Tom Neuwirth alias Conchita Wurst: "Wir leben in Zeiten, die immer konservativer werden"

Tom Neuwirth alias Conchita Wurst
Angefangen hat alles mit ORF-Castingshows – und die richtig große Chance hat Tom Neuwirth als Conchita Wurst 2014 ergriffen, da hat er für Österreich mit "Rise Like a Phoenix" den Song Contest gewonnen. Viele künstlerische Projekte und Auftritte folgten und mittlerweile hat er auch – höchst erfolgreich – die Schauspielerei für sich entdeckt.
2024 stand er das erste Mal im Stück "Luziwuzi" als queerer Erzherzog Ludwig Viktor im Wiener Rabenhof auf der Bühne. Eigentlich waren nur 13 Vorstellungen geplant, im November steht die 50. an.
"Und wir scherzen schon so, dass wir irgendwann mit Hilfsmitteln von der Bühne rauf- und runterspringen werden, weil wir zu alt sind. Ich sag’ immer, wir spielen, solange die Leute kommen", erzählt Tom lachend in der KURIER TV-Sendung "Herrlich ehrlich – Menschen hautnah".
Das ganze Interview
Er sei immer noch in den "totalen Kinderschuhen", was die Schauspielerei betrifft, lernt noch, schaut sich ab, ist mit voller Leidenschaft dabei. "Es macht Spaß, es fühlt sich gut an und wenn man mich lässt, mache ich es weiter."
Musical in Berlin
Im Herbst macht er auch Station im Berliner Theater des Westens, denn dort wird er für 12 Vorstellungen im Musical "Romeo & Julia – Liebe ist alles" als Todesengel auf der Bühne stehen. "Über die Liebe machen wir uns immer Gedanken und über den Tod auch", so Tom, der auch an seinem Geburtstag (6. November) spielen wird.
"Das Theatralische und Dramatische in der Performance liegt mir sehr und grad auf so einer Musicalbühne ist das gefragt", erzählt der Künstler, der auch ehrlich zugibt, es zu genießen im Mittelpunkt zu stehen.
"Voll, ich mag das. Das ist aber auch ein Prozess. Es gibt auch Momente, wo ich mir denke, warum hab ich so einen Drang jetzt entertainen zu müssen, auch im privaten Umfeld. Da denke ich mir: Tom, chill einfach. Du musst nicht immer einen Witz raushauen. Wobei, es ist auch wieder vielschichtig zu betrachten, weil an meinen Freundinnen und Freunden übe ich halt auch meine Witze", meint er.
Diversity Ball
Aber er kann auch die ernsten Töne, spricht Themen an, die nicht allen bequem sind, und setzt sich für Vielfalt ein. So wird er auch am 6. September beim "Diversity Ball" im Wiener Rathaus auftreten. "Wir leben in Zeiten, die werden immer konservativer und immer schwieriger, hab ich so das Gefühl, gerade politisch gesehen. Und da ist so ein Event extrem wichtig. Aus vielerlei Hinsicht. Nicht nur zuletzt, weil es ein Event ist für alle Menschen. Egal, wen du liebst, woher du kommst, woran du glaubst, ob du gehandicapt bist oder nicht. Es wird für alle Raum gemacht. Das unterstütze ich natürlich gerne und ich liebe es, dabei zu sein."
Von Hass befreien
Er meint auch, dass gerade solche Themen einige Menschen triggern, liegt daran, dass wahre Individualität in unserer kontrollorientierten Konsumgesellschaft schwer zu handhaben sei. Sie würde frei machen, könne aber auch überfordern. Viele Menschen würden sich nach klaren Normen und einfachen Antworten sehnen, obwohl die Realität vielschichtig und voller Vielfalt sei. Vorurteile würden auch oft aus anerzogenen Mustern stammen.
"Es ist so feingliedrig und so kompliziert und auf der anderen Seite, würde man sich von dem Hass befreien, wäre man selbst auch frei. Sich gegenseitig zu helfen, Komplimente zu machen, das ist das schönste Gefühl. Auch für mich selbst, wenn ich das auf mich reduziere. Ich liebe es, Menschen Komplimente zu machen. Erstens, weil ich es so meine und die Schönheit überall sehe und benennen möchte – und ich fühle mich auch gut dadurch."
Überhaupt liebt er es, gute Stimmung zu verbreiten, wie er erzählt. Und es ist auch eine Leidenschaft von ihm, sich selbst zu erforschen und kennenzulernen "und herauszufinden, was mich auch glücklich macht, am Weg meiner Erkenntnisse".

KURIER-Redakteurin Lisa Trompisch im Gespräch mit Tom Neuwirth
Mit Kritik kann Tom Neuwirth gut umgehen. "Ich bin nicht gefeit davor, von Anerkennung auch genährt zu werden. Aber, wenn ich Leute nicht kenne oder sie nur negativ sind, dann ist es mir auch wurscht. Ich will ja von den Leuten, die ich mag, Response bekommen."
Er hat auch noch viele Träume, wie er erzählt. "Zugleich hab ich dann immer Ehrfurcht davor, weil alles, was ich mir wünsche, hat mit viel Vorarbeit zu tun und ich glaube, ich komme und mache es einfach. Beim Schauspiel war es ein bissl so. Da dachte ich mir: Na ja, wie schwer kann das sein? Und dann hab ich gemerkt, wie schwer das ist. Und dann erst zu verstehen, was das Handwerk bedeutet und den Respekt dafür zu gewinnen. Und auch zu wissen, wie kommt man denn dahin, wo viele meiner Freundinnen und Freunde sind, die schauspielern", so Tom.
"Ich würde ur gerne Kostüme machen für eine Oper, ich würde ur gerne ein Bühnenbild entwerfen, solche Dinge. Im vollen Bewusstsein, dass das Berufe sind, die man jahrelang erlernen muss. Mich zieht es grad sehr ins Theater, weil sich da auch so viel vereint von den Dingen, die ich gern mache."
Mehr zu Tom Neuwirths Projekten, Auftritten und seinen Ansichten, sehen Sie auf KURIER.at und in KURIER TV.
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