WM-Bilanz: Sonne, Medaillen und eine Nebelbank
Zehn von elf Entscheidungen sind gefallen, die letzten drei von 44 Medaillen werden heute vergeben. Dann ist die Ski-WM in St. Moritz Geschichte. Ein Rückblick auf viel Positives und auch auf weniger Erfreuliches.
Die Tops
Wetter
322 Sonnentage soll es in St. Moritz pro Jahr geben. Nach den zwei Wochen Ski-WM glaubt man auch dieser unglaublichen Statistik. Beinahe.
Marcel Hirscher
Schon vor seiner abschließenden Paradedisziplin, dem Slalom, durfte der beste Skifahrer der Welt feiern. Nach Silber in der Kombination und unqualifizierter Kritik in den (Online-)Medien nach dem Out im Teambewerb antwortete Hirscher zuerst mit Worten, dann mit Taten: Gold im Riesentorlauf.
ÖSV-Damen
"Von euch erwarte ich mir gar nichts", hatte ÖSV-Präsident Schröcksnadel in seiner direkten Art über seine Damen gesagt. Die gaben die perfekte Antwort. Zwei Tage später gab es Gold für Schmidhofer im Super-G, es folgten Bronze für Kirchgasser in der Kombination und Silber für Venier in der Abfahrt. Auch Anna Veith ist nach ihrer Verletzung wieder zurück
Organisation
Die WM lief reibungslos. Ein Beispiel: Zur WM-Halbzeit entstanden in der Forststraße vom Zielstadion hinab ins Dorf tiefe Schlaglöcher, tags darauf hatte die Schweizer Armee die Straße generalsaniert. Ein großer Dank geht an die vielen freiwilligen Helfer, ohne die eine Großveranstaltung nicht möglich wäre.
Unterhaltung
Zwar war die Häme über den österreichischen Stadionsprecher in den Schweizer Medien groß, doch die Unterhaltung im Zielbereich war kurzweilig, die Tribünen waren stets voll. Nur Toiletten und Verpflegungsstände gab es bei den ganz stark besuchten Rennen zu wenige.
Enorm war der Druck, der auf dem Schweizer Speed-Spezialisten lastete. Doch der Sympathikus aus dem Emmental bewies Nervenstärke, bestätigte seine Favoritenrolle und holte das prestigeträchtigste Gold der WM in der Herren-Abfahrt. Es hätte keinen würdigeren Sieger geben können.
Lindsey Vonn
So kurios ihre Auftritte (samt Hund) abseits der Piste sind, so eindrucksvoll meldete sie sich nach ihrem Armbruch zurück. Die erfolgreichste Rennläuferin der Geschichte erreichte ihr großes Ziel und holte eine Medaille: Bronze in der Abfahrt.
Verpflegung
Schlecht zu essen, ist eine Kunst in St. Moritz. Seltsam zu essen, das geht schon – in einem Cordon Bleu eine (in der Speisekarte nicht erwähnte) Gurke zu entdecken, war der Tiefpunkt für Gurken-Hasser. Im KURIER-Stammlokal Sonne hingegen gibt es das gleiche Gericht als Engadiner Version vom Schweizer Kalb, gefüllt mit Bündnerfleisch, Fontina-Käse und Rucola. Und das eigens angerührte Käse-Fondue schmeckt in der Schweiz halt doch am besten.
Die Exoten
Alle zwei Jahre wird über sie berichtet – zu Recht. Die Exoten bereicherten auch diese WM. Sei es Simon Breitfuss Kamerlander, der Bolivianer aus dem Pitztal; Hubertus von Hohenlohe, der rasende Prinz; Jean-Pierre Roy, der kugelrunde Großvater aus Haiti; oder die reizende Sabrina Simader, die für Kenia startende Ennstalerin.
Die Flops
Verletzungen
Die Österreicherin Mirjam Puchner brach sich Schien- und Wadenbein, der Monegasse Olivier Jenot erlitt eine Lungenprellung und innere Blutungen, der Kasache Martin Chuber eine instabile Wirbelfraktur im Bereich des Halses, der Amerikaner Thomas Biesemeyer renkte sich die Schulter aus. Tiefpunkt war aber der Unfall von ...
Lara Gut
Die 25-Jährige war das Gesicht dieser Weltmeisterschaft. In ihrem ersten Bewerb holte sie Bronze im Super-G – und konnte die Enttäuschung nicht verbergen. Dann stürzte sie beim Einfahren für den Kombi-Slalom. Akja, Hubschrauber, Kreuzbandriss, WM vorbei. Eine nationale Katastrophe.
Sie hat gute Chancen darauf, zum Unwort des Jahres gekürt zu werden. Jeder Skifan kennt nun (wieder) die Maloja-Schlange, jene Nebelbank, die sich vom Malojapass in Richtung St. Moritz zieht. Das Wetter war prächtig am Tag der geplanten Herren-Abfahrt, doch der Nebel im oberen Streckenteil verhinderte einen Start. 38.000 Fans standen einen Tag lang in der Sonne, ohne einen Rennfahrer gesehen zu haben.
Preise
Das Klischee: Die Schweiz ist teuer, und St. Moritz ist besonders teuer. Das Klischee stimmt. Die 0,5-Liter-Plastikflasche Mineralwasser ist im Pressezentrum um umgerechnet 2,80 Euro zu erstehen, eine zweiminütige Taxifahrt kostet 17 Euro, der Apfelstrudel mit Schlagobers 12,70. Die günstigste Pizza im günstigsten Restaurant des Ortes kostet 16,50 Euro. Für ein normales Abendessen für zwei sind (ohne Getränke) knapp 50 Euro auf den Tisch zu legen. Nach oben gibt es in diesem Luxusort kaum Grenzen.
Herren-Kombination
"Das war einer WM nicht würdig", schimpfte Damen-Cheftrainer Jürgen Kriechbaum nach dem Kombinationsslalom der Herren. Denn die Slalom-Piste hatte nicht gehalten: Das Rennen gewann Luca Aerni (Startnummer 1) vor Marcel Hirscher (3). Die Besten in der Abfahrt hatten keine Chance, Romed Baumann wurde um eine Medaille gebracht.
Viren und Bazillen
Das Oberengadin rühmt sich seines Heilklimas, viele Sportler konnten davon nicht profitieren. Der Norweger Kjetil Jansrud nieste und hustete sich zu Silber im Super-G. Marcel Hirscher kam trotz des im ÖSV-Team umgehenden Magen-Darm-Virus zu Silber und Gold.
Kamera-Unfall
Beim Herren-Riesentorlauf entging St. Moritz nur knapp einer Katastrophe: Bei der Show einer Kunstflug-Staffel der Luftwaffe durchtrennte ein Flugzeug ein Kamera-Seil. Verletzt wurde niemand – der Schrecken bleibt.
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