Was von den Olympischen Spielen bleiben wird

Die Olympische Flagge ist übergeben, bald ist der Winterzauber vorbei.
Von unnützen Erfindungen, einer unverzagten Touristikerin und einer Narbe im Wald.

Es zischt und pfeift, unten an der Talstation in Yongpyong, unerträglich, den ganzen Nachmittag lang. Die Südkoreaner mögen schöne Dinge entwickelt haben, moderne Smartphones etwa oder einen 30 Kilometer langen Fahrrad-Highway, überdacht mit Solarpanelen. Doch diese eine Erfindung sollte sich nie in Österreich durchsetzen: Nach ihrem Tag auf der Piste sammeln sich die Touristen an fünf oder sechs Stationen und blasen mit Dutzenden Druckluftpistolen auch noch das letzte Flankerl Schnee von ihren Skiern und Snowboards. Und das zischt und pfeift so laut, dass sogar der türkische Kebab-Verkäufer übertönt wird, der Lieder aus der Heimat singt.

Frischer Schnee

Es klingt also nicht nach einem Wintermärchen in der Provinz PyeongChang. Aber zumindest sieht es derzeit so aus. Zwanzig Zentimeter feuchter Neuschnee bedecken die Hügel, die während Olympia noch schmutzig-braun waren. Eingearbeitet wurde er in die Pisten, auf denen die paralympischen Sportler ihre Rennen austragen – und das vor würdiger Kulisse. Immerhin zur Hälfte gefüllt war die große Tribüne am Wochenende bei den Ski-Bewerben in Jeongseon. Kaum mehr Zuschauer waren es bei der olympischen Herren-Abfahrt vor knapp vier Wochen an selber Stelle.

Der Grund dafür mag aber weniger an der Leidenschaft der Südkoreaner für den Behindertensport liegen, sondern eher an der Preisgestaltung. Umgerechnet 12 Euro kostet der Eintritt bei den Paralympics, zehn Mal so viel musste man für Mayer, Svindal und Co. von der Visa-Karte abbuchen lassen. (In bar zahlt niemand, andere Karten werden bei Olympischen und Paralympischen Spielen nicht akzeptiert.)

Doch trotz des überraschenden Zuspruchs bei den Paralympics werden die Spiele nicht als großes Fest in Erinnerung bleiben. Zwar war die Organisation top, zwar waren die Volunteers freundlich, zwar waren die Sportstätten würdig, doch die ganz große Begeisterung wurde in Südkorea nicht ausgelöst.

Stellt sich die Frage: Was bleibt von Olympia? Wird die Infrastruktur weiterhin genutzt wie nach London 2012? Erlebt eine ganze Provinz einen Aufschwung wie nach Barcelona 1992? Oder bleibt nicht viel mehr als hohe Kosten und ein paar Ruinen wie nach Athen 2004 oder Peking 2008?

Neue Wege

"Wir versuchen Olympia zu nutzen und den Wintersport neu zu erfinden", schreit Hyun-Ju Han gegen das Zischen und Pfeifen der Druckluftpistolen an. "Denn Skifahren wird hier kein Nationalsport mehr." Die Koreanerin arbeitet seit 17 Jahren im Management des Skigebiets von Yongpyong, 14 Lifte, 13,3 Pistenkilometer, Tageskarte 58 Euro. "Das klingt nur im ersten Moment viel", ruft sie. "Denn die Touristen, die in einem der 2700 Zimmer hier wohnen, bekommen bis zu 50 Prozent Ermäßigung auf Liftkarte und Ausrüstung." Dem Gerücht, dass Skitouristen auf den Parkplätzen in ihren Autos übernachten um Geld zu sparen, begegnet sie mit einem Lachen. "Aber im Campingbus schlafen schon einige Gäste."

Die Touristikerin setzt in Yongpyong auf Vielfalt. Da ist neben dem Skifahren die Snowboard-Schule, das Snow-Mountainbiken aber da sind auch der Wasserpark und die drei Golfplätze mit insgesamt 45 Löchern. Am 24. März beginnt die Saison, sollte noch Schnee liegen, wird der Platz geräumt.

75 Prozent der Gäste kommen derzeit aus Korea, vor allem aus der Hauptstadt. Der Rest sind Ausländer aus Singapur oder Taipeh. Viele von ihnen sehen zum ersten Mal Schnee. "Wir versuchen, von den Europäern zu lernen", brüllt Hyun-Ju Han. "Und ich hoffe, dass wir durch die Spiele nun so bekannt sind, dass bald auch Europäer kommen."

Platz hätten sie, Hotelbetten gibt es jetzt, nach Olympia, genug. Nur die Wohnungen des olympischen Dorfes sollen (so unglaublich es klingt) alle schon verkauft sein. Wohlhabende aus der 10-Millionen-Stadt Seoul leisten sich einen Zweitwohnsitz in der Natur von Yongpyong, in eineinhalb Stunden erreichbar mit dem Hochgeschwindigkeitszug.

Auf der Bobbahn unmittelbar daneben soll ab der kommenden Saison der Weltcup der Bobfahrer und Rodler Station machen. Im Zielbereich der Skisprungschanze trug der Erstligist Gangwon FC bereits seine Heimspiele aus. Gleich nach der Schlussfeier der Paralympics abgebaut werden die Stahlrohrtribünen des Olympiastadions.

In der Küstenstadt Gangneung ist ein feiner Olympiapark rund um das schon bestehende Fußballstadion entstanden. Wegen mangelnden Bedarfs abgerissen wird vermutlich die Eishockey-Halle. Doch in der Ice Arena (Eiskunstlauf, Shorttrack) sollen Freizeitsportler ebenso ihre Runden drehen wie in der Eisschnelllauf-Halle.

Alte Probleme

Jeongseon ist hingegen Paradebeispiel dafür, wie Olympia nicht wirken soll. Dort, im Nirgendwo, wurden für die olympischen Speedbewerbe 500 Jahre alte Bäume gefällt, die einigen Koreanern heilig waren, eine Schneise wurde durch einen der letzten Urwälder Koreas geschlagen. Der Skibetrieb wird in dem Naturschutzgebiet nach insgesamt 22 Tagen wieder eingestellt – für immer. Die Lifte werden wohl demontiert, die Schneise bleibt.

Immerhin wird es dort nie wieder zischen und pfeifen.

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