Dominique Meyer: Der studentische Rocker

Dominique Meyer: Der studentische Rocker
Musik hört er immer – er hat sie im Kopf. Als Student besuchte er Rockkonzerte und sammelte Rolling-Stones- und Beatles-Schallplatten. Heute gibt es nur noch Klassik für den Operndirektor.

Zu Fuß, hinter den Kulissen der Oper, sind wir mit ihm unterwegs. Sport betreibt er schon lange nicht mehr. „Ich habe dafür keine Zeit“, sagt Dominique Meyer mit leiser, ruhiger Stimme und französischem Akzent. „Früher hab’ ich Rugby und Fußball gespielt. Und die Leicht­athletik mochte ich. Wenn man nicht mehr fit genug ist, macht Sport keinen Spaß.“ Daher ist der einzige Sport, den der Staatsoperndirektor zurzeit macht, von zu Hause im 9. Bezirk zu Fuß zum Haus am Ring zu gehen.

Als der im Elsass geborene Sohn eines Diplomaten sein Studium der Wirtschaftswissenschaften in Paris begann, besuchte er anfangs noch Rockkonzerte. In der Disco war er nie. „Ich habe noch eine Langspielplatten-Bibliothek von den Rolling Stones und den Beatles.“ Die verstauben aber. „Ich bin sehr schlecht, was die U-Musik betrifft. Ich erinnere mich noch sehr gut an Chansons von Brel, Brassens, Joan Baez und Piaf. Jazz interessiert mich weniger. Aber ich hab’ Tausende CDs von klassischer Musik in Wien und Paris“, erklärt der 57-Jährige während des Rundgangs in der Oper. „Ich habe nichts gegen Unterhaltungsmusik, es ist nur nicht meine Welt.“

Sonntagsfragen

Dominique Meyer: Der studentische Rocker

Wenn ich traurig wäre, würde ich das lange Adagio, der letzte Satz von Mahlers 9, hören. Und dann wäre es noch schlimmer.

Von den Rolling Stones konnte ich alle Lieder auswendig.

Hintergrundmusik in Kaufhäusern stört meine Musik, die ich im Kopf habe.

Meinem Sohn erzählte ich viele Geschichten aus der Mythologie.

Meine Lieblingsoper ist alle zwei Stunden eine andere.

Meine Lieblingskomponisten sind viele ... Mozart, Beethoven, Bach, Wagner, Schubert, Bruckner, Mahler ... das ist meine Schiene. Kaum die Franzosen, schon mehr die
Italiener. Besonders Verdi.

Leidenschaft

Dominique Meyer: Der studentische Rocker

Auf der Bühne bauen 50 Arbeiter seit sieben in der Früh die Kulissen um. Jeder Handgriff sitzt. „Ich mag diese Atmosphäre, wenn ich morgens hier vorbeikomme. Wenn der Löwe – das ist der Zuschauerraum – schläft.“ Meyer geht von der Mittel- zur Direktions- und dann zur Mitarbeiter-Loge. „Ich schaue mir die Vorstellungen immer von verschiedenen Blickwinkeln an, damit ich höre, was die Zuschauer hören.“ Er beobachtet die Opernbesucher und kennt seine Stammkunden. „Ich nehme mir Zeit für das Publikum, ich gehöre ihm ja.“
Als er und sein Bruder in Paris studierten, waren sie jeden Tag in der Oper, im Theater oder Konzert. Meyer spielt kein Instrument und singt nicht. „Das brauche ich nicht. Ich habe ununterbrochen Musik da oben“, sagt er und tippt sich auf den Kopf. „Ich benutze meine iPods , wenn ich reise, aber habe auch ohne Gerät immer Musik in meinem Gehirn.“ Was hört er gerade jetzt, wo er, wie jeden Tag zu Mittag, in der Opern-Kantine isst und ein Cola zero trinkt? „Don Carlo“, antwortet er wie aus der Pistole geschossen. „In der Früh stehe ich auf und habe manchmal ein ganzes Orchester oder eine Stimme im Ohr.“

Zum Glück ist seine Frau, die er vor 30 Jahren in Paris bei einem Konzert getroffen hat, auch musikbegeistert. „Sonst würde die Ehe nicht funktionieren.“ Und sein 16-jähriger Sohn hört auch nur klassische Musik. „Pop und Rock interessieren ihn nicht. Er geht lieber in die Oper, besonders gerne ins Ballett.“

Jeder könne eine Leidenschaft für die Musik in sich entdecken. „Kinder sollte man nie zwingen, nur ihr Interesse wecken. Sie einfach in die Oper mitnehmen, ohne daraus eine große Geschichte zu machen. Kultur darf nicht auf ein Podest gestellt werden.“
Augenhöhe Er selbst will auch nie auf ein Podest gestellt werden. Den Fotografen bittet er, ihn nicht von unten zu fotografieren. Nein, eitel sei er nicht. „ Ich möchte nur immer auf Augenhöhe sein.“ Respektvoll, ohne Arroganz, will er sein. Wenn er streng ist, spricht er noch leiser mit seinen Mitarbeitern. „Ich spreche mit dem Staatspräsidenten genauso wie mit dem Portier. Ich bleibe immer sachlich, ohne Leute zu beleidigen“, sagt der Operndirektor, der nun wieder sieben Tage pro Woche arbeiten wird.

Nach seinem sechswöchigem Urlaub bei der Familie und bei Freunden in Paris und bei Festspielen von Salzburg bis Bayreuth, freut sich Dominique Meyer wieder auf seine Arbeit. „Mein Beruf ist mein Hobby. Musik ist für mich wie Luft einatmen oder Wasser trinken.“

INFO:

2. 9.: Tag der offenen Tür (15 und 18.30 Uhr)
4. 9.: Don Carlo (unter GMD Welser-Möst)
5. 9.: Arabella (unter GMD Welser-Möst,)
www.wiener-staatsoper.at

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