Auf der Suche nach neuen Hirschers
Wir schreiben das Jahr 2018. Olympische Winterspiele in Pyeongchang, Südkorea. Letzter Alpin-Bewerb: Herren-Slalom. Nach dem Rücktritt von Marcel Hirscher, inzwischen 28, ist es wieder einmal an Mario Matt, die Kohlen für den ÖSV aus dem Feuer zu holen. Und der 38-Jährige schafft es wirklich noch einmal aufs Podest, nach Gold vor vier Jahren in Sotschi holt der Altmeister vom Arlberg dieses Mal Bronze. Sein Mit-Tiroler Manuel Feller, 25, wird Siebenter, der Kärntner Marco Schwarz, 22, kommt auf Platz neun. Der vierte Startplatz des ÖSV aber bleibt unbesetzt.
Ein unwahrscheinliches Szenario? Vielleicht. Doch nachdem Vorzeige-Techniker Marcel Hirscher im aktuellen Red Bulletin erklärt hat, dass er sich im Moment eher nicht vorstellen könne, auch in vier Jahren noch am Start zu stehen, ist sie aktueller denn je, die Nachwuchsfrage.
Speziell in Slalom und Riesenslalom sind die österreichischen Talente, die in die Weltspitze drängen, rar. Riesenslalom-Spezialist Philipp Schörghofer, der sich im Sommer mit der Sinnfrage beschäftigt hat, ist 31, Slalom-Spezialist Reinfried Herbst 36, Technik-Allrounder Benjamin Raich ebenfalls. Wohin geht die Reise?
Strukturwandel
Schon nach seinem Amtsantritt im April hat der neue Herren-Cheftrainer Andreas Puelacher den Slalom zu einem Kernthema gemacht. Gemeinsam mit Marko Pfeifer, dem Torlauf-Cheftrainer, werden Workshops mit den Landesverbänden abgehalten. "Wir wollen die Ausbildung so vereinheitlichen, dass wir die Talente aus den Landeskadern nur noch abholen müssen", sagt Puelacher. "Das Problem ist, dass wir derzeit im Europacup zu weit hinter den anderen Nationen liegen, es kann daher sein, dass wir nicht alle uns zustehenden Startplätze auffüllen können."
Um den Unterbau aus Europacup, Nachwuchskadern und Landesverbänden näher an die ÖSV-Weltcup-Teams heranzubringen, wurde mit Jürgen Graller zudem ein Nachwuchskoordinator installiert. "Der Technik-Leitfaden bleibt", erklärt Puelacher, "mehr Skitage sind auch nicht möglich. Aber wir können in den einzelnen Einheiten mehr machen, um den Jungen die Chance zu geben, sich weiterzuentwickeln. Das kann zum Beispiel heißen, Nachwuchsfahrer zu einem Schnuppertraining zu den Großen zu holen."
Ein spezifisch österreichisches Problem ortet Puelacher nicht, "die Sorgen haben andere ja auch." Eher sieht der Tiroler ein gesellschaftliches und wirtschaftliches: "Uns fehlen so langsam die kleinen, kurzen Dorflifte und auch die kleinen Vereine, wo man schnell nach der Schule trainieren kann und auch viele Umläufe, viele Trainingsfahrten schafft."
Hinzu kommen die längst schon enormen Kosten für Ausrüstung, Liftkarten, Reisen, die schon im Schüleralter bald einmal fünfstellige Beträge erreichen, für nicht wenige Eltern ein Problem. Und alle miteinander trifft schließlich die Krise in der Ski-Industrie – so wurden etwa die Leistungen für den Weltcup-Materialservice reduziert. "Uns als Verband kostet ein Servicemann mehr gleich einmal 60.000 bis 70.000 Euro pro Saison", rechnet Markus Anwander vor, der Cheftrainer der deutschen Ski-Damen.
Mit Marco Schwarz nimmt am Sonntag ein neues Gesicht Anlauf: Der 19-jährige Kärntner gibt in Levi sein Weltcup-Debüt.
Er ist ein Allrounder.
"Ferdl ist wohlauf", vermeldete Marcel Hirscher am Samstag via Facebook. Der 25-Jährige meinte damit freilich nicht seinen Vater und Vertrauten Ferdinand, sondern jenes Rentier, das ihm der Vorjahressieg beim Slalom im Levi eingebracht hat. Für die Jagd nach dem zweiten finnischen Rentier am Sonntag (10 und 13 Uhr, live ORFeins) ist der Salzburger gut in Form. Seit dem Riesentorlauf-Sieg beim Auftakt in Sölden fühlt er sich zudem lockerer: "Ich bin nicht mehr so verkrampft und verbissen, wie ich das schon erlebt habe", sagt Hirscher.
Bei der Vorbereitung auf den ersten Slalom der Saison kam es zum ersten teaminternen Vergleich zwischen Gesamtweltcupsieger Hirscher und Olympiasieger Mario Matt. Beide erwiesen sich danach als Gentlemen und bescheinigten einander, äußerst schnell zu sein. Wie auch Reinfried Herbst, der sich zur Fortsetzung der Karriere entschlossen hat und es nun kaum erwarten kann: "Ich freue mich, wenn es jetzt ans Eingemachte geht."
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