Olympia in der Krise: Baustellen im Zeichen der Ringe

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Kaum scheint ein Problem aus dem Rampenlicht verschwunden, taucht schon das nächste auf. Dem Internationalen Olympischen Comité stehen turbulente Wochen in Südkorea bevor.

An sich hätten die Herren der Ringe ja nicht die unangenehmste Situation seit dem Urteil des Internationalen Sportgerichtshofs, der die Sperren gegen 28 russische Athleten, die vom Staatsdoping profitiert haben, wieder aufgehoben hat. Denn so kann das Internationale Olympische Comité wieder einmal darauf verweisen, dass man ja mit der unabhängigen Prüfkommission ohnehin schon für genug Unabhängigkeit gesorgt habe; und auch mit den beiden Kommissionen, die sich überhaupt mit den Hintergründen zu den russischen Erfolgen in den vergangenen Jahren beschäftigt haben.

Ganz so leicht ist es freilich auch wieder nicht, denn kaum glauben die IOC-Oberen, eine Baustelle bewältigt zu haben, öffnen sich neue. In der vergangenen Woche die Berichte um Fläschchen für Dopingproben, die sich – wenn sie tiefgefroren sind – problemlos öffnen lassen, ohne irgendwelche Spuren zu hinterlassen, und am Wochenende nun die Veröffentlichung einer Studie zu den Medaillengewinnern im Skilanglauf. Der brisante Inhalt: 46 Prozent aller Medaillenträger bei Großveranstaltungen zwischen 2001 und 2017 hatten mindestens einmal auffällige Blutwerte.

313 Medaillen unter Verdacht, das ist das nächste Riesenproblem, das sich da auftut im Kampf gegen Doping.

Rückblick

Investigative Journalisten von ARD, Sunday Times, SVT (SWE) und Republik (SUI) hatten von einem Insider eine Datenbank mit mehr als 10.000 Bluttests von fast 2000 Wintersportlern erhalten und diese analysieren lassen. Für die Winterspiele in Südkorea, die am kommenden Freitag eröffnet werden, haben diese Erkenntnisse bedenkliche Folgen: Mehr als 50 Olympiastarter, die in Pyeongchang über die Loipen flitzen, hatten in der Vergangenheit so auffällige Werte, dass zumindest der Verdacht naheliegt, dass sie betrogen haben könnten, aber ungeschoren geblieben sind. Es geht um Russen, Norweger, Schweden, aber auch um Deutsche – und Österreicher.

"Die Bühne ist bereitet. Wir können uns mit großer Zuversicht auf exzellente Spiele freuen", sagte IOC-Chef Thomas Bach am Sonntag, doch wann auch immer ein russischer Athlet auftaucht, die Zweifel werden steter Begleiter sein. Auch wenn sie nicht in russischer Teamkleidung auftreten dürfen, die Mitglieder der Mannschaft mit dem Kürzel OAR (Olympischer Athlet aus Russland), nicht mit ihrer Flagge und wenn auch ihre Hymne nicht gespielt wird.

Zugleich sprach sich Bach für eine Reform des Sportgerichtshofs aus, denn Urteilsbegründungen in der Causa der entsperrten Russen könnte es erst Ende Februar geben – was hieße, dass das IOC erst nach den Spielen berufen könnte.

Olympische Spiele mit etlichen Schatten, das ist nichts, was den Juristen Bach erfreut. "So etwas tut mir einfach leid für die Athleten", sagte der Deutsche. Und auch das Projekt des gemeinsamen Teams von Sportlern aus Nord- und Südkorea, das sich als großes Friedenssignal anbieten würde, stößt nicht überall auf Zustimmung: Als die Eishockeyspielerinnen (vier aus dem Norden, 18 aus dem Süden) am Sonntag ihr einziges gemeinsames Testspiel gegen Schweden mit 1:3 verloren, wurde in der Halle von Incheon der Ehrentreffer bejubelt, vor der Halle aber protestierten 150 Menschen gegen den Nachbarstaat – und 200 andere demonstrierten gegen diese Kundgebung.

Ausblick

Und auch in der Zukunft gibt es schon wieder olympische Baustellen. Die nächste hat Thomas Bach am Sonntag in Pyeongchang eröffnet, indem er dem Amateurbox-Weltverband AIBA mit dem Rauswurf aus dem Programm für die Sommerspiele 2020 in Tokio drohte.

AIBA-Präsident Wu Ching-Kuo aus Taiwan ist im November 2017 zurückgetreten, er soll 30 Millionen Euro Schulden angehäuft haben. Erst Ende Jänner war Gafur Rahimow aus Usbekistan zum Interimspräsidenten gewählt worden, Bach kritisierte die mangelnde Transparenz – und Defizite im Anti-Doping-Kampf der AIBA.

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