körper verändert. Das muss man akzeptieren.
Wütend werde ich, wenn Leute Starallüren haben, die nicht fundiert sind.
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