In diesem Jahr traf er seine Frau und Kollegin Natasha Richardson, die vor 13 Jahren bei einem Skiunfall tragisch ums Leben kam. Mit dem KURIER sprach Neeson über sie, die Liebe seines Lebens, über seine Söhne, über Katholizismus und Sex.
KURIER: Welche Erkenntnis geben Sie heute mit 70 weiter?
Liam Neeson: Wir sollten nie aufhören, Fragen zu stellen.
Das tun wir sofort: Sie drehten Kultwerke wie "Schindlers Liste" und Woody Allens "Husbands & Wives" – aber Sie wurden auch Actionstar. Gibt es zwei Liam Neesons?
Das ist dieselbe Frage, die man James Cagney (gest. 1986) stellte: "Sie spielen Shakespeare und all die Gangster". Seine Antwort: "Kein Stress, keine Anstrengung." Das eine ist Stress, das andere Anstrengung. Beides ist Arbeit.
Was reizte Sie so spät an Actionfilmen? Die Gagen?
Für mich hat das mit dem ersten "96 Hours" (2008, im Original: "Taken") begonnen. Ich dachte, das kommt ohnehin nie ins Kino. Aber aus irgendeinem Grund – ich denke, es waren Wirtschaftskrise und Bankenskandal, wo sich viele dachten, ich kann mich nur mehr auf mich selbst verlassen – traf das den Nerv des Publikums. Gerade in meinem Alter machen mir solche Filme heute einen Riesenspaß.
Sie wollten ja Boxer werden.
Ich war 16, als ich bei einem Kampf, den ich sogar gewann, eine Gehirnerschütterung davontrug. Der Kampf dauerte nur zwei Minuten, aber das reichte. Ich verstand kaum, was mein Vater und der Trainer zu mir sagten, es war, als würden sie Arabisch reden. Da gab ich es auf.
Sie sind 35 Jahre ein Star. Vermissen Sie Anonymität?
Ich spüre den Ruhm nicht so stark, und daher leide ich auch nicht darunter. Ich lebe ja nicht in L.A. In New York ist allen wurscht, was du tust, wer du bist. Der späte Erfolg stieg mir nie zu Kopf. Ich musste keine Drogen nehmen, um damit fertig zu werden.
Als Sie den Sexforscher "Kinsey" (2004) spielten – was haben Sie dabei "gelernt"?
Gelernt habe ich als Bub von pornografischem Gekritzel auf dem Klo einer Bar. Ich fühlte mich sehr schuldig. Daheim wurde über so was nie gesprochen. Ich bin ja irischer Katholik aus einer Kleinstadt. Ich erinnere mich da an ein Abendessen, als meine Mutter meinen Vater fragte: "Rate einmal, wer schwanger ist?" – da legte er die Gabel hin und sagte: "Wie kannst du solche Worte gebrauchen?" Als ich zum ersten Mal masturbierte, ging ich gleich beichten, und der Priester flippte aus. Er bezeichnete es als Krankheit. Er schrie mich so laut an, dass es alle in der Kirche mitbekamen. Ich schlich mich quasi als der größte Wichser der Stadt davon – es war einfach schrecklich.
Wie gehen Sie mit dem Tod von Natasha ( 2009) um?
Ich habe keine Träume über meine Frau, zumindest kann ich mich nicht erinnern. Aber ich spreche jeden Tag mit ihr, ihr Grab ist nur zwei Kilometer von meinem Haus entfernt, und ich besuche es oft und habe in meinem Kopf Konversationen mit ihr. Und nein, sie antwortet mir nicht, aber es ist ähnlich wie meine Gespräche mit ein paar wunderbaren irischen Schauspielern, die ich kannte und die einen wichtigen Einfluss auf mich hatten, die nicht mehr unter uns sind.
Ist das religiös bedingt?
Keine Ahnung. Hat es mich zu einem strengeren Katholiken gemacht? Das glaube ich nicht, aber die Beschäftigung mit Tod und Leben und Leben nach dem Tod ist umso stärker geworden, je älter ich wurde. Meine Kinder (zwei Söhne: Daniel Jack, 26, und Micheál, 25) werden älter – und es ist die ewige Frage: Was machen wir hier, wozu wurden wir geboren? Und ich will hier nicht Schauspieler in den Himmel heben, aber ich bin unendlich dankbar, dass ich Teil einer Gemeinschaft bin, die anderen Geschichten erzählt, die einander daran erinnert, was es heißt, menschlich zu sein, und der Gesellschaft damit einen Spiegel vorhält.
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