Rassismus? Wieso dieses Interview aus Venedig gerade für große Aufregung sorgt

Luca Guadagnino, Julia Roberts, Ayo Edebiri und Andrew Garfield
Ein Interview von den Filmfestspielen in Venedig geht aktuell viral und erhitzt die Gemüter. Doch die Journalistin wehrt sich.

Interviews von Stars gehen immer mal wieder viral und sorgen somit für Aufsehen – aus gänzlich unterschiedlich Gründen. Oftmals geht es dabei um eine skurrile oder gar unverschämte Frage des Journalisten und die schlagfertige Antwort des Promis darauf. 

Das ist auch im aktuellen Fall so. Ein Video mit den Hollywood-Stars Julia Roberts, Ayo Edebiri und Andrew Garfield erobert aktuell die sozialen Medien, die Aufregung ist groß. Denn der italienischen Journalistin Federica Polidoro wird unverhohlener Rassismus unterstellt. In den sozialen Medien wird nun gar ihre Kündigung verlangt. 

Edebiri wurde außen vor gelassen

Edebiri, Roberts und Garfied waren beim Filmfestival in Venedig anwesend, um ihren neuen gemeinsamen Film "After the Hunt" vorzustellen und sich den Fragen zahlreicher Journalisten zu stellen. 

Eine dieser Journalisten war Federica Polidoro, die das Interview für den italienischen Sender ArtsLife TV führte. Polidoro wollte von den drei Stars wissen, welchen Einfluss die "politisch korrekte Ära" von Black Lives Matter und der #MeToo-Bewegung – die ihrer Meinung nach "vorbei" sei – auf Hollywood habe. Sie stellte zudem klar, dass die Frage nur an Garfield und Roberts gerichtet sei, nicht an die Schwarze Schauspielerin Edebiri. 

"Ich glaube nicht, dass es vorbei ist"

An den Reaktionen von Roberts, Garfield und Edebiri wird deutlich, dass sie selbst nicht glauben können, welche Frage ihnen gerade gestellt wurde – und dass Edebiris dabei ausgeschlossen wurde. Während sich Garfield verlegen aus der Diskussion herausnimmt, möchte Roberts von Polidoro nochmals wissen, ob sie sich gerade verhört hätte: "Können Sie das wiederholen? Mit Ihrer Sonnenbrille kann ich nicht sagen, mit wem von uns Sie sprechen." Es scheint also, dass die Journalistin (die im Videoclip nur zu hören ist) eine Sonnenbrille während des Interviews trug, obwohl dieses in einem Innenraum stattfand. 

Polidoro stellt die Frage nochmals, erneut wurde Edebiri von der erbetenen Antwort ausgeschlossen, alle drei Stars sind verblüfft. Dann aber übernimmt Edebiri das Ruder und antwortet in freundlichem Ton: "Ja, ich weiß, dass das nicht für mich ist, und ich weiß nicht, ob es Absicht ist." Die Schauspielerin betont: "Ich glaube nicht, dass es vorbei ist." 

Weiter erklärt sie: "Ich denke, Hashtags werden vielleicht nicht mehr so häufig verwendet, aber ich glaube, dass Aktivisten und Menschen jeden Tag schöne, wichtige Arbeit leisten, die noch nicht abgeschlossen ist. Vielleicht gibt es nicht mehr die Mainstream-Berichterstattung, die es vielleicht noch vor acht Jahren gab, und auch nicht mehr die täglichen Schlagzeilen. Aber ich glaube nicht, dass die Arbeit damit getan ist."

Roberts und Garfield stimmen ihrer Kollegin mit den Worten "Es ist nicht vorbei" und "Die Bewegungen sind noch immer absolut lebendig" zu. Edebiri wird in den sozialen Medien für ihre eloquente Antwort und professionelle Reaktion gefeiert. 

Journalistin wehrt sich

In Windeseile brach ein Shitstorm über Polidoro hinein, auf Instagram wird sie für ihre Frage, aber auch für das betonte Ausschließen von Edebiri, gerügt und teils auch beschimpft. Viele User fordern, sie solle von ihrem Job zurücktreten.

Die Vorwürfe des Rassismus, aber auch die Anfeindungen möchte die Journalistin nicht auf sich sitzen lassen. Zuerst entschuldigte sie sich im Kommentarfeld eines Posts über ihr Interview dafür, dass sie die Frage eventuell unklar formuliert hatte, da ihre Muttersprache nicht Englisch sei. "Was ich sagen wollte, war Folgendes: Im Vergleich zum Höhepunkt von Bewegungen wie Metoo oder BlackLivesMatter scheint es heute einen vorsichtigeren und überlegteren Ansatz bei der Beurteilung individueller Verantwortlichkeiten zu geben, anstatt sich in Social-Media-Prozesse oder kollektive Vorurteile zu stürzen", schrieb Polidoro. "Meine Absicht war nie, jemanden zu beleidigen, sondern vielmehr zu betonen, wie wichtig es ist, jeden Fall individuell, fair und respektvoll zu bewerten."

Für diese Entschuldigung hagelte es aber noch mehr Kritik – auch, weil Polidoro nicht erklärte, wieso sie die Frage nicht an Edibiri, immerhin die einzige Schwarze Schauspielerin der Runde, stellte. 

"Bis heute ist mir kein Protokoll bekannt, ..."

Nun aber hat sich der Tonfall von Polidoro geändert. Am 8. September postete sie ein offizielles Statement auf Instagram, in dem sie klarstellte, dass sie Anfeindungen nicht mehr länger toleriere und sich das Recht vorbehält, rechtlich gegen Hasskommentare vorzugehen.

"Ich finde es bemerkenswert, dass diejenigen, die mich zu Unrecht des Rassismus beschuldigen und sich selbst als Hüter der Gerechtigkeit betrachten, gewalttätige Sprache, persönliche Angriffe und Cybermobbing für akzeptabel halten", beginnt Polidoro ihre Nachricht. 

Weiter schreibt sie: "Bis heute ist mir kein Protokoll bekannt, das die Reihenfolge der Fragen in einem Interview vorschreibt. Die Zensur oder Delegitimierung von als 'unangenehm' empfundenen Fragen fällt nicht in den Bereich der Demokratie. Nur der Journalistenverband ist befugt, die Arbeit von Fachleuten in diesem Bereich zu bewerten, nicht Social-Media-Tribunale.

Die Aufgabe des Journalismus besteht darin, auch zu heiklen Themen respektvoll und verantwortungsvoll Fragen zu stellen. Ich werde diffamierende oder gewalttätige Sprache weder tolerieren noch akzeptieren und behalte mir das Recht vor, rechtlichen Schutz gegen diejenigen zu suchen, die sich in den letzten Tagen hinter dem digitalen Mob versteckt haben, um mich zu beleidigen und anzugreifen, anstatt eine zivilisierte und konstruktive Diskussion zu suchen."

Die Folge? Noch mehr Kritik und ein noch größerer Shitstorm.

"After the Hunt" startet am 16. Oktober in den Kinos. Es geht um einen College-Professor (Garfield), der eine Studentin (Edebiri) vergewaltigt haben soll. 

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