Olympia, inshallah! Der Weg des tunesischen Bobteams zu den Winterspielen

Olympia, inshallah! Der Weg des tunesischen Bobteams zu den Winterspielen
Drei Tunesier haben mit der Qualifikation für die Youth Olympic Games Geschichte geschrieben. Warum der internationale Bobverband ihnen hilft.

Als Beya Mokrani und Sophie Ghorbel ihren Schulkollegen in Tunis erzählten, dass sie für Tunesien zu Olympischen Winterspielen fahren wollen, waren die zunächst ungläubig. Doch an diesem Dezembertag sitzen die Klassenkameraden der beiden 15-jährigen Sportlerinnen „wahrscheinlich vor ihren Handys und streamen den Bewerb“, sagt Sophie. Beya und sie waren schon viele Wochen nicht in der Schule. Sie sind seit Oktober auf Tour, der KURIER traf sie in Innsbruck-Igls bei einem internationalen Bob-Jugendwettkampf.

Olympia-Premiere

Die beiden Tunesierinnen sind im vergangenen Jahr zu Bob-Athletinnen geworden. Gemeinsam mit ihrem Landsmann Jonathan Lourimi (17), der aber anders als sie nicht in Tunesien, sondern in Schweden aufgewachsen ist, stellen sie das tunesische Winter-Olympia-Team. Die drei Teenager haben sich kürzlich sensationell für die Youth Olympic Games (von 19. Jänner bis 1. Februar 2024) in Gangwon, Korea, qualifiziert, die im Jänner über die Bühne gehen. Sie sind damit die allerersten tunesischen Teilnehmer bei olympischen Winterspielen.

Bobfahren ist kein großes Ding in Tunesien. Dass die drei zu diesem Sport gekommen sind, war Zufall. Im Sommer des Vorjahres wurden sie und viele andere Jugendliche aus Afrika und Asien von einer nach den Olympischen Spielen von Pyeongchang 2018 gegründeten Stiftung nach Korea eingeladen, um in verschiedene Wintersportarten hineinzuschnuppern. 

Zusammengestellt wurde das Team vom Franko-Tunesier Ihab Ayed, der als Kopf der tunesischen Wintersportentwicklung, Begleiter, Pressesprecher und Mentalcoach mit den Teenagern auf Tour ist. Von einem achtköpfigen tunesischen Team blieben Beya, Jonathan und Sophie übrig, die sich mittlerweile auf Monobob spezialisiert haben.

Hollywood-Assoziation

"Cool Runnings". Der Hollywood-Film ist bei vielen die erste Assoziation bei Bobteams aus Ländern ohne Winter. Parallelen mit dem jamaikanischen Bobteam der 80er-Jahre sind tatsächlich vorhanden. Sogar personifiziert: Einer der Coaches, die der internationale Bob-Verband dem Team zur Seite gestellt hat, ist der US-Amerikaner Pat Brown. Der Mann aus Utah war 21 Jahre jung, als er 1987 durch einen Zufall zum Trainer des ersten jamaikanischen Bobteams wurde, das später weltweite Bekanntheit erlangte. (In „Cool Runnings“ wird er von John Candy gespielt.) 

Der Coach war nie ganz zufrieden mit dem Film. „Die Story ist schon ziemlich abgewandelt“, hat er später mehrmals betont. Brown hat später das griechische und das koreanische Bobteam aufgebaut. Jetzt hilft er Nationen, die im Bobsport als „Exoten“ gelten, auf dem Weg in den olympischen Eiskanal.

„Anfangs wusste ich nicht, wie ich trainieren soll“, sagt Sophie. „Durch die Arbeit mit den Coaches habe ich Übungen gelernt, die ich speziell fürs Bobfahren brauche.“ Gemeinsam mit Beya trainiert sie in Tunis auf Laufstrecken und in Sporthallen.

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Sophie Ghorbel und Beya Mokrani in Innsbruck Igls

Tiroler Koordinator

Der Tiroler Manfred Maier ist Development Koordinator beim Bobverband IBSF. Er unterstützt junge Athleten bei deren Entwicklung und verhilft mit seinem Team „kleinen“ Nationen zur Teilnahme an internationalen Bewerben. Maier war selbst Bobfahrer und später 14 Jahre lang Headcoach des österreichischen Teams, alle drei seiner Söhne waren bei Olympia. Jetzt will er dasselbe mit Teenagern wie Jonathan, Beya und Sophie erreichen.

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Manfred Maier: Der ehemalige österreichische Teamchef ist jetzt Development Koordinator

„Die Arbeit ist unglaublich spannend“, sagt Maier. „Diese jungen Leute machen extrem schnell Fortschritte.“ Sein Team organisiert etwa Trainingscamps, gibt Tipps fürs Training zu Hause und organisiert Jugend-Bewerbe.

"Afrika, Asien, am liebsten wollen wir alle dabei haben"

Und warum die Mühe? „Es gefällt uns, wenn solche Nationen in unseren Sport einsteigen“, sagt Manfred Maier. „Afrika, Asien, am liebsten wollen wir alle dabei haben!“ Der Bobsport ist eine kleine Familie. Das merkt man auch hier in Igls. Jeder kennt jeden. Hier scherzen Tunesier mit Koreanern, Deutsche geben Balten Tipps. „Wir müssen uns gegenseitig unterstützen. Je breiter wir aufgestellt sind, desto besser“, gibt Maier zu. „Athleten und Trainer aus anderen Nationen helfen uns“, sagt Ihab Ayed. „Erster werden ist gut, aber den Sport weiterzuentwickeln, ist für sie mehr wert.“

Für Beya, Sophie und Jonathan ist das erste Ziel erreicht: Sie fahren im Jänner nach Gangwon. „Dort kann das Ziel nur sein, Medaillen zu gewinnen – inshallah (hoffentlich, Anm.)“, sagt Beya. Nächstes Ziel sind die Olympischen Spiele. Vielleicht schon 2026 in Cortina.

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