Konstantin Wecker: "Ich bin der Sänger des Todes"
Seit 20 Jahren setzt sich der deutsche Liedermacher Konstantin Wecker für die Hospizbewegung ein. So ist er Pate des Kinderhospizes "Löwenherz" in der Nähe von Bremen, für dessen Finanzierung er im Jahr 2003 eine CD aufnahm.
"Es ist nicht leicht, den Menschen den Tod nahe zu bringen", sagt der 64-Jährige, dessen Mutter die letzten Wochen ihres Lebens in einem Münchener Hospiz verbrachte. Ein Gespräch bei Würstel und Bier über das Leben, die Liebe und den Tod.
KURIER: Sie beschäftigen sich in Ihren Texten sehr oft und sehr intensiv mit dem Tod.
Konstantin Wecker: Ich bin Lyriker. Wenn man Gedichte schreibt, kann man den Tod nicht ausklammern. Was die Welt bewegt und im Innersten zusammenhält, sind Leben, Liebe und Tod. Der Tod ist immer da.
Dennoch ist der Tod in unserer Gesellschaft ein großes Tabu. Warum?
Weil wir in einer Fun-Gesellschaft leben, in der der Tod verdrängt wird. Wir glauben, mit der richtigen Lebensversicherung könnten wir das Schicksal austricksen. Wir versuchen, uns Sicherheit zu kaufen und das Leben zu kontrollieren. Aber wenn der Tod dann ins Leben greift, gleitet uns die Kontrolle aus der Hand. Dann gibt es zwei Möglichkeiten: Man kann den Tod wegblödeln oder wegsaufen – das habe ich auch oft gemacht. Oder man kann ihn akzeptieren und sich ihm stellen. Ich gelte ja zu Recht als der Sänger der Lebensfreude und des Genusses. Vielleicht bin ich so glaubwürdig, weil ich eben auch der Sänger des Todes bin.
Deswegen, weil das Leben ohne Tod nicht sein kann?
Genau. Es gibt kein Leben ohne Tod. Es ist diese schreckliche Erkenntnis der Vergänglichkeit, die man mit 30 Jahren noch nicht hat. Die Buddhisten setzen sich schon als junge Menschen damit auseinander, dass alles vergänglich ist.
Was ist die Konsequenz, wenn wir den Tod in unserem Leben verleugnen?
Dass wir das Leben nicht lernen. Wir leben in einer Rolle, in einer Scheinwelt. Ich bin zu der Erkenntnis gekommen, dass Glück jene Augenblicke sind, in denen man wirklich nicht denkt, in denen man nur noch "ist". Es ist die Zeit, die uns so fertig macht. Es ist der Augenblick, der zeitlos und ewig ist. Wir sind entweder in der Zukunft oder in der Gegenwart –, aber wir sind nicht im Jetzt.
Von Ihnen stammt der Satz, "dass Menschen durch den selbstverständlichen Umgang mit dem Tod die Nähe zum Leben intensiver spüren" würden.
Meine Mutter starb in einem Hospiz. Ich habe gespürt, dass man dort durch die unweigerliche Nähe und das Wissen um die Sterblichkeit mehr im Augenblick ist als die meisten anderen Menschen. Das Hospiz ist kein Haus, in dem ständig gelitten und gejammert wird. Es ist ein sehr lebendiges Haus; ein Haus des Lebens, in dem nur der Tod nicht ausgeklammert wird. Das ist der Unterschied zu dem, wie wir leben.
Inwiefern?
Im Hospiz gab es Nachbarn, die haben sich beschwert, weil der Leichenwagen zwei Mal in der Woche vorbeigefahren ist. Oder weil die Todkranken spazieren gegangen sind und man sie sehen konnte. Die Nachbarn haben gesagt, dass sie das ihren Kindern nicht antun wollen. Da bin ich explodiert. Wer Kinder hat, weiß, wie unglaublich leicht und selbstverständlich sie mit dem Thema Tod umgehen. Es ist nur die Angst der Eltern, sich mit ihren Kindern damit auseinanderzusetzen, weil sie es nicht können.
Haben Sie das gemacht?
Der Tod ist ein Thema, seitdem meine beiden Söhne drei, vier Jahre alt sind. Als die Oma gestorben ist, haben wir sie aufgebahrt. Die Kinder haben die Oma anschauen und angreifen können.
Was haben Sie Ihnen gesagt? Dass die Oma jetzt im Himmel ist?
Ich habe gesagt, es kann sein, dass sie im Himmel ist oder dass ein Teil von ihr weiterlebt. Aber ich habe keine Ideologie dahinter.
Wie hat sich Ihre Einstellung zu Sterben und Tod im Lauf der Jahre verändert?
Als Jugendlicher habe ich geschrieben: "Lang mi net o, du depperter Tod. Ich möchte leben, ich möchte leben, ich möchte leben." Damals habe ich gegen den Tod richtig gekämpft. Als junger Mann habe ich gedacht, dass man im Alter näher an den Geheimnissen des Lebens ist. Stimmt aber nicht. Man gewinnt an Erfahrung, wird aber nicht weiser.
Wird man gelassener?
Ich kann nicht sagen, dass ich gelassener mit dem Tod umgehe. Früher habe ich zwar vom Tod gesprochen, aber ich war mir sicher, dass ich unsterblich bin.
Fürchten Sie mehr den Tod oder das Sterben?
Das ist bei mir abhängig von der Tagesverfassung. Es gibt Momente, in denen ich den Tod sehr fürchte; in denen ich mir denke: Bitte nicht jetzt!
Haben Sie einen Glauben, der Ihnen hilft, über diese Angst bzw. über Verluste hinweg zukommen?
Nein. Ich habe überhaupt keinen Glauben. Ich bin ein spiritueller Mensch und ganz offen. Nachdem überhaupt nichts bewiesen ist – ob wir wo hingehen, wo wir hingehen –, suche ich mir die für mich schönste Lösung aus, weil auch die nicht bewiesen ist: Dass ich irgendwann von Engeln liebevoll aufgehoben werde. Ich hoffe, dass ich mir diese Vorstellung behalten kann.
Die meisten Menschen wünschen sich einen plötzlichen, unerwarteten Tod, etwa im Schlaf. Und Sie?
Ich glaube nicht, dass ich so sterben möchte. Für mich wäre es wichtig, Sachen zu bereinigen, mich zu verabschieden und zu entschuldigen. Wir werden alle in der Todesstunde erleuchtet werden – das muss wahnsinnig spannend sein.
Wenn Sie wüssten, Sie hätten nur noch kurze Zeit zu leben – was würden Sie vor Ihrem Tod noch tun wollen?
Nichts, ich habe alles erlebt. Aber ich glaube, ich habe in meinem Herzen noch immer zu wenig geliebt. Denn Liebe ist das einzig Erstrebenswerte im Leben.
In Liebe sterben: Einsatz für Hospiz
Der Künstler: Konstantin Wecker, 64, ist ein deutscher Sänger, Poet und Schauspieler. Wecker hat in seinem Leben nichts ausgelassen. Und das Sterben hautnah mitgefühlt. Sein Vater wurde 87, seine Mutter 84 – der Hospizbewegung ist er seither unendlich dankbar. "So sollte man sterben dürfen, von körperlichen Schmerzen weitgehend befreit, umsorgt und behütet. In Liebe aufgehoben."
Mobiles Hospiz: In Österreich unterstützt Konstantin Wecker die Arbeit der Caritas, die in Wien und Niederösterreich ein mobiles Hospiz betreibt. Ziel ist es, die letzte Lebensphase im Kreise von Familie oder Freunden verbringen zu können und in gewohnter Umgebung in Würde zu sterben. Das Angebot ist für Betroffene und Angehörige kostenlos. Im Vorjahr wurden 2200 Menschen betreut.
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