Frühstück mit Karina Sarkissova
Schweres Los und schwerelos. "Diesmal muss es Kaviar sein."
Gabriel (8) hüpft fröhlich um den Christbaum und besprüht ihn mit Wasser, damit er "länger hält". Der Papa deckt den Tisch - mit Lachs- und Beluga-Kaviar. Die Mama kann nicht kochen. Sie führt als grazile Elfe durch die Altbauwohnung in der Nähe der Wiener Lugner-City. Ein Bild von einer Frau posiert vor Bildern des Malers Leo Stopfer, für den sie Modell stand.
Barfuß - "meine Füße brauchen Erholung" - und im roten Minirock und schulterfreien Top. "Wir heizen deshalb auf Sommertemperatur", sagt ihr Ehemann Wolfgang Rudroff (41) im schwarzen Rollkragenpullover. Er strahlt seine "Schönheit" an.
Ja: "Schönheit" oder "Buh" (wie das kleine Mädchen im Film Monster AG) sagt er zu ihr.
Geduldig hat sich "Katze-Patze", wie Karina Sarkissova (27) ihren Mann nennt, seine Traumfrau erobert. "Bei mir war `s nicht Liebe auf den ersten Blick, als wir einander in der Disco kennenlernten", sagt die Solotänzerin der Wiener Staatsoper. Wegen Nacktfotos in Magazinen wurde sie im August von Ballettchef Manuel Legris gefeuert - und im Oktober von Direktor Dominique Meyer zurückgeholt. "Wir alle haben wieder ein positives, professionelles Verhältnis."
Der Wirbel habe ihr mehr geholfen als geschadet. Bei Galas reißt man sich um sie. "Da tanz` ich zu Piaf, Carmen oder Queen. Da sagen die Leute, die sich nie für Ballett interessierten, dass sie Gänsehaut hatten. So locke ich die Menschen ins Theater."
Karina war 17, als sie nach einer Vorstellung in die Disco ging, "um die Emotionen rauszutanzen" und damit die Blicke von Wolfgang, dem Bauunternehmer und Dressurreiter, auf sich zog.
Die Ballerina braucht Publikum, auch abseits der Bühne. "Dass ich meinen Körper zeige, dieser Exhibitionismus, gehört zu unserem Beruf. Wenn man sich selbst nicht gern hat, kann man auch andere nicht überzeugen. Dafür arbeiten wir hart, trainieren oft neun Stunden pro Tag."
So gar nicht schüchtern ist die kleine Muster-Familie. Kuschel-Gabriel, der vife Volksschüler aus der 3A, erzählt vom Skitraining am Semmering, den Pfadfindern, der Musical-Schule und was das Christkind gebracht hat. Einen Spielzeugbus! Interviews und Fotos machen ihm Spaß.
Der Papa schupft den Haushalt und freut sich, dass sie heuer zehnten Hochzeitstag feiern. "Freunde haben nicht geglaubt, dass es halten wird." Sein Stolz: "Sie ist wunderschön. Ich mag sie mit allen ihren Eigenschaften. Ja, sie ist narzisstisch, aber das gehört zu ihrem Beruf." Er gießt Karina russischen Tee aus dem Samowar nach.
Tolerant sind beide. Einen Seitensprung würden sie einander verzeihen. "Wir schauen nicht immer nur in eine Richtung", sagt sie. "Ein Vogel, den man einsperrt, und der die Gelegenheit hat, wegzufliegen, kommt nie mehr. Ist der Käfig aber offen, kommt er immer wieder zurück", sagt er.
Sarkissova erzählt in noch nicht ganz akzentfreiem Hochdeutsch von Beziehungen, die nie länger als eine Woche dauerten. Sie lacht. "Ich bin nicht ganz jungfräulich in die Ehe gegangen." Dafür hat sie sich bei ihrem Mann Zeit gelassen. Die Russin sah ihn eher als väterlichen Freund. "Mein eigener Vater starb plötzlich mit 33 Jahren, da war ich 12."
Wolfgang musste ein Jahr warten. "Er hat mich im Pyjama, ungeschminkt, Nudeln essend kennengelernt. Er hat mir viel gezeigt, aber vor allem Liebe und Geborgenheit gegeben." Weil er sie akzeptierte, wie sie war, "hat es Klick gemacht". Dann ging`s schnell. "Der erste Kuss, der erste Sex, die Hochzeit. Zehn Monate später kam Gabriel. Unsere Beziehung ist wie Magie."
Magisch auch, wenn sie hinter der Bühne steht und der Inspizient über Lautsprecher sagt: "Die Vorstellung beginnt." Das Gefühl hatte sie das erste Mal mit vier, als sie ihre Mutter ins Bolschoi-Theater mitnahm. "Da haben mich Theatergeruch, Orchester und das murmelnde Publikum sofort fasziniert. Und als ich die Tänzerinnen sah, wusste ich, dass ich auf der Bühne stehen will."
Entbehrungen, Heimweh, Intrigen hat sie ertragen. "Heute frage ich mich, wie ich das durchhalten konnte." Eine 27-jährige Mutter. So jung, so selbstbewusst, so reif. "Der Wunsch, Tänzerin zu werden, war so groß, dass es nie ein `Ich will nicht` gab." Karinas Mutter gab ihren Job als Englisch-Russisch-Dolmetscherin auf, um die Tochter von der Schule ins Bolschoi und zum Privattraining begleiten zu können. Ohne diese Unterstützung hätte sie es nie geschafft. Doch manches würde sie nicht wie ihre Mutter machen. "Wenn sie gesagt hat, die Soundso kriegt die Beine aber höher, hat das schon wehgetan. Aber es hat meinen Ehrgeiz angestachelt", sagt sie und rollt Lachskaviar in ein Blini. Heute lebt die "Moskau-Omi" in Wien und zeigt nur noch "ihre ganz liebe Seite" .
Die Welt zerbrach, als der Vater starb. Doch drei Monate später: der Anruf des ehemaligen Direktors der Stuttgarter Ballettschule: aus 300 Kindern für ein Stipendium ausgewählt! Der Traum nahm Gestalt an. Doch der Preis war hoch. Mit 12 kam sie nach St. Pölten ins Internat, sah ihre Mutter nur zwei Mal im Jahr. "Ich habe viel geweint." Das Training, oft sechs Stunden täglich, lenkte ab, "hat mich stark gemacht. In Stress-Situationen sage ich mir, ich habe so viel geschafft, das schaff` ich auch noch." Mit 16 gewann sie den Prix de Lausanne, den weltgrößten Nachwuchs-Wettbewerb. Alle Türen standen offen. London! Nein: Renato Zanella, der damalige Ballettchef der Wiener Oper, bot ihr gleich einen Vertrag an.
Den Ehrgeiz verdankt sie ihrem Vater. "Er war sehr kritisch - wie ich. Auf Pünktlichkeit, Aussehen und Sauberkeit hat er viel Wert gelegt. Und auf Humor. Mit ihm hab` ich immer viel gelacht", erinnert sie sich.
Karina Sarkissova, 1,72 m groß und 50 Kilo leicht, lebt für den Tanz. Ein Teufelskreis. Sie kriegt nie genug von Bühne, Publikum und Applaus. Dafür nimmt sie viel in Kauf. Auch den Konkurrenzkampf. "Neid ist etwas ganz Normales in unserem Beruf." So richtige Freunde habe man kaum unter Kollegen. "Man ist Solist auf der Bühne und im Leben." Sie hat ihre Familie, ihre Träume.
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Irgendwann ein zweites Kind. Kirchliche Hochzeit. Evangelisch oder russisch-orthodox, wird noch diskutiert. Und eine Sprechrolle im Film. Am liebsten bei Lieblingsregisseur Götz Spielmann. "Schön, wenn man in mir nicht nur die hübsche, herumhüpfende Tänzerin sieht. Das wäre eine neue Dimension", seufzt sie. Einen Hauch von Filmluft durfte sie ja schon schnuppern: Als Stangentänzerin im neuen Kottan.
Mein erster Gedanke beim Aufwachen
Dankbarkeit, wenn ich mein Kind lachen höre.
Meine Sonntagslektüre
Zeitungen und Magazine, damit ich weiß, was in der Welt passiert.
Humor ist ...
eine Gabe. Man hat ihn oder man hat ihn nicht.
Das schönste Frühstück wäre mit
Dalai Lama, Prinzessin Diana oder Götz Spielmann.
Der erste Blick in den Spiegel
Noch bevor ich ins Bad gehe, sagt mein Mann "Guten Morgen, Schönheit". Dann brauche ich nicht in den Spiegel zu schauen. (Wolfgang: "Aber sie schaut trotzdem gerne rein")
Wenn ich Zeit habe, sehe ich am liebsten
Filme auf DVD, Dramen.
Der Platz, an dem ich gerne frühstücken würde
Auf einer Wolke mit John Malkovich.
Ich träume oft von ...
meinem verstorbenen Vater.
Mein Luxus am Sonntag
In mich hineinhören, wie es mir geht. Zeit für die Familie und schlafen.
Den Appetit verderben mir
schlechte Tischmanieren.
Auf keinen Fall esse ich
Fertiggerichte.
Am liebsten esse ich
Meeresfrüchte, Kaviar und Seeigel.
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