ÖSV-Skicrosser Mathias Graf: "Das Klima bei den Alpinen war ungut"

Nur gut, dass Mathias Graf vergangenen Sommer seinem Bauchgefühl vertraut hat. Nicht auszudenken, was ihm sonst alles vorenthalten geblieben wäre: sein Durchbruch als Skicrosser, die ersten zwei Weltcupsiege, nicht zuletzt die Teilnahme an der WM in Bakuriani.
Denn eigentlich hatte der 26-Jährige seine Karriere bereits beendet. "Für mich war das Thema vom Tisch. Ich habe die Skischuhe schon zurückgegeben und mir gesagt: ,Das war es für mich. Ich kann nicht weitermachen.‘"
Als amtierender Europacup-Gesamtsieger im Alpin-Ski hatte Graf im Sommer 2022 keine Perspektiven mehr gesehen. Dem Vorarlberger fehlten die soziale und finanzielle Absicherung, "und ich wollte auch nicht Mama und Papa auf der Tasche liegen. Ich kenne einige Athleten, die die Karriere beenden mussten, obwohl sie das Zeug dazu gehabt hätten, Weltcup zu fahren."

Rücktritt zurückgezogen
Mathias Graf warf dann doch noch alle Rücktrittspläne über den Haufen. Weil ihm klar wurde, wie viel Spaß ihm das Leben als Skicrosser doch eigentlich bereitet und welches Potenzial er in diesem Sport hat. "Als Alpiner hätte ich das alles nicht erreicht", weiß der 26-Jährige.
Die beiden Siege in seiner ersten Weltcupsaison als Skicrosser sind auch deshalb so bemerkenswert, weil Mathias Graf ein Quereinsteiger ist. Bis 2021 war der Vorarlberger noch bei den Alpinskifahrern unterwegs. 2019 wurde er beim Slalom in Kitzbühel 18., es waren die einzigen Weltcuppunkte, die er über all die Jahre sammeln durfte.
"Ich wäre wirklich gerne alpin weitergefahren. Aber man hat mir nach dem Materialwechsel zu Kästle nicht mehr die Zeit gegeben, die ich gebraucht hätte", erzählt Graf. So wollte er aber auch nicht abtreten. "Deshalb habe ich mir gedacht: Wisst ihr was, ich geh’ zum Skicross. Da sind die Leute normal, da habe ich eine Gaudi."
Graf kennt mittlerweile beide Welten, der Vergleich macht ihn sicher: "Das Klima bei den ÖSV-Alpinen war ungut. Ich bin froh, dass ich von dort weg bin. Und mir sind die beiden Weltcupsiege bei den Skicrossern lieber als zwei Siege bei den Alpinen."
Unterschätzt
Der Weg zu diesen Erfolgen war – nicht nur wegen der Sinnkrise im letzten Sommer – einer voller Hindernisse. Gerade in den ersten Monaten fremdelte Graf mit dem neuen Sport. "In Saas-Fee hat es mich gleich am ersten Tag aufgestellt. Da habe ich mir gedacht, ich lass’ es lieber wieder sein. Ich habe das Skicrossen extrem unterschätzt."
Selbst die Läufer mit der besten Skitechnik stoßen in dieser Disziplin an ihre Grenzen. Sprünge, Wellen und Kurven müssen im Skicross anders gefahren werden als etwa in einem Super-G. Dazu kommt noch das ungewohnte Duell Mann gegen Mann.
- Alpin-Ski
Bei den Olympischen Jugendspielen 2012 gewann Graf Gold im Teambewerb (unter anderem mit Marco Schwarz) und Bronze im Slalom. Im Ski-Weltcup kam er über den 18. Platz nie hinaus.
- Skicross
Seit Dezember 2022 konnte Graf bereits zwei Weltcupsiege feiern.
- WM-Skicross-Team
Sonja Gigler, Andrea Limbacher, Katrin Ofner, Mathias Graf, Johannes Aujesky, Tristan Takats und Robert Winkler.
"Allein kommt man gleich einmal einen Kurs hinunter. Aber zu viert fahren. Wenn einmal ein Ski in Kopfhöhe neben dir ist, dann ist die Sache anders", sagt Graf. Der Vorarlberger Spätstarter hat sich in den ersten Monaten bewusst den Stars an die Fersen geheftet. "Ich bin viel hinterhergefahren und habe mir abgeschaut, welche Linie die guten Leute fahren, wie man Windschatten richtig ausnutzt und was man in den Kurven machen muss."
Medaillenhoffnungen
Mathias Graf hat schnell dazugelernt. Bei der WM ist der zweifache Saisonsieger einer der österreichischen Hoffnungsträger. Sieben Stockerlplätze haben die österreichischen Skicrosser heuer bereits erreicht. Heute geht es in die Quali, um Medaillen wird am Freitag gefahren.
Die ersten Trainingsläufe auf der Piste in Georgien waren – wie die Parallel-Snowboard-Events – schwer vom Winde verweht. Die Piste sei weich und "sicher nicht so gut, wie sie sein sollte", sagt Graf. Aber ganz abgesehen davon müsse er ohnehin "aufpassen, nicht zu motiviert zu sein". Die Stimmung im Team sei jedenfalls "super", jeder freue sich "extrem" auf die Bewerbe.
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