ÖSV-Sportdirektor Stecher vor WM: "Dann entsteht plötzlich ein Loch"

Mario Stecher geht in seine erste WM als offizieller Sportdirektor des ÖSV. Die alpinen Erfolge waren in diesem Winter eher überschaubar. Während das Frauen-Team in Person von Cornelia Hütter immerhin zwei Saisonsiege vorweisen kann, sind die Herren seit 31 Rennen sieglos.
KURIER: Ist das Glas halb voll oder halb leer?
Mario Stecher: Ich bin jemand, der von Haus aus positiv eingestellt ist. Also ist für mich das Glas auf jeden Fall halbvoll. Ich bin überzeugt, dass wir mit den Leuten, die uns gerade zur Verfügung stehen, sehr wohl gut performen werden. Wir haben in jeder Disziplin jemanden, der vorne mitmischen kann.
Aber mit Podestplätzen hat das Team in diesem Winter gegeizt. Zwei Saisonsiege sind eine magere Ausbeute.
Natürlich wissen wir, dass es gerade bei einer WM auch das nötige Glück braucht. Die Situation ist aber alles andere als aussichtslos.
Lassen Sie uns die Leistungen im Detail analysieren: Wie ist die Bestandsaufnahme im Frauen-Team?
- 4. Februar: Team Parallel und Eröffnungsfeier (15.15. bis 17.50)
- 6. Februar: Super-G Frauen (11.30 Uhr)
- 7. Februar: Super-G Männer (11.30)
- 8. Februar: Abfahrt Frauen (11.30)
- 9. Februar: Abfahrt Männer (11.30)
- 11. Februar: Team Kombination Frauen (Abfahrt 10.00/Slalom 13.15)
- 12. Februar: Team Kombination Männer (Abfahrt 10.00/Slalom 13.15)
- 13. Februar: Riesentorlauf Frauen (9.45/13.15)
- 14. Februar: Riesentorlauf Männer (9.45/13.15)
- 15. Februar: Slalom Frauen (9.45/13.15)
- 16. Februar: Slalom Männer (9.45/13.15)
Wir sind gerade im Speedbereich der Frauen sehr gut in die Saison gestartet mit zwei Siegen von Cornelia Hütter. Dieses Niveau haben wir dann nicht gehalten, teils wegen Verletzungen und Erkrankungen, vielleicht hat die eine oder andere auch ein wenig zurückgezogen, weil sie sich vor der WM nicht verletzten wollte. Im Technikbereich haben wir Julia Scheib und Katharina Liensberger, bei beiden fehlen nur Nuancen.
Dem gegenüber steht zum Beispiel ein Herren-Abfahrtsteam, das in den letzten zwei Saisonen nur einen Podestplatz erreicht hat.
Es ist leider Tatsache, dass wir gerade in der Abfahrt ein bisschen auf der Stelle treten. Wir sind nicht wie erhofft näher an die Konkurrenz herangekommen. Da müssen wir wirklich schauen, dass wir unsere jungen Abfahrer, die es zweifelsohne gibt, zu mehr Einsätzen bringen und dass wir ein gemeinsames Abfahrtsteam formen.
Dient da die Schweiz womöglich als Vorbild?
Natürlich kann man sich von der Schweiz etwas abschauen. Aber ich bin schon ein Freund davon, dass wir den österreichischen Weg gehen. Der war ja auch jahrelang ein sehr guter. Es geht um einen gemeinsamen Weg, bei dem die Jungen von den Routiniers profitieren – und natürlich auch umgekehrt.
Wie optimistisch sind Sie aktuell für die Abfahrt?
Es ist jedenfalls beileibe nicht so schlecht, wie es oft dargestellt wird. Vincent Kriechmayr und Daniel Hemetsberger sind auf Schlagdistanz, und wenn ich sehe, wie ein Stefan Eichberger in seiner ersten Saison fährt, dann geht mir das Herz auf. Da kommen einige jüngere Läufer, die einen sehr guten Schwung fahren.

Wann wäre für Sie die WM erfolgreich?
Wir brauchen nicht lange herumreden: Natürlich muss sich der Österreichische Skiverband über Medaillen definieren. Und da sollten wir uns schon in eine Richtung bewegen, wie bei der letzten WM 2023 mit sieben Medaillen.
Und wenn das Team besser abschneidet, ist dann alles Eitelwonne?
Ich bin froh um jede einzelne Medaille und jeden Erfolg bei dieser Weltmeisterschaft. Eines ist aber auch klar: Wenn wir die nächsten Jahre gut performen wollen, dann werden wir nachjustieren müssen. Ganz egal, was in Saalbach-Hinterglemm für uns herausschaut. Wir werden was machen müssen.
Hat das österreichische Team in Saalbach einen echten Heimvorteil?
Definitiv. Allein durch die Trainings, die wir auf den Pisten absolviert haben. Wir hatten dank der guten Zusammenarbeit mit Saalbach-Hinterglemm richtig gute Möglichkeiten. Daran sollte es also nicht scheitern. Und ich glaube auch, dass der Druck von außen und die Erwartungshaltung nicht ganz so groß sein werden. Auch das kann von Vorteil sein.
Themenwechsel: Im gesamten österreichischen WM-Aufgebot stehen mit Stefan Eichberger und Lukas Feurstein nur zwei Läufer, die Jahrgang 2000 und jünger sind. Wo sind die Jungstars, die andere Nationen haben?
Wir haben in Österreich immer noch relativ große Kader. Und schon allein deshalb sind viele Startplätze im Weltcup belegt.
Aber wird dadurch nicht das Mittelmaß gefördert?
Das ist sicher nicht ganz unrichtig. Genau da gilt es auch anzusetzen. Dass man eben diesen Mittelbau etwas ausdünnt bzw. nach oben hinbringt. In anderen Nationen haben jüngere Läufer Zeit, im Weltcup Fuß zu fassen und in Ruhe alles kennenzulernen. Weil dort kein Gedränge um die Startplätze ist. Die dürfen fahren, dürfen Fehler machen und dürfen sich entwickeln.
Und in Österreich?
Wir sind Gott sei dank immer noch breiter aufgestellt, da kommt bei uns halt dann recht schnell der oder die Nächste zum Zug. Und so lange jemand in den Top 20 aufscheint, dann hat er auch den Anspruch auf seinen Startplatz im Weltcup. Aber wir stecken da schon in einem kleinen Dilemma.
Inwiefern?
Wir waren in der Vergangenheit über einen relativ langen Zeitraum gut und erfolgreich. Aber wenn dann der eine oder andere aufhört und es Verletzte gibt, dann entsteht plötzlich ein Loch. Und dann sind wir genau dort, wo wir jetzt stehen.
Drängen denn jüngere Athleten nach?
Ich bin schon der Meinung, dass wir damit rechnen können, dass wir in zwei, drei Jahren wieder eine kompakte Mannschaft haben. Aber es ist noch keiner vom Himmel gefallen. Diese Zeit zum Entwickeln muss man den Leuten lassen.
Abschließend: Rechnen Sie eigentlich mit einem Comeback von Matthias Mayer im Weltcup?
So ehrgeizig, wie er sich aktuell präsentiert, glaube ich schon, dass es in diese Richtung gehen kann. Ich finde es toll, dass er bei der WM als Vorläufer wieder ein wenig hineinschmeckt. Und dann wird man eh bald sehen, ob es ihm wieder Spaß macht.
Kommentare