ÖSV-Coach Kriechbaum: "Damen reagieren viel sensibler"

Kriechbaum: "Erst wenn man differenzieren kann, kann man lernen".
Der Cheftrainer der Damen ist der Mann hinter den rot-weiß-roten WM-Erfolgen.

Am 7. Jänner 2017 schienen Medaillen für die ÖSV-Damen außer Reichweite. Fünf Wochen später stehen die Österreicherinnen mit einem kompletten Medaillensatz da. Gold für Nicole Schmidhofer (Super-G), Silber für Stephanie Venier (Abfahrt), Bronze für Michaela Kirchgasser (Kombination). Hauptverantwortlich dafür ist Damen-Cheftrainer Jürgen Kriechbaum.

KURIER: Herr Kriechbaum, Sie kennen Ihre Damen offenbar nicht gut.

Warum glauben Sie das?

In Marburg haben Sie Anfang Jänner noch gesagt, dass sich keine WM-Medaillen ausgehen werden.

Das habe ich so nicht gesagt. Ich habe gesagt, dass die Medaillenchancen nicht hoch sind, da die Basis fehlt: Top-3-Platzierungen.

Damals hat es also schlecht ausgeschaut. Jetzt stehen die Damen nach drei Rennen mit drei Medaillen da. Was ist passiert?

Wenn man im Vorfeld keine Podestplätze schafft, muss man schauen, dass man das so hinbringt, dass die eine oder andere bei der WM in Form ist. Die positive Entwicklung hat sich bei Venier und Schmidhofer angekündigt. Beide haben sich über die Saison sehr gut entwickelt. Schmidhofer hat sich beim Super-G erstmals nach ihrer Verletzung wieder voll überwinden können.

ÖSV-Coach Kriechbaum: "Damen reagieren viel sensibler"
Nicole Schmidhofer schaffte die Sensation und schmückte sich mit Gold.

Also waren die Medaillen für Sie keine Überraschung?

Dass es bei der WM klappt, ist super. Aber sonst hätte es bei den nächsten Rennen funktioniert. Ich habe gesehen, dass sich im Speedbereich ein kompaktes Team entwickelt hat.

Waren Sie im Tirol-Haus dabei, als Präsident Schröcksnadel zu Ihren Damen gesagt hat: "Von euch erwarte ich gar nichts"?

Freilich. Der Schröcksi, der Herr Präsident, sagt gerne Aussagekräftiges. Ich habe darüber nicht viel nachgedacht. Bei einer WM gilt es, konzentriert zu bleiben. Man hat gar keine Zeit, an Medaillen zu denken. Da geht es um andere Dinge. Etwa darum, die Qualifikation zu lösen, ohne dass die Mannschaft einen Schaden nimmt. Deshalb bin ich kein Freund von harten Qualifikationen. Eine Trainerentscheidung ist oft besser, als nur den Zeiten zu folgen.

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Austria's Stephanie Venier celebrates her second place on the podium after the women's downhill race at the 2017 FIS Alpine World Ski Championships in St Moritz on February 12, 2017. / AFP PHOTO / Dimitar DILKOFF

Muss ein Damen-Trainer andere Qualitäten haben als ein Trainer der Herren?

Grundsätzlich muss Training immer strategisch geplant werden. Und für jeden einzelnen Athleten braucht es einen individuellen Zugang. Was bei Männern sicher dominanter ist, ist das intensive Auseinandersetzen mit dem Set-up – Ski, Platte, Bindung, Schuh. Das ist bei den Damen oft zu kurz gekommen. Da wurde früher oft gesagt: "Die soll jetzt erst einmal g’scheit fahren." Aber Damen reagieren auf ein schlechtes Set-up viel sensibler. Wenn es bei ihnen nicht passt, fangen sie an zu bremsen. Das machen die Herren in dieser Form nicht. Die greifen immer voll an.

Haben Sie daran gearbeitet?

Ja. Wir haben jetzt schon ein paar Damen, die sich da gut auskennen. Man muss erfühlen, wie es ist, wenn ich am Schuh das Canting verändere. Und wie es ist, wenn man an der Bindung die Sprengung verändert (die Neigung von Platte und Bindung; Anm.). Was passiert, wenn ich die Bindung weiter nach vorne oder nach hinten gebe? Wie fühlt es sich an, wenn ich mit einem Abfahrtsski einen Super-G fahre? Oder wie fährt sich ein Herren-Super-G-Ski?

Diese Dinge wurden dann gezielt trainiert?

Ja klar, das ist ein ganz wichtiger Baustein zum Erfolg. Erst wenn man differenzieren kann, kann man lernen. Wir haben die Möglichkeiten dafür geschaffen, zu differenzieren.

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ABD0248_20170210 - ST. MORITZ - SCHWEIZ: Die österreichische Bronzemedaillengewinnerin in der Kombination der Damen - Michaela Kirchgasser während der Siegerehrung am Freitag, 10. Februar 2017, in St. Moritz. - FOTO: APA/HELMUT FOHRINGER

Ist der große Druck schuld, wenn sich Spitzenläuferinnen wie Lara Gut oder Anna Veith schwer verletzen?

In einer Drucksituation wird man fehleranfälliger. Weil man vielleicht zu viele andere Dinge im Kopf hat und es allen zeigen will. Doch das sind alles Spekulationen, das wird man nie beweisen können. Aber es ist bestimmt besser, wenn alle Dinge bereinigt sind, damit man frei im Kopf ist und sich voll auf den Sport konzentrieren kann.

Was meinen Sie genau?

Es ist nicht gut, wenn ich einen privaten Konflikt im Hintergrund habe und dann im Rennen antreten soll.

Greifen Sie dann auch in die Privatsphäre ein?

Nein, das will ich nicht. So weit sollen unsere Kompetenzen nicht reichen. Das muss die Athletin dann schon selbst bereinigen.

Kann man bei dieser WM noch mit weiteren Überraschungen Ihres Teams rechnen?

Im Speedbereich ist es einfacher, zu überraschen, weil das taktische Element und der persönliche Zugang mehr im Vordergrund stehen. In Riesentorlauf und auch im Slalom hat man die fünf oder sechs Fahrerinnen, die regelmäßig vorne sind. Wir sind mit Bernadette Schild und Katharina Truppe knapp dahinter. Wobei die Entwicklung der beiden linear nach oben verläuft.

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