Am Nachmittag folgen koordinative Übungen, Yoga, Mentaltraining – und Büroarbeit. „Ich habe ja ein Café, und ich baue gerade ein altes Haus um. Da ist genug zu tun.“ Auch für den Kopf – Patrizia Kummer absolviert eine Ausbildung in Traditioneller Chinesischer Medizin, da ist an zwei Tagen pro Woche Lernen via Internet angesagt. „Und Netflix funktioniert hier auch sehr gut.“
Die Schweizer Snowboarderin hat im Herbst für Aufsehen gesorgt, als sie erklärte, sich nicht gegen das Coronavirus impfen lassen zu wollen. Selbst dann nicht, als klar war, dass für einen Auftritt in Peking die Quarantäne nötig werden würde. Und nicht einmal, nachdem ihr am Abend vor den Weltcups in Italien der Start untersagt worden war – wegen des fehlenden Stichs.
Dabei ist die 34-jährige Walliserin keineswegs gegen die Impfung an sich, „ich habe Impfungen als Kind bekommen und habe mich auch mehrfach gegen Grippe impfen lassen“. Nur die Impfung jetzt sieht sie nicht ein. „Ich trage Maske, ich desinfiziere die Hände, ich halte Abstand – und so belaste ich auch die Spitäler nicht“, sagt sie bei einer Videokonferenz von Swiss Ski an Mittwochmorgen. Näher eingehen auf die Gründe will sie nicht.
Die dreifache Gesamtweltcupsiegerin hat auf Risiko gesetzt: Nur einen siebenten Platz vom Saisonauftakt in Russland hat sie zu Buche stehen, die übrigen Bewerbe im olympischen Parallel-Riesenslalom verpasste sie wegen der Corona-Regeln – den letzten, weil sie schon in China saß. Die drei Wochen in Quarantäne zahlt sie selbst, hätte sie die Qualifikation für Olympia verpasst, hätte sie auch die Flüge zahlen müssen. Diesen ersten Erfolg hat Kummer schon verbucht.
Und sie ist zuversichtlich für den nächsten. Wenn ihre Quarantäne endet, landen ihre Teamkolleginnen. „Dann haben wir vier Tage Schneetraining vor dem olympischen Parallel-Riesenslalom am 8. Februar.“ Einen Nachteil glaubt sie nicht zu haben, „die Bedingungen sind ja für alle gleichermaßen neu. Und ich arbeite viel mit Visualisierung, so kann ich auch auf dem Snowboard stehen. Wenn auch nur im Kopf.“
Und vielleicht, so glaubt Patrizia Kummer, hat sie ja sogar einen großen Vorteil: „Jetlag werde ich jedenfalls keinen haben.“ Sie lacht.
Apropos: Kuriose Erlebnisse hat es ja in der Tat schon einige gegeben. Der Flieger von Istanbul nach Peking war fast leer, „es war mehr Crew da als Passagiere, und so konnte ich auf einer Dreierreihe schlafen. Zwei Mal haben sie mich geweckt und mir eine neue FFP2-Maske gegeben zum Tausch, und Fieber gemessen wurde auch. Die Chinesen geben sich alle Mühe, um das Virus aus dem Land zu halten.“
Mit der Rezeption im Hotel kommuniziert Patrizia Kummer via WeChat, „sie sind immer sehr nett und fragen, was ich essen will. Dann sage ich: irgendetwas Chinesisches. Das Essen ist sehr gut, aber es ist immer viel zu viel – ich muss die Hälfte zurückgeben. Und es gibt auch immer frisches Obst dazu.“
Die Lebensmittelallergikerin (Eier, Gluten) ist sehr zufrieden mit ihrer Situation, sie hat auch das Zimmer ein wenig umgebaut – in eine Art Schlaf- und Wohnzimmer, dazu kommt der Schreibtisch, das bringt Abwechslung. Und sie ist froh, dass sie das Fenster öffnen kann. „Ich lüfte sowieso ein, zwei Mal am Tag. An den letzten beiden Tagen war Knoblauch im Essen, da war es sogar ganz gut, dass ich alleine bin.“ Apropos: „Ich bin sehr gern in meiner Gesellschaft."
Nur eines ist nicht so ganz der Fall von Patrizia Kummer, die laut eigener Einschätzung die einzige Sportlerin in olympischer Quarantäne ist: Stäbchen. „Ich habe mein eigenes Besteck mitgenommen. Denn ich esse sowieso schon sehr langsam – aber mit Stäbchen wäre ich noch langsamer.“
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