Journalisten, well done - und das große Versteckspiel

Glück im Unglück, Teil eins: Es gibt hier ein Leben abseits des olympischen Sperrbezirks.

von Stefan Sigwarth

über die olympischen Alltags-Probleme

„Weißt du, ich habe es gern warm im Zimmer“, sagte der Schweizer Kollege G. an diesem Dienstagmorgen, als im Bus zur Herren-Abfahrt das Gespräch auf die Schwierigkeiten mit der Raumtemperatur in unserem Quartier kommt. „Ich habe immer die Vorhänge geschlossen, denn die Fenster sind ja nur ganz dünn, und die Rahmen aus Metall isolieren gar nicht, da kriecht die Kälte einfach durch. Ich weiß, dass ich mich hier jetzt unbeliebt mache, aber ich mag es so. Wirklich.“

Zwischen 22 und 27,3 Grad habe ich in meinem Zimmer gemessen, doch seit ich nun das Problem der verehrten Leserschaft zur Kenntnis gebracht habe (und weiß, dass man nicht viel mehr tun kann, als die Klimaanlage abdrehen und die Fenster öffnen), da hat sich Wundersames getan: 19 Grad zeigte das Thermometer am Dienstagmorgen, gut war die Nacht, gut ist die Stimmung.

Und so war es auch im Bus von Bokwang nach Jeongseon, bis – ja bis unser Chauffeur der Ansicht war, irgendjemandem könnte es doch zu kalt sein. Ob er Kollege G. gehört hat? Über acht Meter Entfernung? Und er versteht Schweizerdeutsch???

So oder so: Die zweite Hälfte der 50-minütigen Busfahrt über schälten sich Menschen aus Daunenjacken, in den letzten Minuten wurden Schweißperlen von Stirnen gewischt. Die Heizung, die auf vollen Touren lief, entfaltete ihre Wirkung in einem nie zuvor erlebten Ausmaß. „Thank you, well done“, lobten wir den Fahrer beim Aussteigen, er lächelte und wünschte einen schönen Tag.

Gut aufgewärmt begaben wir uns zur täglichen Röntgeneinheit für Mensch und Material, und damit auch der Kreislauf in Schwung kommt, hatte sich nun der Herr, der den Scanner an der Sicherheitsschleuse bedient, noch einen ganz besonderen Spaß einfallen lassen.

Weil der Mensch an sich ja zuweilen seinen Wasserhaushalt wieder ausgleichen muss, gibt es jede Menge Journalisten, die eine Flasche Wasser im Rucksack mit sich führen. „Öffnen Sie bitte ihren Rucksack“, der Herr entdeckt die Wasserflasche, schüttelt den Kopf und ... wirft sie weg. „Das ist jetzt nicht Ihr Ernst, die habe ich im Pressezentrum gekauft.“ Es ist sein Ernst, 1000 südkoreanische Won sind entsorgt (das entspricht 0,75 Euro).

Konkurrenzlos

Das wäre nun kein bejammernswerter Vorgang und auch kein Drama, wären da nicht die Vorgaben des Internationalen Olympischen Komitees: Weil eine amerikanische Kreditkartenfirma einer der Hauptsponsoren ist, kann in den Pressezentren nur mit deren Produkt bezahlt werden.

Ich bin bei der Konkurrenz und somit aufgeschmissen. Bargeld wird zwar auch akzeptiert, aber da kommen wir zum zweiten Problem: In der Olympia-Region gibt es kaum internationale Bankomaten, an denen eine europäische Karte akzeptiert wird. Bleiben also noch exakt 36.500 Won für Essen und Trinken in den Medienzentren. Das sind 27,40 Euro für zwölf Tage.

Glück im Unglück, Teil eins: Es gibt hier ein Leben abseits des olympischen Sperrbezirks. Und das akzeptiert auch Kreditkarten, die nicht den Segen des IOC haben. Überall.

Glück im Unglück, Teil zwei: Die zweite Flasche Wasser, die in der Daunenjacke platziert war, hat der Sicherheitsmann trotz seiner Hightech-Maschine nicht entdeckt. Prost!

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