Die Rothschilds in Österreich

Die Rothschilds in Österreich
Im 19. Jahrhundert als Finanzier wohl gelitten, wurde die Familie nach dem Anschluss verfolgt, eingesperrt und enteignet. Am Ort des Palais in der Prinz-Eugen-Straße steht heute die Arbeiterkammer.

Ein Wunder, ein Traum", dachte Bettina, "ich habe mich gezwickt, damit ich aufwache."* Es war Ende der Neunziger, als die unter den Nazis enteigneten Kunstwerke (eine der bedeutendsten Kunstsammlungen der Welt) an die Familie Rothschild beziehungsweise deren Erben zurückgegeben wurden. Jahrzehnte des Ansuchens,der Klagen und der Ausflüchte der Republik in Gesetze aus lange zurückliegender Vergangenheit waren dieser Einigung vorausgegangen. Weil der Familie zu dieser Zeit von all den Schlössern und Palais, die sie einst besessen hatte, kaum mehr etwas gehörte, wo man wertvolle Uhren, alte Waffen oder auch Malereien hätte unterbringen können, ging man zu Sotheby's nach London und versteigerte den gerade restituierten Kunstbesitz.

Die Rückgabe erfolgte immerhin mehr als 50 Jahre später, nachdem die Familie in Österreich 1947 um Restitution angesucht hatte. Alle Besitztümer waren damals von der Gestapo einkassiert worden. Als Bettina Looram, ehemalige Rothschild, in ihr früheres Kinderzimmer zurückkehrte, sah sie Blutflecken an der Wand. Niemand hatte mehr Lust, in diesen Räumen zu wohnen. Clarice und Louis Rothschild verkauften Ländereien und Gebäude weit unterm Wert an den österreichischen Staat. Die Pensionen ihrer früheren Mitarbeiter sollten gesichert sein. Nur das 30.000 Hektar große Gut in Langau behielt man sich, konnte es aber erst nach 1952 wieder benutzen, weil es in der russischen Zone gelegen hatte. Die Republik Österreich freute sich über die Fast-Geschenke und günstig eingekauften Immobilien: das Palais Rothschild in der Prinz-Eugen-Straße wurde gleich einmal abgerissen. An seinem Platz steht heute das funktionale Gebäude der Wiener Arbeiterkammer.

Die Flucht der Rothschilds aus Österreich verlief ebenso demütigend wie die vieler anderer jüdischer Familien - wenn sie es denn überhaupt schafften. Als der Anschluss 1938 vollzogen wurde, weilten Bettinas Eltern bereits außerhalb des Landes. Am 11. März wurde das Personal in Wien per Telegramm gebeten, die Mädchen Gwendoline und Bettina ohne Verzögerung aus dem Land zu bringen. Mit dem Zug ging es nach Innsbruck, bis es plötzlich hieß: "Alle Juden aussteigen!" Bettina, damals 13 Jahre alt, dachte es wäre vorbei. "Wir wurden auf einer Polizeistation in eine Zelle gesperrt. Wir haben gewusst, wir dürfen nicht aufgeben. Wir spielten Spiele." Am darauf folgenden Nachmittag wurden die Kinder entlassen. "Unsere Nannies waren außer sich." Der Grund für die Entlassung der jungen Familienmitglieder war, dass es der Gestapo gelungen war, in Wien einen wirklich großen  Coup zu landen. Onkel Louis war eingesperrt worden und wurde länger als ein Jahr festgehalten - die Gestapo erhoffte sich von diesem Gefangenen das große Geld.

*Zitate aus einem englischen Test ins Deutsche übersetzt, erschienen im Guardian.http://www.telegraph.co.uk/news/obituaries/culture-obituaries/art-obituaries/9715373/Bettina-Looram.html

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