Stadlober nach Blackout: "Scheiße, falsch gelaufen"

Plötzlich allein auf weiter Flur: Teresa Stadlober verlief sich.
Kurios: Die österreichische Langläuferin bog in die falsche Loipe ab und verlor den Anschluss an die Spitzengruppe und damit eine mögliche Medaille.

Selten hat man ein derartiges Medien-Interesse bei einem Langlauf-Rennen für eine Neuntplatzierte gesehen. Teresa Stadlober musste geschätzte 20 Interviews mit TV-Stationen, Radios und auch vielen internationalen Journalisten geben. Ihr kurioser Fauxpas kurz nach Kilometer 21 hat ihr nicht nur die mögliche Medaille gekostet, sondern anderen das Edelmetall erst ermöglicht.

Beim Spießrutenlauf wirkt Stadlober lange gefasst und lächelte. Als Papa und Coach Alois Stadlober aber auftauchte, da brach es aus seiner Tochter heraus. Erst nach einer langen Umarmung und Trostworten des ORF-Co-Kommentators konnte Teresa Stadlober ihren schweren Weg fortsetzen.

"Ich habe nicht gewusst, soll ich lachen oder weinen. Ja, ich bin sehr enttäuscht, dass das heute passiert ist. Es war für mich bis zu diesem Moment ein Supertag. Die Form war super, ich habe super Ski gehabt, alle haben gewusst, heute können wir was machen", berichtete Stadlober. Es tue ihr auch für die Serviceleute leid, deren Arbeit auch nicht belohnt wurde. "Wenn man vorne mitlaufen will, muss man halt auch die Strecke kennen und ich weiß nicht, warum mir das in dem Moment passiert ist. Es war wie ein Blackout, vielleicht war ich überfordert, dass ich vorne mitlaufen kann."

"Scheiße, falsch gelaufen"

Eine leichte kurze Abfahrt, wo man bei beiden Langlaufstrecken nebeneinander hinabgleitet, ist sie statt nach links nach rechts abgebogen. Statt wie an anderen Stellen gibt es dort keine eingefärbte Markierung, sondern nur eine Tannenzweig ähnliche. "Ich bin dann oben auf der Kuppe rechts rübergezogen und habe von rechts die zweite Spur genommen." Erst oben habe sie gesehen, dass in der Coaching-Zone keine Betreuer, sondern nur - ein offenbar ebenfalls verirrter - Volunteer gestanden ist. "Dann drehe ich mich um und dann sehe ich: Scheiße, falsch gelaufen."

Stadlober nach Blackout: "Scheiße, falsch gelaufen"
ABD0063_20180225 - PYEONGCHANG - SÜDKOREA: Teresa Stadlober (AUT) am Sonntag, 25. Februar 2018, anl. des 30 km Massenstart-Bewerbs im Langlauf der Damen im Alpensia Cross-Country Skiing Centre in Pyeongchang. - FOTO: APA/HELMUT FOHRINGER

In der Zwischenzeit hatte sich Markus Gandler, der Sportliche Leiter im ÖSV für Langlauf und Biathlon, rund 150 m von Stadlober entfernt, die Seele aus dem Leib geschrien. "Ich habe geschrien wie ein Trottel, habe sogar Kopfweh vor lauter Schreien und wegsprinten. Sie hat mich nicht gehört und es dann im Anstieg oben gemerkt", erzählte Gandler.

So leicht es Stadlober bis dahin gefallen war, sich auf Medaillenkurs zu bringen, so schwer war der Rest des Tages für die Tochter der Ex-Sportler Alois Stadlober und Roswitha Steiner. Das Rennen fertig zu laufen sei sehr schwer für sie gewesen. "Weil es einfach peinlich ist. Die Strecke muss man kennen, man sieht ja: so viel Presse will mit mir reden und jeder fragt, was los war." Letztlich war sie dann selbst im Stadion so verunsichert, dass sie kurz glaubte, sich neuerlich verlaufen zu haben.

Die Lehren daraus sind klar: "Ich hoffe, dass mir das jetzt nicht mehr passiert. Es ist auch der Heidi Weng schon einmal passiert in Kuusamo, das war einmal beim Weltcupauftakt, da ist sie eine Runde zu früh ins Ziel abgebogen als Erste. Aber bei Olympia ist es halt voll bitter und peinlich."

Derartige Erlebnisse kann man den Rest seiner Karriere sicher nie mehr vergessen. Doch in Selbstvorwürfen verzweifeln will sie nicht. "Ich hoffe, dass ich es schnell abhaken kann." Olympische Spiele seien aber eben nur alle vier Jahre. "Man weiß nicht, wie dann die Form sein wird, ob man gesund ist. Es wäre heute mein Tag gewesen, aber im Endeffekt war es nicht mein Tag."

Der Fokus gilt für Stadlober nun der Heim-WM in einem Jahr, für die sie schon länger Edelmetall als Ziel ausgegeben hatte. "Leider ist da der 30er nicht klassisch, aber ich bin im Skating auch schon gute 30er gelaufen." Erspart blieb Stadlober die vom Reglement her mögliche Disqualifikation, die bei Verlassen der Strecke im Ermessen der Jury liegt, unabhängig ob es einen Protest gibt oder nicht.

Gandler war natürlich auch schwer enttäuscht. "Es gibt kein anderes Wort als Scheiße, dass so etwas passiert. Es war alles vorbereitet, sie hat alles richtig gemacht, die Schweden waren mit dem Ski nicht so ideal." Und dann ausgerechnet bei Olympia dieses Missgeschick. "Wäre es eine WM sagst du, na ja, in zwei Jahren. Aber solche Chancen hast du nicht so oft bei Olympia."

Die 30 km im klassischen Stil wird es olympisch erst wieder in acht Jahren geben. "Aber sie kann es auch in anderen Rennen, das hat sie schon bewiesen." Gandler ist vom Talent seines Aushängeschilds überzeugt. "Ich mache mir keine Sorgen, dass Teresa nicht die Medaille noch gewinnt, aber was du hast, hast du."

Krista Pärmäkoski, die Silber gewonnen hat, zeigte ein wenig Mitgefühl mit Stadlober. "Es tut mir leid für Teresa, aber dann habe ich gewusst, dass für mich eine Medaille möglich ist", sagte die Finnin. Selbst Superstar Marit Björgen bedauerte die Österreicherin. "Es ist schade für sie, ich dachte, sie ist unterwegs zu ihrer ersten Medaille. Als ich von ihrem Fehler gehört habe, war ich selbst auch viel vorsichtiger", sagte die Norwegerin und ergänzte, "in den nächsten Jahren wird man sicher noch von ihr hören."

Lebende Legende Marit Björgen

Die 37-jährige Björgen lief ab Kilometer 10 ein einsames Rennen an der Spitze. Sie hält nach dem jüngsten Erfolg bei acht Gold-, vier Silber und drei Bronzemedaillen und ist nun vor Biathlet Ole Einar Björndalen (8-4-1) die erfolgreichste Winter-Olympionikin.

Stadlober nach Blackout: "Scheiße, falsch gelaufen"
Zahl der Medaillen, international sowie erfolgreichste Österreicher - Balkengrafik, Fotos GRAFIK 0017-18, 88 x 125 mm

Pärmäkoski, die lange Zeit gemeinsam mit Stadlober gelaufen war, rettete den zweiten Platz ins Ziel (+1:49,5 Min.). Es war ihre dritte Medaille in Südkorea nach Bronze im Skiathlon und über 10 km Skating. Die Schwedin Stina Nilsson (1:58,9), die mit Ingvild Flugstad Östberg im letzten Drittel nach vorne gestürmt war, sicherte sich im Sprint Bronze.

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