Das Geisterhaus, oder: Potemkin lässt grüßen

Es gäbe noch Unterkünfte in Jeongseon. Für Selbstversorger mit Einbrecher-Erfahrung.

Ob die Idee mit dem naturnahen, schonenden Tourismus aufgeht, wenn der olympische Wanderzirkus einmal abgezogen ist?

von Stefan Sigwarth

über die Olympia-Region

Olympiasieger Matthias Mayer kennt es, Olympiasieger Marcel Hirscher kennt es: Wer vom Jeongseon Alpine Center nach PyeongChang fährt, kommt unweigerlich am Sinnbild dieser und so vieler anderer Olympischer Spiele vorbei.

Waren es vor vier Jahren in Sotschi noch alte Dörfer, die hinter riesigen Lärmschutzwänden versteckt wurden (ohne dass deren Eigentümer gefragt worden wären, ob die damit einverstanden sind), so hat man sich in Südkorea wenigstens die Mühe gemacht, die vermeintlichen Schandflecke doch noch einigermaßen adrett zu gestalten und sie nicht etwa abzureißen wie vor zwei Jahren im Zuge der Sommerspiele von Rio de Janeiro geschehen, als ganze Siedlungen dem Erdboden gleich gemacht worden sind, um Gelände für irgendwelche Prachtbauten zu gewinnen.


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Wer also vom Jeongseon Alpine Center nach PyeongChang will oder muss, weil er zum Beispiel eine Medaille abzuholen hat, der kommt an einem vierstöckigen Haus vorbei. Davor führt eine neue Straße vorbei, dahinter liegt ein Fluss unter einer dicken Eisdecke versteckt, ringsum sind steile Hügelflanken mit Laubwald, und was vielleicht einmal ein Park war (oder zumindest ein Parkplatz), das ist nun ist nur noch ein Lagerplatz für Aushub.

Immerhin, für Freunde von Baumaschinen hat ein wohlmeinender Geist einen hübschen Bagger platziert, und die Zimmerfenster des einstigen Hotels Yongbawi Rock sind nun mit Plakaten mit den olympischen Sportarten verziert.

Dennoch: Ob dieser Plattenbau, dessen einzelne Komponenten bestens zu erkennen sind aus den Shuttlebussen, die uns in den verschiedensten Geschwindigkeiten, bei unterschiedlichsten Temperaturen im Innenraum (meistens viel zu warm) und mit unterschiedlichsten Fernsehprogrammen vorbeibefördern, wirklich noch eine Zukunft hat angesichts des nagelneuen Luxushotels in weniger als einem Kilometer Entfernung? Ob die Idee mit dem naturnahen, schonenden Tourismus aufgeht, wenn der olympische Wanderzirkus einmal abgezogen ist? Ob die Bergbahnen und Sessellifte wirklich abgebaut werden und die Pisten wieder aufgeforstet?

Die Region jedenfalls, die hat Zukunft. Und die neue vierspurige Schnellstraße ist auch nicht am Bedarf vorbeigeplant: Am gestrigen Neujahrstag haben wir zum ersten Mal Stau erlebt und dichten Kolonnenverkehr in beiden Richtungen. Vielleicht ist ja doch etwas dran am Spruch "Neues Jahr – neues Glück". Es wäre den Menschen hier zu wünschen.

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