Gasser: "Alle haben plötzlich auf mich geschaut"
Mit einem Missgeschick wurde sie berühmt: : Ausgerechnet bei den Olympischen Spielen 2014 in Sotschi, nachdem sie noch dazu die Qualifikation für den Slopestyle-Bewerb dominiert hatte, kugelte sie aus dem Starthaus.
Freilich, Anna Gasser kann mehr, als slapstick-artig zu stürzen. Bei der Heim-WM am Kreischberg holte sie Silber. Die linke Hand noch in Gips.
Dem Red Bulletin gab die 24-Jährige ein ausführliches Interveiw.
The Red Bulletin: Bist du vor Wettkämpfen generell nervös?
Anna Gasser: „Und wie! Ich habe aber gelernt, dass ich diese Nervosität brauche, dass sie gut ist, selbst wenn sie sich im Moment schrecklich anfühlt.“
Warum das?
„Nur wenn du unter Spannung stehst, kannst du gute Leistungen bringen. Wenn ich am Start zu cool bin, wird das nichts. Du musst den feinen Grat zwischen Verkrampfung und Lockerheit treffen.“
Wie schaffst du das?
„Ich schaffe es eh nicht immer. Aber Erfahrung hilft. Situationen, auch ungewöhnliche, schon erlebt zu haben. Man muss vielleicht nicht unbedingt bei Olympischen Spielen aus dem Starthaus purzeln.“
Wie bist du, wenn du nervös bist?
„Ich mag mit keinem reden. Meine Trainer kennen das und wissen es zu respektieren.“
Woran denkst du am Start?
„Durchaus auch an negative Dinge. Wie es wäre, zu versagen. Dann fahre ich gut, damit es nicht so weit kommt. Leistung als Selbstschutz, wenn man so will.“
Was konntest du aus dem Olympia- Abenteuer mitnehmen?
„Mehr als an den schlechten Medaillen-Tag erinnerte ich mich an meine Quali. Mich für das Finale zu qualifizieren war mein eigentliches Ziel gewesen. An Gold, Silber oder Bronze hatte ich keinen Gedanken verschwendet. Im Quali-Lauf war ich erstmals komplett in meiner Zone. Ich kriegte nichts mit, war innerlich ruhig, alles funktionierte genau so, wie es sollte. Diesen Zustand wollte ich wieder herbeirufen.“
Wie macht man das?
„Große Aufgaben zerlege ich seither in viele kleine. Am Start arbeite ich im Kopf einen Trick nach dem anderen ab. Ich sehe jeden Sprung, aber auch jede Transition, jede Einheit eines Runs als eigenen Teil, der meine volle Aufmerksamkeit verdient. Selbst die, die ich im Schlaf kenne. Punkt zwei in der großen Post-Olympia-Selbstanalyse: Wie schafft man es, wieder am Punkt zu sein, den Kopf hochzufahren, selbst wenn der so wichtige erste Run schiefgegangen ist? Slopestyle ist ein sehr fairer Sport: Du hast in jedem Bewerb eine zweite, manchmal eine dritte Chance.“ Anna Gasser war berüchtigt dafür, ausschließlich im ersten Run Highlights zu setzen. Eine Verbesserung im zweiten oder dritten gab es selten. „Ich musste lernen, Spannung neu aufzubauen, an die zweite Chance zu glauben.“
Kann man sich schon vornehmen, aber wie setzt man es um?
„Am Kreischberg haben mir die äußeren Umstände geholfen. Nach dem ersten Lauf war ich Vierte, den zweiten Lauf habe ich – erwartungsgemäß! – völlig verpatzt. Als ich im dritten Lauf oben gestanden bin, wollte ich alles, nur nicht Vierte werden. Ich habe mir am Start überlegt, was ich unten sagen würde, wenn ich Vierte werde. Dann habe ich es geschafft, mich umzupolen und mir vorzustellen, wie es sein würde, wenn ich eine Medaille hole. Es war kein schönes Gefühl da oben.“
Macht es für dich einen Unterschied, ob dich eine Million Amerikaner bei den X Games im Fernsehen sehen oder eine Million Österreicher am Kreischberg?
„Ja. Weil ich will, dass mich meine Freunde snowboarden sehen.“
Macht dich das nicht nervös?
„Doch, aber auf eine gute Art.“
Das komplette Interview von Werner Jesser finden Sie Online und in der aktuellen Februar-Ausgabe von „The Red Bulletin“.
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