Alexander Pschill: "Abergläubisch, aber nicht gläubig“
Der Schauspieler führt erstmals, mit Freundin Kaja, Regie. Das ist eine Herausforderung für den ungeduldigen Kontrollfreak. Zur Ruhe kommt er beim Anblick seines Lieblingsgemäldes.
Erschöpft setzt er sich auf die Stufen vor der Akademie der bildenden Künste in Wien. Bis um drei Uhr in der Früh wurde geprobt. Dieses Mal steht Alexander Pschill nicht selbst auf der Bühne, sondern führt erstmals Regie – gemeinsam mit seiner Freundin Kaja Dymnicki (29), Theaterwissenschaftlerin, Produktions- und Regieassistentin. Jedes Detail muss sitzen, die Zeit drängt. Am 29. Mai ist Premiere von Schnitzlers „Das weite Land“ im „Architekturbüro“ in der Gumpendorfer Straße.
„Es ist eine Low-low-Budget-Produktion“, sagt das Ex-Rex-Herrl, zieht eine Spielzeugpistole aus dem Plastiksack und posiert für den Fotografen. „Die hab ich gerade als Requisite für unser Stück gekauft. Was wir machen, ist ein Experiment. Ein sehr junges Ensemble ist die Stütze unseres Vorhabens, eine frische, zugängliche, aus dem Griff der Tradition befreite Tragikomödie auf die Bühne zu stellen“, sagt der 42-jährige Sohn eines Facharztes für Physikalische Medizin und einer Pathologin, die jetzt Psychologin ist.
Faszination Bosch
Seine heisere Stimme ist ein Markenzeichen mit hohem Wiedererkennungswert. Auf dem Weg zur Gemäldegalerie im ersten Stock der Akademie erzählt der fesche, quirlige Mann, warum es ihn immer wieder zu den Werken von Hieronymus Bosch zieht. „Es ist der Flügelaltar von Bosch, den ich so mag.“ Verflogen ist die Müdigkeit. „Jeder kennt das jüngste Gericht in der Mitte und die Hölle auf der rechten Seite des Triptychons. Dass auf der linken Seite das Paradies ist, vergisst man“, flüstert Pschill und studiert das Meisterwerk.
„Der Neid, die ganze Wut, die Aggression, die Eitelkeit, die auch in unserem Beruf so wahnsinnig präsent ist, zeigt sich hier.“Machen ihm die grausamen, brutalen Szenen der Folter und Qualen des Gemäldes Angst? „Nein, im Gegenteil. Wenn es mir schlecht geht, schaue ich mir dieses Bild an, hier oder zu Hause in einem Kunstband, und denke mir, so schlecht wie denen geht es mir nicht. Das wirkt aufmunternd.“ Er könne sich an diesen Grausamkeiten so richtig schön satt sehen und alles raus lassen. „Der Neid, die ganze Wut, die Aggression, die Eitelkeit, die auch in unserem Beruf so wahnsinnig präsent ist, zeigt sich hier.“
Das ist nicht gerade eine schmeichelhafte Beschreibung seiner Zunft. Der kleine Mann, der schon im Schülertheater ganz groß im Mittelpunkt stand und immer Schauspieler werden wollte, nimmt sich kein Blatt vor den Mund. „Von den sieben Todsünden gibt es kaum eine, die ich nicht habe. Ein Schauspieler, der nicht neidig ist, kann von vornherein einpacken. Man muss eine Kämpfernatur sein. Nur Faulheit kann sich ein Künstler nicht leisten.“ Nachsatz: „Dass das schon Sünden sind, für die man in die Hölle kommt, beängstigt mich.“ Glaubt der Publikumsliebling der Kammerspiele an das jüngste Gericht? „Nein, ich glaube an nichts, daher leider auch nicht ans Paradies.“ Dafür ist er abergläubisch. Auf der Bank im Schillerpark bittet er, den Platz zu tauschen. „Ich möchte nur auf der linken Seite gehen, sitzen, liegen. Das ist einer von unzähligen Ticks von mir.“ Eine kleine Katastrophe war unlängst bei der Probe ein zerbrochener Spiegel. „Wenn das Stück in die Hose geht, liegt es nicht an meiner mangelnden Begabung als Regisseur oder meinen Schauspielern, sondern einzig und allein am Spiegel.“
Dabei ist Alexander Pschill, der im Herbst im Theater in der Josefstadt in „Interview“ zu sehen sein wird, ganz und gar kein spiritueller Mensch, kein esoterischer Typ. „Das ist ein Widerspruch zu meinen Ticks. Der Aberglaube ist nach dem Fundamentalismus die blödeste Form des Glaubens.“
Familienplanung
Nicht lange nachdenken braucht er, wenn es um die Frage Film oder Bühne geht. „Ich spiele einfach viel lieber Theater.“ Trotzdem war er glücklich, in dem siebenteiligen TV-Krimi „Janus“ mitspielen zu können. „Ich wollte die Rolle unbedingt haben, weil ich das Drehbuch so geil, so cool fand.“ Übrigens: „Es war vor einem Jahr, ich war mit meiner Freundin hier in der Akademie und ich wartete gespannt auf den Anruf, ob ich die Rolle bekomme. Da hab ich gesagt, wenn die zusagen, flitze ich durch den Gang.“ Genau das musste er dann auch machen. Der Schauspieler bezeichnet sich als „Getriebener und Kontrollfreak“. Als Regisseur kümmert er sich selbst um die kleinste Requisite seiner Schauspieler. „Oh Gott, so werde ich dann auch als Vater sein. Kaja hat schon gesagt: Wie machen wir das dann?“
Ja, Pschill möchte unbedingt eine eigene Familie. Wann, wissen die beiden, die seit zwei Jahren ein Paar sind, noch nicht. „Erst muss ich mir den Workaholismus aktiv abgewöhnen. Ich muss mir ein bisschen Auszeit nehmen, obwohl ich meinen Job liebe, und dankbar bin, immer beschäftigt zu sein.“ Vorher heißt es aber noch Vollgas bis zur Premiere geben.
INFO:„Das weite Land“, vom 29.5. bis 25. 6. 2013 im Architekturbüro, Gumpendorfer Straße 65,
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