Sie kam zweimal zur Welt: Einmal als Baby, 1942 in Freiburg, und einmal als Frau und Künstlerin, 1973 in Salzburg. Damals traf sie auf den 21 Jahre älteren gefeierten italienischen „Theatermagier“ Giorgio Strehler (gestorben 1997 mit 76). Andrea Jonasson, in stürmischer Ehe seit 1981 an Strehlers Seite, sagt: „Ich hatte 25 Jahre das große Glück, ein Genie zu lieben, das noch dazu so aufregend schön war. Ein Löwe mit Aszendent Löwe und einer prachtvollen weißen Löwenmähne. Es gab alles mit ihm. Dunkle und helle Seiten. Ich spreche noch jeden Tag mit ihm.“ Und: Ist sie seither solo? Jonasson lächelt: „Nun, ich bin keine alte Jungfer. Aber wenn man mit so einem Vulkan gelebt hat, dann will man nicht aufwachen und auf dem Kopfpolster neben sich irgendwas anderes wahrnehmen, Sie verstehen?“ Wir verstehen gut.
Die alterslos-faszinierende Frau, deren inneres Feuer mit dem lodernden Haarkleid um die Wette „brennt“, hat 2022 ihr 60-Jahre-Jubiläum auf der Bühne. Schon jetzt gibt es die Gelegenheit, sie zu feiern: Im Theater in der Josefstadt liest Jonasson (2., 9. und 10. Juni, jeweils 20 Uhr) einen besonderen Abend lang – „Io Bertolt Brecht“ (Ich, Bertolt Brecht), ein pralles Programm mit intensivem Blick auf Brecht und die Liebe, begleitet von Christian Frank am Klavier und angereichert mit privaten Anekdoten. „Die Leute können sich drauf freuen – ich werde viel frei erzählen.“ Bittersüß, berührend, bisweilen auch böse.
Andrea Jonasson (mit bürgerlichem Namen Andrea Karina Stumpf) trägt ihren Brecht leidenschaftlich in sich: „Gibt es ein schöneres Wort als das von Brecht? – ,Schwächen: Du hattest keine. Ich hatte eine. Ich liebte.’“ Sein „Wiegenlied einer proletarischen Mutter“, in der Emigration entstanden, „hat nichts an Aktualität verloren“, so Jonasson, „denken wir doch nur an die Kinder in Moria. Aber es geht mir auch um den Humor und die Zärtlichkeit Brechts. Giorgio hat einst seine Dreigroschenoper inszeniert, Brecht kam zu den Proben und schrieb ihm danach einen sehr persönlichen Brief.“
Ein Hund namens Ombra
Als die Tochter zweier Schauspieler auch zur Bühne drängte, warnten die Eltern: „Bloß nicht den Hungerberuf!“ Andrea war freilich nicht zu halten. Mit 17 jobbte sie in München als Verkäuferin („für eine Mark fuffzig die Stunde“), als Fabriksarbeiterin („täglich ab fünf Uhr“) und als Staubsaugervertreterin, um das Geld für die Ausbildung zusammen zu kratzen: „Das war die Härte, aber es gibt einem gute Hufe.“
Ihr Weg führte über Hamburg (als Elevin beim legendären Gustav Gründgens), Heidelberg, Zürich, Salzburg und Mailand (am „Piccolo Teatro“ Strehlers) an die Burg und in die Josefstadt. „Immer, wenn ich zu lang in Wien war, wusste ich, ich muss weg – da ist es mir zu gemütlich.“ Die Wohnung in Mailand hat sie noch, ein kleines feines Boot („Gioja“ nach Giorgio und Jonasson Andrea) liegt in Porto Ercule vor Anker. Sie wird zum 100er Strehlers (am 14. August) den halben Stiefel bereisen. Immer dabei: Ombra, ein 11-jähriger Jagdhund-Cocker-Spaniel-Mix mit kupferfarbenem Fell „Sie beschützt mich und ich sie. Wir begleiten einander ganz sanft. Meine beste Freundin in der Pandemie.“ Ombra (der Schatten) heißt die trotz eines Tumors „wilde Rennerin“, weil eine Tochter von Strehler und Jonasson so hätte heißen sollen. Und wegen Händels Arie aus „Xerxes“: „Ombra mai fu“. Nie war ein Schatten – „über der Liebe“, ergänzt Jonasson.
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