Ein Brief an die Queen

Ein Brief an die Queen
60-Jahre-Thronjubiläum: Eine Bilanz des KURIER-Kolumnisten, verpackt in ein paar persönliche Zeilen an Elizabeth II.

Sie werden sich nicht mehr an mich erinnern, ich ging im Mai 1969 mit meinen damals 18 Jahren eher zufällig über die Prinz-Eugen-Straße, als Sie auf Staatsbesuch in Wien weilten und in einer schwarzen Limousine auf dem Weg ins Belvedere an mir vorbeifuhren. War natürlich ein Erlebnis für mich, für Sie aber eine Routineangelegenheit wie so viele im Lauf Ihrer jetzt 60-jährigen Regentschaft.

Die Welt ist eine andere geworden in diesen 60 Jahren. Sie waren eine junge Frau von 25, als Ihr Vater Geor-ge VI. im Februar 1952 starb und Sie ihm von einem Tag zum anderen auf den Thron folgen mussten. Und jetzt sind Sie eine betagte Dame und regieren immer noch.

Höhen und Tiefen

Also regieren – ganz unter uns gesagt – regieren tun Sie ja nicht. Sie repräsentieren das einstige Weltreich, das inzwischen viel von seiner Bedeutung verloren hat. Leicht hatten Sie‘s nicht, die Höhen und Tiefen, die Ihr Land und das Haus Windsor in Ihrer Zeit erlebten, zu meistern.

Der Jubel war groß damals, bei Ihrer Krönung. Die vom Sieg des Zweiten Weltkriegs immer noch überwältigten Briten freuten sich auf eine neue Ära mit einer jungen, unverbrauchten Königin. Doch es folgte ein böses Erwachen. Während Kontinentaleuropa ein rasantes Wirtschaftswunder erlebte, steckte das Vereinigte Königreich Unsummen in seine Armee und vernachlässigte die Modernisierung der Industrie und der Infrastruktur. Verglichen mit dem Kriegsverlierer Deutschland und anderen Ländern – auch ganz kleinen wie Österreich – dauerte es in England viel länger, bis der Aufschwung spürbar wurde.

Die Folgen waren soziale Spannungen und Rassenunruhen, und dazu kam noch der grauenhafte IRA-Terror.

Inmitten all der Krisen gab es eine Konstante, die das Kunststück zuwege brachte, immer freundlich zu lächeln, gleichzeitig kühl distanziert zu wirken und ihr Volk um Geduld zu bitten. Eine Person, die immer mit dem richtigen Hut auf dem Kopf und der richtigen Tasche in der Hand alles überstrahlte. Und das waren – und sind – Sie, Ma’am!

Skandale

Dabei hatten Sie neben gewaltigen Staats- und Wirtschaftskrisen auch jede Menge private Sorgen und Skandale in der Familie zu bewältigen. Es hätte alles so schön werden können, wenn ich an die Hochzeit Ihres Thronfolgers, Prinz Charles, mit Diana im Jahre 1981 denke, bei der 750 Millionen Menschen in aller Welt vor den Bildschirmen saßen und das scheinbar verliebte Paar bei seiner Traumhochzeit bewunderten.

Das war eine PR-Aktion, die Ihnen kein Land der Welt nachmachen wird. Doch der Traum endete schrecklich. Nein, das war gar nicht royal, wie Ihr Sohn die Trennung von der armen Diana und seine öffentliche Hinwendung zu seiner Ex-Geliebten Camilla managte. Sie selbst werden auch nicht gerade amused gewesen sein, als bekannt wurde, dass er gerne Camillas Tampon wäre. Sagt so was ein Thronfolger?

Charles

Majestät werden einwenden, dass Charles nicht wissen konnte, dass diese Peinlichkeit an die Öffentlichkeit gelangen würde – aber als Kronprinz mit Kenntnis der britischen Boulevardpresse muss man mit allem rechnen.

Manchmal haben Sie auch Probleme mit Ihrem Mann, dem mit seinen 90 Jahren erstaunlich rüstigen Prinzen Philip. Der hat einmal zu englischen Studenten in Chi­na gesagt: „Wenn Sie länger hier bleiben, werden Sie Schlitzaugen bekommen“, und zum Landestracht tragenden Präsidenten von Nigeria meinte er: „Sie sehen aus, als wollten Sie gleich ins Bett gehen.“ Dafür begrüßte er den deutschen Kanzler Kohl mit den Worten „Guten Tag, Herr Reichskanzler!“

Sie selbst sind nie in ein solches Fettnäpfchen getreten, Sie haben alle Probleme, die der Job einer Queen mit sich bringt, furios und würdevoll gemeistert. Das eine oder andere Mal vielleicht zu würdevoll auf Kosten der Menschlichkeit, wenn Sie erlauben, Majestät:  Als Prinzessin Diana 1997 so tragisch ums Leben kam, haben Sie sich vier Tage lang geweigert, Ihren Urlaub in Schottland abzubrechen, nach London zu fahren und die britische Flagge auf Halbmast zu setzen. Ihr damaliges Verhalten hat der Institution Monarchie viel an Sympathien gekostet, aber Sie haben sie wieder zurückgeholt: 80 Prozent der Briten wollen Sie als Königin, und keine ernst zu nehmende Partei fordert die Abschaffung der Monarchie.

Die Wohnsitze

Ich kenne auch keinen Briten, der Ihnen Ihre vielen Wohnsitze neiden würde. Neben Buckingham Palace stehen Ihnen noch Windsor, Balmoral Castle und Sandringham House zur Verfügung. Das alles kostet viel Geld, was weiters keine Rolle spielt, da Sie doch laut Forbes Magazin über ein Vermögen von 450 Millionen Dollar verfügen und somit eine der reichsten Frauen der Welt sind. Außerdem steht Ihnen als Staatsoberhaupt des Vereinigten Königreichs ein jährliches Salär von 100 Millionen Pfund zu.

Geh ma Royals schau’n

Aber Sie sind, wie uns Fremdenverkehrsexperten vorrechnen, Ihr Geld wert! Ein nicht unerheblicher Teil des britischen Tourismus funktioniert nachdem Prinzip „Geh ma Royals schau’n“. Tatsächlich dreht praktisch jeder Tourist, der London besucht, eine Runde um den Buckingham Palace, in der Hoffnung, dass Sie vielleicht doch grade aus dem Fenster sehen.

Apropos Fenster! Es kann schon recht unangenehm sein, wenn man Queen ist. Wenn ich daran denke, dass in der Nacht zum 9. Juli 1982 der 31-jährige Michael Fagan durch ein irrtümlich geöffnetes Fenster in den Königspalast stieg und an Ihrem Bett Platz nahm. Das muss absolut shocking gewesen sein, als Sie morgens erwachten und Mr. Fagan neben Ihnen auf dem King Size Bett saß, dessen Bezüge sicher mit vielen goldenen Kronen bestickt sind. Aber was hilft das alles in einer solchen Situation! Ist Gott sei Dank gut ausgegangen damals, obwohl das keine Glanzleistung der Royal Security war.

Soll also keiner sagen, Queen-Sein ist immer das reinste Vergnügen, da gibt’s schon Situationen, die unsereins kaum erleben wird.

Queen Mum

Ich wünsche Ihnen, Ma’am, in Zukunft möglichst wenige solcher Überraschungen und ein mindestens ebenso langes Leben wie das Ihrer geschätzten Queen Mum, die ja in bester Verfassung 102 Jahre alt wurde. Auch damit sich Ihr Land einen möglicherweise weit weniger angesehenen König erspart, der der Monarchie so schweren Schaden zufügt, dass Großbritannien um seine wichtigste Tourismus-Einnahme gebracht wird.

Recht herzliche Grüße aus dem zutiefst republikanischen Wien, wo der Fremdenverkehr allerdings auch mehr von der kaiserlich-königlichen Erinnerung als als von den heutigen Politikern lebt.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen alles Gute!

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