Michael Moore: Ich finde, wir als Amerikaner geben traurige und tragische Figuren ab. Ich halte es mehr mit D. H. Lawrence, der schrieb: „Man sollte nie vergessen, dass der Amerikaner ein Killer ist.“ Wir halten uns für gute Menschen, die Ideale haben und für Freiheit und Wahrheit stehen. Als Amerikaner glaube ich, dass der Großteil von uns besser ist, als ich es in meinen Filmen gezeigt habe. Die schlechte Seite hat nichts mit Waffenliebe zu tun, sondern mit der Tatsache, dass da etwas falsch läuft in der amerikanischen Seele.
Was meinen Sie damit?
Ich rede viel mit Ausländern. Es gibt eine kanadische Ethik, eine britische Ethik, eine französische Ethik usw. Die sagen, wir sind alle Kanadier, wir sind alle Franzosen, wir sind alle Spanier, wir sind alle im selben Boot, deshalb müssen wir dafür sorgen, dass es uns allen gut geht. Die amerikanische Ethik ist, jeder für sich. Ich, ich, ich. Wie wird sich das auf MEIN Leben auswirken. Diese Selbstsucht ist ins amerikanische Bewusstsein verwebt. Wir haben hier 40 Millionen Menschen, die in Armut existieren, 40 Millionen, die nicht über eine Volksschulbildung hinauskommen, 50 Millionen ohne Krankenversicherung.
Was wurde aus dem amerikanischen Traum?
Die traurige Wahrheit ist, dass es für den Großteil der Bürger eben nur ein Traum geblieben ist. Sie hätten es „die amerikanische Realität“ nennen sollen. Denn nur 10 % leben den Traum. Der Rest kann davon nur träumen. Der Traum war einmal, dass wir alle, weil wir von verschiedenen Teilen der Welt kamen, das Beste von all diesen Ländern mitbringen und gemeinsam davon profitieren können. Die Realität ist, dass ein Großteil nicht freiwillig hergekommen ist, sondern als Sklaven oder gezwungenermaßen, weil sie sonst verhungert wären. Und dann haben wir an den tatsächlichen Einheimischen, den indigenen Menschen, Genozid verübt, um uns ihr Land anzueignen.
Gibt es etwas, das Sie an Ihrem eigenen Land mögen?
Ich liebe mein Land. Der individuelle Amerikaner, den man trifft, ist ein guter Mensch. Ich wünschte nur, dass wir kollektiv unsere Unterschiede zelebrieren würden. Denn das ist der wahre amerikanische Traum. Uns fehlt die Mentalität, dass wir alle im selben Boot sind.
Sie haben sich in Ihrem eigenen Land viele Feinde gemacht, oder?
Ja, die Republikaner attackieren mich seit Jahren, weil ich in einem meiner Bücher, „Stupid White Men“ (Dumme Weiße Männer) über die amerikanische Dummheit geschrieben und dann ein Statement abgegeben habe, dass die Amerikaner zu den dümmsten Leuten der Welt gehören. Und dann habe ich noch eins draufgesetzt und eine ganze One-Man-Comedyshow in London aufgeführt, in der es um nichts anderes ging, als wie blöd wir sind. Aber das ist natürlich eine Todsünde. Du kannst nicht das Land verlassen und dann schlecht darüber reden. Dabei habe ich nur die Wahrheit gesagt! Damals ist gerade eine Statistik rausgekommen, wonach 11 % der 18-25-Jährigen die USA nicht auf einer Landkarte finden können. Wir leben in einem System der erzwungenen Ignoranz, das in der Schule beginnt. Das Ziel ist, Amerikaner dumm zu halten – besonders was den Rest der Welt betrifft, damit sie alles glauben, was ihnen die Mächtigen einreden.
Würden Sie sich als Demokrat bezeichnen?
Im Sinn von Demokratie ja, im Sinn von Parteizugehörigkeit nein. Ich habe ein Riesenproblem mit beiden Seiten. Denn in einem Zwei-Parteiensystem hast du immer nur die Wahl des kleineren Übels.
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