Ein Christkind zu Neujahr

Glücklich & hochschwanger: Garanča und ihr Werk.
Elina Garanča präsentierte Babybauch & Biografie vor Hunderten Fans.

Wenige Frauen absolvieren kurz vor der Geburt eines Babys so einen Marathon, wie Elina Garanča ihn für diese Woche eingeplant hat: Am Montagabend präsentierte die beliebte und gerühmte Mezzosopranistin ihre brandneue BiografieElina Garanča – Wirklich wichtig sind nur die Schuhe“ (Ecowin, 21,90 Euro) im Wiener Kunsthistorischen Museum. 2000 Fans hatten sich im Vorfeld für die Veranstaltung angemeldet, aber nur 700 durften aus Sicherheitsgründen eingelassen werden. Spontan wurde noch eine Extra-Signierstunde vor der Vorstellung des Werks organisiert, um die abgewiesenen Gäste einigermaßen zu „besänftigen“.

Ein Christkind zu Neujahr
APA12888678-2 - 24052013 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT KI - (v.l.) Mezzosopranistin Elina Garanca und ihr Ehemann Dirigent Karel Mark Chichon am Freitag, 24. Mai 2013, anl. der Verleihung des Titels "Österreichische Kammersängerin" in der Wiener Staatsoper. APA-FOTO: HELMUT FOHRINGER
"Es freut mich wahnsinnig, dass so viele gekommen sind", so die lettische Operndiva, die mit ihrem 8-Monats-Babybauch glücklicher denn je wirkte, "es ist für mich eine wunderbare Gelegenheit, meine Hand noch einmal auszustrecken, bevor ich für ein halbes Jahr pausiere. Mit dem Buch können meine Freunde die Zeit gut überbrücken." Ende Dezember soll ihre zweite Tochter in Spanien auf die Welt kommen: "Man kann nicht bestellen, wann das Baby kommt. Aber ausgemacht ist an jedem Abend – nur nicht am Heiligen!" Gegen ein Neujahrsbaby hätten die 37-Jährige und ihr Ehemann, Dirigent Karel Mark Chichon(42), aber nichts einzuwenden:"Es wäre ein wunderschöner Beginn 2014!"

Noch bis Samstag tourt "La Garanča" mit ihrer Biografie von St. Pölten, Linz, Salzburg und Graz über München bis Berlin: "Ich habe ein wenig geschwollene Füße und Rückenschmerzen. Aber ich muss ja zum Glück nur sitzen, kaum laufen, nicht singen und daher auch nicht ständig an meine Stimme denken!"

Bilder von der Buchpräsentation

KURIER: Frau Garanča, morgen erscheint ihre erste Biografie „Wirklich wichtig sind die Schuhe“. Warum schreibt man mit erst 37 Jahren schon die erste Bio?
Elīna Garanča:
Ganz ehrlich? Weil ich dazu überredet wurde. Ich selber hätte nicht die Idee zu diesem Buch gehabt, weil ich selber fand, dass ich noch zu jung bin. Aber ich stehe im Moment an einem Wendepunkt in meinem Leben. Ich steure auf die 40 zu, in wenigen Wochen bekomme ich mein zweites Baby – somit ist meine Familienplanung abgeschlossen. Und in den nächsten Jahren möchte ich auch neue, mehr dramatische Partien singen. Also dachte ich mir, warum soll ich nach 15 Jahren auf der Bühne nicht eine Art Zwischenbilanz ziehen, um in 20 Jahren nachzulesen, wie ich damals über mein Leben und die Opernwelt gedacht habe.

In Ihrer Biografie sprechen Sie sehr offen über Ihre Kindheit, Ihre Ängste und Ihr Privatleben. Das kennt man von einer Elīna Garanča gar nicht ...
Es war für mich auch nicht leicht diese Gedanken und Details über mein Leben auszupacken, weil ich eigentlich ein sehr zurückgezogener und schüchterner Mensch bin. Noch nie habe ich bisher erzählt, wie mein Mann und ich einander kennengelernt haben und noch nie habe ich über meine Melancholie gesprochen.

In welchen Momenten sind Sie melancholisch?
Meistens sehen mich die Fans eher als ein „Wikingerweib“, das nichts erschüttern kann. Tatsächlich bin ich das Gegenteil, ich bin sehr verletzlich und es gibt selten Nächte, in denen ich durchschlafen kann, ohne dass tausend Gedanken durch meinen Kopf jagen. Ich blicke oft neidisch auf meine Kollegen, die vor Selbstsicherheit strotzen und oft ohne alle Noten zu beherrschen auf der Bühne stehen – das wäre eine Schande für mich. Meine Selbstzweifel beginnen meist zehn Tage vor der Premiere.

Da hadere ich, ob ich die Partie singen kann, ob ich verstehe was der Dirigent von mir will. Um dieser Misere zu entfliehen habe ich mehrere Methoden – ins Fitnesscenter gehen oder ich suche wieder meine innere Ruhe bei der Gartenarbeit. Wenn gar nichts mehr geht, dann hilft nur mehr das Ausweinen gegen den Druck. Ich höre mir die traurigsten Arien an, trinke ein Gläschen Wein und lasse meine Tränen fließen, um danach erschöpft ins Bett zu fallen. Dieser reinigende Prozess wirkt. Denn am nächsten Tag habe ich meine gute Laune wiedergefunden, und die Selbstzweifel sind verschwunden.

Ist das Ihre Art, wie Sie mit dem Erfolgsdruck umgehen?
Ja klar. Ich versuche mich vor Flops zu schützen, indem ich die Auswahl meiner Partien sehr überlegt angehe, oft auch Nein zu Engagements sage, wenn ich nicht überzeugt bin. Ich bereite mich auf jede Rolle sehr intensiv vor. Aber trotzdem wird das Lampenfieber immer größer und der Druck wächst. Je älter man wird, umso mehr wird mir meine Präsenz immer präsenter. Ich werde mir immer mehr bewusst, dass ich meinen Namen schützen muss. Und ich bin auf der Bühne eine vollkommen andere Person als im Privatleben. Deswegen belastet es mich oft, wie die Menschen über mich denken.

Sie wollen in den nächsten Jahren einen Repertoirewechsel vornehmen. In welchen Rollen wird man Elina Garanča nicht mehr sehen? Werden Sie weiter die Carmen singen?

Ein Christkind zu Neujahr
Die lettische Mezzosopranistin Elina Garanca posiert bei der Verleihung des Musikpreises "Echo Klassik" am 06.10.2013 im Konzerthaus am Gendarmenmarkt in Berlin mit einem Echo Klassik, den sie in der Kategorie "Solistische Einspielung des Jahres (Duette/Opernarien)" erhielt. Der Schallplattenpreis für klassische Musik wird seit 1994 durch die Deutsche Phono-Akademie verliehen. Foto: Jörg Carstensen/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Die Carmen ist eine Rolle, die ein Mezzosopran sicher ein Leben lang begleiten kann. Es kommt nur auf Don José an, der mir an meine Seite gestellt wird. Aber wofür ich mich mit 40 definitiv zu alt fühle, sind die Hosenrollen. Mir fehlt diese jugendliche Naivität, die man für die Partie eines Sesto oder eines Oktavian benötigt. In diesen Bubenpartien wird man mich sicher nicht mehr sehen. Außerdem langweilt mich Routine, ich möchte neue Wege beschreiten. In den nächsten Jahren möchte ich eine Santuzza, eine Eboli und als Höhepunkt meiner Karriere die Amneris in Aida singen.

Sie bekommen in wenigen Wochen Ihr zweites Baby. Was singen Sie im Moment?
Im Moment singe ich keine klassische Musik, sondern mit meiner Tochter Winnie Puuh (lacht). Ich kenne die zehn wichtigsten Hits von Winnie Puuh.

Wann wollen Sie aus der Babypause zurückkehren?
Da mache ich mir keinen Stress. Fixiert ist das Konzert in Göttweig, aber ob ich davor schon auftrete, wird von meiner zweiten Tochter abhängen. Auch wenn ich es mir gut vorstellen kann, denn beim zweiten Kind hat man schon mehr Routine.

Wie schafft man es logistisch – zwei Kinder, Ihre Karriere und die Karriere Ihres Mannes unter einem Hut zu bringen?
Das ist tatsächlich ein logistisches Kunststück. Mein Mann und ich versuchen, nie länger als zwei Wochen von den Kindern getrennt zu sein. Wir haben eine eigene Nanny in Spanien und eine Reise-Nanny. In Zukunft werden wir mit zwei Nannys unterwegs sein. Und so hart es für manche auch klingen mag, werden wir die Kinder auch manchmal trennen. Sprich, das Baby begleitet mich zu einem Auftritt und meine ältere Tochter Katie begleitet meinen Mann zu einem Konzert.

Ihr Mann ist Dirigent. Sie sind der Weltstar. Wie geht er damit um, die zweite Geige zu spielen?

Mein Mann hat sich bis jetzt noch nie beschwert. Er ist keiner, der dem Ruhm oder dem Glanz nachläuft. So wie ich ist er sehr bodenständig und er lernte mich kennen, da war ich noch lange nicht die Garanča. Manchmal beschwert er sich, weil ich den letzten Jahren sehr ungeduldig geworden bin. Aber wir versuchen beide, unsere Träume zu verwirklichen. Doch zwischen uns herrscht kein Wettbewerb: Wer hat die besseren Kritiken bekommen, wer hat den größeren Applaus erhalten. Das wäre auch der Tod unserer Beziehung.

Erstaunlich ist, dass Ihnen Ihre Mutter, als Sie 17 waren ,von einer Karriere als Mezzosopran abriet, weil sie zu wenig Talent sah. Hat sie sich schon für dieses Fehlurteil entschuldigt?
Wenn ich an meine Stimme zurückdenke, dann muss ich meiner Mutter im Nachhinein recht geben. Meine Stimme hatte damals vielleicht Timbre, aber da war zu wenig Volumen mit nur einer Oktave und zu wenig Kraft – das waren keine Voraussetzungen für eine Weltkarriere. Es existierte eine Natur der Stimme, aber die musste ordentlich geschliffen werden.

Sie betonen immer wieder, dass die Garanča von der Bühne nichts mit der privaten Elina zu tun hat. Wie ist die echte Garanča?

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Pressefoto honorarfrei Elina Garanca, Buch, Cover, Wirklich wichtig sind die Schuhe, Ecowin Verlag
Nach wie vor bin ich so ein Naturmensch wie ich es als Kind war. Im Moment mache ich gerade meinen Garten winterfest. Unter meinen Fingernägeln ist Erde, ich setze gerade Roggensamen, die ich im Frühjahr wieder aus der Erde nehmen. Das ist ein idealer Dünger für meinen Gemüsegarten. Ich kann auch noch Kühe melken oder selber Brot backen, das habe ich von meiner Oma gelernt. Meine Freundinnen lachen immer, wenn ich mich als beste singende Melkerin bezeichne.

Die gebürtige Lettin (37) wollte Schauspielerin werden. Bei der Aufnahmeprüfung für die Schauspielakademie fiel sie durch. Als sie den Wunsch gegenüber ihrer Mutter äußerte, die selbst Mezzosopranistin war, Sängerin zu werden, meinte die Mutter: „Aus deiner Stimme wird nichts werden.“ Aber Garanča gab nicht auf. Ihr erstes Engagement bekam Garanča in Thüringen. Von da an ging es steil bergauf. Ioan Holender gab Garanča einen fixen Vertrag an der Wiener Oper. Seit 2005 ist sie freischaffende Künstlerin und sang an allen wichtigen Opernbühnen der Welt von der Met in New York über Wien bis zum Covent Garden. Sie gilt derzeit als die beste „Carmen“ der Welt. Neben der Biografie ist auch eine neue CD „The best of Elīna Garanča“ erschienen.

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