Vonn: "Fühlte mich wie ein Zombie"
Lindsey Vonn hofft nach ihrem Outing auf gesundheitliche Besserung. Die amerikanische Abfahrts-Olympiasiegerin (28) hatte dieser Tage in einem Interview mit dem amerikanischen Magazin People erstmals eine psychische Erkrankung offenbart, deren Symptome auf eine Depression hindeuten. Damit wurde offensichtlich, was Medien schon vor Monaten gemutmaßt hatten.
Vonn zeigte sich nun etwas erleichtert und gestand am Renn-Wochenende in Val d'Isere in einem ORF-TV-Interview: "Ich habe alles gesagt, was ich sagen wollte. Das tut gut, das habe ich gebraucht. Jetzt kommt der nächste Schritt in meinem neuen Leben."
Damit machte Vonn selbst offiziell, was ihr Umfeld stets bestritten hatte: Ihr strahlendes Siegerlächeln war offenbar lange Zeit nur Fassade. Laut dem Interview war die Krankheit nach einer Diagnose im Jahr 2008 mit Medikamenten behandelt worden. "Ich kam nicht mehr aus dem Bett. Ich fühlte mich hoffnungslos, leer, wie ein Zombie", sagte Vonn über diese Zeit in dem Gespräch, das offenbar vor der Weltcup-Saison geführt wurde. "Ich konnte noch nicht einmal mehr weinen."
Erste Symptome
Aufgetreten seien die Symptome erstmals nach ihren ersten Olympischen Spielen 2002 in Salt Lake City und nach Spannungen mit ihrem Vater, der ihr erster Trainer war. "Wegen meiner Dickköpfigkeit oder Scham oder weil ich nicht zugeben wollte, dass etwas falsch ist, habe ich nichts deswegen gemacht." Zunächst habe sie sich in ihre Leidenschaft für den Sport geflüchtet, berichtete die viermalige Gesamtweltcupsiegerin dem Magazin. "Als sich meine Eltern scheiden ließen, habe ich zu mir selbst gesagt: 'Geh schlafen und morgen kannst du Skifahren.' Ich habe mich in den Schlaf geweint und morgens war ich auf dem Berg, und es ging mir gut. Wenn ich Ski fahre, bin ich glücklich."
Dies sei eine Erklärung dafür, dass sich Vonn "so wahnsinnig über den Erfolg" definiere, sagte ihre Konkurrentin und Wieder-Freundin Maria Höfl-Riesch in Frankreich. Im Sommer habe sie mit Vonn über ihre Erkrankung gesprochen. "Wenn sie Rennen gewinnt, ist der ganze Tag super und dementsprechend ist es nicht so, wenn es ein bisschen schlechter läuft. Da sind die Depressionen sicher ein bisschen eine Erklärung", sagte die Deutsche.
Medikamente
Vor vier Jahren seien die Probleme schwerer geworden, berichtete Vonn. Auf Drängen ihres damaligen Ehemann Thomas habe sie einen Arzt aufgesucht. Einen Monat, nachdem sie mit der Einnahme von Medikamenten begonnen habe, sei sie "wie ein anderer Mensch" gewesen. "Es war verrückt. Ich war begeistert, wieder rauszugehen. Ich hatte Glück, sofort die richtige Behandlung zu finden", sagte Vonn, die wegen einer rätselhaften Magen-Darmerkrankung diese Saison für mehrere Tage ins Krankenhaus musste.
Von der Diagnose habe sie nur wenigen Menschen erzählt, auch weil sie ein "großes Stigma" gefürchtet habe. "Jeder sah mich im Fernsehen oder konnte die Artikel lesen, und es ging um meine großartige Ehe, den weißen Lattenzaun, den ganzen Erfolg und mein perfektes Leben. Aber hinter den Kulissen war es ein Kampf." Als die Beziehung mit ihrem Mann zerbrach - die Trennung gab sie im Herbst 2011 bekannt - habe sie ebenfalls eine schwere Zeit gehabt. "Jeder weiß, dass eine Ehe hart ist. Aber es hat nicht funktioniert, und das machte mich unglücklich."
Die Trennung habe Vonn schwer zugesetzt, erklärte Höfl-Riesch, "die Situation war nicht einfach für sie, umso beeindruckender war es, was sie auf der Piste fabriziert hat, mit welcher Souveränität sie da immer runtergefahren ist." Inzwischen hat Vonn auch den Kontakt zu ihrem Vater Alan Kildow wieder aufgenommen. "Es war hart, sehr hart, aber wir haben alles besprochen. Ich habe ihn sehr vermisst."
Schwester
Komplett hinter sich hat Vonn das Ganze offenbar noch nicht. "Es ist im Moment nicht so leicht", gestand sie nun in Frankreich, dass ihr natürlich auch die Scheidung sehr zugesetzt habe. Vonn hatte nach dem Sturz im Auftakt-Riesentorlauf in Sölden überraschend den Levi-Slalom ausgelassen und war sofort zurück in die USA gereist, wo sie dann wegen einer bis heute ungeklärten Infektion in Vail stationär hatte behandelt werden müssen. "Aber heute ist neuer Tag, und jetzt wird es hoffentlich besser", zeigte sich Vonn in Val d'Isere leicht zuversichtlich. Begleitet wird sie seit einiger Zeit von ihrer jüngeren Schwester Laura Kildow (22), ihrem "Mini-Ich", wie Vonn liebevoll sagt.
"Es ist gut, dass meine Schwester dabei ist. Ich habe aber viele gute Leute um mich, das Team hat mir sehr geholfen", erklärte Vonn, die nicht nur viele österreichische Trainer im US-Ski-Team hat, sondern sich vor allem im vom ehemaligen ÖSV-Abfahrtscoach Robert Trenkwalder geleiteten Athletes Special Project (ASP) ihres österreichischen Hauptsponsors gut aufgehoben fühlt. Auf die ORF-Frage, ob die schlimmste Phase vorbei sei, antwortete Vonn dennoch vorsichtig: "Ich denke schon."
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