Es gibt da dieses Foto von Elisabeth Kappaurer auf ihrer Facebook-Seite. Die Bregenzerwälderin sitzt im Rollstuhl, ihr komplettes linkes Bein steckt in einer Schiene, über das rechte Knie zieht sich ein langes OP-Pflaster. „Die vierte Operation habe ich endlich hinter mich gebracht“, schreibt Kappaurer.
Im September 2019 war für die Vorarlbergerin der Weltcup in etwa so weit weg, wie Ushuaia von Österreich. In der südlichsten Stadt Argentiniens, wo sich die Skifahrer traditionell im Sommer vorbereiten, hatte sich Kappaurer schwer verletzt: Offener Schien- und Wadenbeinbruch im rechten Bein, Abrissfraktur im Schienbeinkopf links.
„Am Anfang habe ich mir gesagt: Sei froh, du hast dir kein Kreuzband gerissen. Mittlerweile wäre es mir lieber gewesen.“
Theater in Ushuaia
Ushuaia ist nicht der Ort, in dem man gerne im Krankenhaus landen möchte. Von einem früheren Unterschenkelbruch wusste Kappaurer freilich, dass die Zeit drängt. „Es musste dort passieren, weil ich nicht mehr heimgekommen wäre“, erzählt die Vorarlbergerin. Drei Tage vergingen, bis die ÖSV-Läuferin endlich operiert werden konnte. „Die mussten erst einen Nagel und OP-Besteck bestellen. Es war ein bisschen ein Theater.“
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Zurück in Österreich ging es schnurstracks erneut in den OP-Saal. „Ich habe noch einmal alles neu machen müssen. Nagel raus, neuen Nagel rein. Ich bin damals nicht nur bei null gestanden, sondern bei minus 10.“
Es ist verständlich, dass sich Kappaurer nicht nur einmal die Sinnfrage gestellt hat. „Die Rücktrittsgedanken waren immer wieder da.“ Denn gerade nach einem offenen Unterschenkelbruch ist der Weg zurück in den engen Skischuh für die meisten eine richtige Tortur. „Niemand, der sich Schien- und Wadenbein gebrochen hat, wird schmerzfrei sein. Es ist nicht so, dass du wieder auf dem Ski stehst, und alles ist super. Weil es tut einfach weh.“
Volksschule im Ländle
Weil sie nicht wusste, ob das Comeback gelingen wird, begann Kappaurer in Vorarlberg die Ausbildung zur Volksschullehrerin und hatte bereits das erste Praktikum. „Ich habe das Feuer in mir immer gespürt. Auch wenn mich die meisten schon abgeschrieben hatten.“
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Über den Europacup sicherte sich die mittlerweile 29-Jährige im vergangenen Winter einen fixen Startplatz für die heurige Weltcup-Saison im Riesentorlauf. Diese Sicherheit im Hinterkopf ist gerade für jemanden mit Kappaurers Verletztenakte enorm wichtig. „Alle meine Verletzungen sind im Training passiert. Durch den fixen Startplatz muss ich jetzt im Training nicht immer alles riskieren. Und wenn mein Bein ‚Stopp sagt‘, dann höre ich darauf.“
Die heftigen Verletzungen haben Elisabeth Kappaurer viele Jahre ihrer Karriere gekostet. Die Juniorenweltmeisterin von 2014 könnte mit ihrem Talent heute längst eine etablierte Riesentorläuferin sein. Das weiß die Vorarlbergerin und hadert trotzdem nicht mit den vielen Rückschlägen und dem schmerzhaften Verlauf ihrer Laufbahn.
„Das gehört einfach zu meiner Geschichte. Und das macht meine Geschichte auch irgendwie besonders.“
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