Ein Christkind zu Neujahr
Wenige Frauen absolvieren kurz vor der Geburt eines Babys so einen Marathon, wie Elina Garanča ihn für diese Woche eingeplant hat: Am Montagabend präsentierte die beliebte und gerühmte Mezzosopranistin ihre brandneue Biografie „Elina Garanča – Wirklich wichtig sind nur die Schuhe“ (Ecowin, 21,90 Euro) im Wiener Kunsthistorischen Museum. 2000 Fans hatten sich im Vorfeld für die Veranstaltung angemeldet, aber nur 700 durften aus Sicherheitsgründen eingelassen werden. Spontan wurde noch eine Extra-Signierstunde vor der Vorstellung des Werks organisiert, um die abgewiesenen Gäste einigermaßen zu „besänftigen“.
Noch bis Samstag tourt "La Garanča" mit ihrer Biografie von St. Pölten, Linz, Salzburg und Graz über München bis Berlin: "Ich habe ein wenig geschwollene Füße und Rückenschmerzen. Aber ich muss ja zum Glück nur sitzen, kaum laufen, nicht singen und daher auch nicht ständig an meine Stimme denken!"
Bilder von der Buchpräsentation
KURIER: Frau Garanča, morgen erscheint ihre erste Biografie „Wirklich wichtig sind die Schuhe“. Warum schreibt man mit erst 37 Jahren schon die erste Bio?
Elīna Garanča: Ganz ehrlich? Weil ich dazu überredet wurde. Ich selber hätte nicht die Idee zu diesem Buch gehabt, weil ich selber fand, dass ich noch zu jung bin. Aber ich stehe im Moment an einem Wendepunkt in meinem Leben. Ich steure auf die 40 zu, in wenigen Wochen bekomme ich mein zweites Baby – somit ist meine Familienplanung abgeschlossen. Und in den nächsten Jahren möchte ich auch neue, mehr dramatische Partien singen. Also dachte ich mir, warum soll ich nach 15 Jahren auf der Bühne nicht eine Art Zwischenbilanz ziehen, um in 20 Jahren nachzulesen, wie ich damals über mein Leben und die Opernwelt gedacht habe.
In Ihrer Biografie sprechen Sie sehr offen über Ihre Kindheit, Ihre Ängste und Ihr Privatleben. Das kennt man von einer Elīna Garanča gar nicht ...
Es war für mich auch nicht leicht diese Gedanken und Details über mein Leben auszupacken, weil ich eigentlich ein sehr zurückgezogener und schüchterner Mensch bin. Noch nie habe ich bisher erzählt, wie mein Mann und ich einander kennengelernt haben und noch nie habe ich über meine Melancholie gesprochen.
In welchen Momenten sind Sie melancholisch?
Meistens sehen mich die Fans eher als ein „Wikingerweib“, das nichts erschüttern kann. Tatsächlich bin ich das Gegenteil, ich bin sehr verletzlich und es gibt selten Nächte, in denen ich durchschlafen kann, ohne dass tausend Gedanken durch meinen Kopf jagen. Ich blicke oft neidisch auf meine Kollegen, die vor Selbstsicherheit strotzen und oft ohne alle Noten zu beherrschen auf der Bühne stehen – das wäre eine Schande für mich. Meine Selbstzweifel beginnen meist zehn Tage vor der Premiere.
Da hadere ich, ob ich die Partie singen kann, ob ich verstehe was der Dirigent von mir will. Um dieser Misere zu entfliehen habe ich mehrere Methoden – ins Fitnesscenter gehen oder ich suche wieder meine innere Ruhe bei der Gartenarbeit. Wenn gar nichts mehr geht, dann hilft nur mehr das Ausweinen gegen den Druck. Ich höre mir die traurigsten Arien an, trinke ein Gläschen Wein und lasse meine Tränen fließen, um danach erschöpft ins Bett zu fallen. Dieser reinigende Prozess wirkt. Denn am nächsten Tag habe ich meine gute Laune wiedergefunden, und die Selbstzweifel sind verschwunden.
Ist das Ihre Art, wie Sie mit dem Erfolgsdruck umgehen?
Ja klar. Ich versuche mich vor Flops zu schützen, indem ich die Auswahl meiner Partien sehr überlegt angehe, oft auch Nein zu Engagements sage, wenn ich nicht überzeugt bin. Ich bereite mich auf jede Rolle sehr intensiv vor. Aber trotzdem wird das Lampenfieber immer größer und der Druck wächst. Je älter man wird, umso mehr wird mir meine Präsenz immer präsenter. Ich werde mir immer mehr bewusst, dass ich meinen Namen schützen muss. Und ich bin auf der Bühne eine vollkommen andere Person als im Privatleben. Deswegen belastet es mich oft, wie die Menschen über mich denken.
Sie wollen in den nächsten Jahren einen Repertoirewechsel vornehmen. In welchen Rollen wird man Elina Garanča nicht mehr sehen? Werden Sie weiter die Carmen singen?
Sie bekommen in wenigen Wochen Ihr zweites Baby. Was singen Sie im Moment?
Im Moment singe ich keine klassische Musik, sondern mit meiner Tochter Winnie Puuh (lacht). Ich kenne die zehn wichtigsten Hits von Winnie Puuh.
Wann wollen Sie aus der Babypause zurückkehren?
Da mache ich mir keinen Stress. Fixiert ist das Konzert in Göttweig, aber ob ich davor schon auftrete, wird von meiner zweiten Tochter abhängen. Auch wenn ich es mir gut vorstellen kann, denn beim zweiten Kind hat man schon mehr Routine.
Wie schafft man es logistisch – zwei Kinder, Ihre Karriere und die Karriere Ihres Mannes unter einem Hut zu bringen?
Das ist tatsächlich ein logistisches Kunststück. Mein Mann und ich versuchen, nie länger als zwei Wochen von den Kindern getrennt zu sein. Wir haben eine eigene Nanny in Spanien und eine Reise-Nanny. In Zukunft werden wir mit zwei Nannys unterwegs sein. Und so hart es für manche auch klingen mag, werden wir die Kinder auch manchmal trennen. Sprich, das Baby begleitet mich zu einem Auftritt und meine ältere Tochter Katie begleitet meinen Mann zu einem Konzert.
Ihr Mann ist Dirigent. Sie sind der Weltstar. Wie geht er damit um, die zweite Geige zu spielen?
Erstaunlich ist, dass Ihnen Ihre Mutter, als Sie 17 waren ,von einer Karriere als Mezzosopran abriet, weil sie zu wenig Talent sah. Hat sie sich schon für dieses Fehlurteil entschuldigt?
Wenn ich an meine Stimme zurückdenke, dann muss ich meiner Mutter im Nachhinein recht geben. Meine Stimme hatte damals vielleicht Timbre, aber da war zu wenig Volumen mit nur einer Oktave und zu wenig Kraft – das waren keine Voraussetzungen für eine Weltkarriere. Es existierte eine Natur der Stimme, aber die musste ordentlich geschliffen werden.
Sie betonen immer wieder, dass die Garanča von der Bühne nichts mit der privaten Elina zu tun hat. Wie ist die echte Garanča?
Die gebürtige Lettin (37) wollte Schauspielerin werden. Bei der Aufnahmeprüfung für die Schauspielakademie fiel sie durch. Als sie den Wunsch gegenüber ihrer Mutter äußerte, die selbst Mezzosopranistin war, Sängerin zu werden, meinte die Mutter: „Aus deiner Stimme wird nichts werden.“ Aber Garanča gab nicht auf. Ihr erstes Engagement bekam Garanča in Thüringen. Von da an ging es steil bergauf. Ioan Holender gab Garanča einen fixen Vertrag an der Wiener Oper. Seit 2005 ist sie freischaffende Künstlerin und sang an allen wichtigen Opernbühnen der Welt von der Met in New York über Wien bis zum Covent Garden. Sie gilt derzeit als die beste „Carmen“ der Welt. Neben der Biografie ist auch eine neue CD „The best of Elīna Garanča“ erschienen.
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