Für Applegate sind gesundheitliche Herausforderungen nicht neu. 2008 hatte sie Brustkrebs und ließ eine Mastektomie vornehmen.
KURIER: Wie haben Sie die letzten 18 Monate überstanden?
Christina Applegate: Nicht gut. Ich habe eine 9-jährige Tochter. Und sie zu Hause zu unterrichten, ist, wie Zähne ziehen. Ich brachte dabei gar nichts weiter, weil ich dauernd auf sie schauen musste. Ich hatte auf Routine und Disziplin gehofft. Listen geschrieben und Pläne gemacht. Ich habe Postings von Leuten gelesen, die auf ihren Spaziergängen Fotos von schönen Blumen gemacht haben. Ich war nicht mal imstande Blumen zu sehen. Ich war nur damit beschäftigt, meine Ruhe zu bewahren. Wir tun alle unser Bestes, und wir versagen dabei oft. Aber wenn wir aus unseren Fehlern lernen, dann ist das schon ein Gewinn. Nicht jeder Tag ist perfekt und voller Glücksgefühl.
Was ist, wenn Ihre Tochter Sadie Schauspielerin werden will? Was sagen Sie ihr dann?
Ich befürchte, sie wird es wollen. Aber meine eiserne Regel ist, nicht vor 18. Ich will, dass sie eine richtige Kindheit hat, dass sie nicht zu früh lernen muss, mit Abweisung umzugehen, denn das ist, was diesen Job ausmacht. Du hörst ein Nein 100-mal öfter als ein Ja. Und ich will das nicht für sie. Sie soll die Kindheit haben, die ich nie hatte.
Sie sind eine alleinerziehende Mutter. Macht das auch Stress?
Muttersein ist nicht leicht, egal ob Single oder nicht. Denn deine gesamte Identität ist mit dieser kleinen Person verwoben. Du hast immer Angst, etwas falsch zu machen. Dazu kommt, dass wir uns dauernd beurteilt fühlen. Das ist neu für mich, denn ich hatte das Glück im Laurel Canyon in Los Angeles aufzuwachsen, eine Hippiegegend damals. Alle Mütter waren single und alle haben ums Überleben gekämpft. Keine hatte Geld. Aber alle haben zusammengehalten. Es gab nicht diesen blöden Wettbewerb, wer die Beste ist. Wir Kinder hatten viele Mütter. Es war eine andere Zeit. Meine Kindheit ist der Grund, warum ich mich bis heute in der Gesellschaft von Frauen am wohlsten fühle. Und am liebsten sind mir die Lebenskünstlerinnen, die etwas gebrochenen Frauen, die es irgendwie trotzdem schaffen. Denn ich bin eine von ihnen.
Sie haben früh zu arbeiten begonnen, und wurden mit "Eine schrecklich nette Familie" berühmt…
Ja, dafür bekomme ich heute noch Tantiemen. Ungefähr 2,50 Dollar. Eine Riesenhilfe (lacht).
Konnten Sie sich in die Rolle der "Dumpfbacke" Kelly leicht hineinfühlen?
Nein. Aber ich habe bei der Serie die Kunst der Komödie gelernt. Vorher war ich sehr ernst, wollte nur Dramen spielen und habe auf Komödien immer runtergeschaut. Bis ich erkannt habe, wie schwierig Komödie ist. Denn du musst dein Ego aus dem Fenster werfen, musst lernen, dich lächerlich zu machen. "Eine schrecklich nette Familie" war wie Vaudeville (ein Pariser Theatergenre mit Gesang und Instrumentalbegleitung), wie wenn du vor 200 Betrunkenen auf der Bühne stehst und sie dazu bringen willst, eine Reaktion zu zeigen. Wie ein Affe mit einem Xylofon.
Welche Rolle ist Ihnen am ähnlichsten?
Wissen Sie was? Es ist die Rolle der Jen Harding in "Dead to Me". Nicht in dem, was sie tut, aber in ihrem Herzen. Das ist definitiv der persönlichste Part, den ich je gespielt habe. Deshalb war ich auch so fix und fertig, als wir die letzte Staffel abgedreht hatten. Jen geht durch einen schweren Prozess der Trauer, und das kann ich gut nachempfinden. Ich habe so vieles in meinem Leben verloren, Menschen, Gesundheit und noch mehr.
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