Als der erste Wiener Eistraum die halbe Welt verzauberte

Drei Tage nach Frühlingsbeginn endet für die zwei traditionsreichsten Wintersportarten die Saison. Während Skirennen trotz überschaubarer ÖSV-Ausbeute für ORF 1 nach wie vor Top-Quotengarant sind, verkommt Eiskunstlauf zum medialen Minderheitenprogramm. Immerhin durften bei der WM in Montreal bis 1 Uhr früh ausharrende TV-Zuseher via ORF Sport+ oder Eurosport erfahren , dass
... die Österreich vertretende gebürtige Ukrainerin Olga Mikutina brave 14. wurde; und dass man den vom italienischen zum österreichischen Verband übersiedelten Maurizio Zandron in Montreal als 27. unter „ferner eisliefen“ einreihte.
Als im KURIER im Vorfeld der WM 2024 stand, dass sich bei Eiskunstlauf-Übertragungen einst halb Wien in Wirtshäusern daumendrückend vor Schwarz-Weiß-Apparaten versammelt hatte, warfen skeptische Leser dem Schreiber dieser Zeilen Vergangenheitsglorifizierung vor. Weil Zahlen eher überzeugen als 1.000 Worte, sei hiermit eine Statistik der Golden-Girls-Generation nachgereicht.
Regine Heitzer, Hanna Walter, Ingrid Wendl, Olympiasiegerin Trixi Schuba und Claudia Kristofics-Binder, die kürzlich alle wie auch Ehrengast Annemarie Moser Pröll mit dem dreifachen Ex-Weltmeister Emmerich Danzer auf dessen 80er anstießen, hatten unglaubliche 37 Medaillen (davon 11 Goldene) bei EM, WM und Olympia erobert.
Als Wien einzigartiger PR beraubt wurde
Der letzte EM-Titelgewinn (Kristofics-Binder) liegt freilich 42 Jahre zurück – nachdem die Talfahrt in Wahrheit schon 1971 mit dem Verscherbeln der Wiener Eisrevue begonnen hatte. Für lächerliche 500.000 Dollar wurde die Wiener Revue der Holiday on Ice einverleibt und die Stadt Wien einzigartiger PR beraubt. Sportlich folgenschwerer war, dass mit dem Revue-Ende die wichtigste Einnahmequelle versiegte, die der Wiener Eislaufverein zum Talente-Fördern genutzt hatte.
Zum Verkauf österreichische Sporttradition kam’s später auch im Skizirkus: Als die vom umstrittenen Bawag-Generaldirektor Helmut Elsner fallengelassene Atomic-Fabrik (auf deren Latten Annemarie Moser zu 62 Weltcupsiege gerast war) zuerst finnische und danach chinesische Besitzer bekam. Und als der schwedisch-englische Investor Johan Eliasch zum Schnäppchenpreis von 10 Millionen Schilling dem Staate Österreich den Head-Konzern abluchste. Aktuell ist Head (etwa dank Cornelia Hütter und Lara Gut-Behrami) klarer Sieger im Marken-Weltcup und Head-Eigentümer Eliasch FIS-Präsident.
So geschäftstüchtig Eliasch sein mag – als beratungsresistenter Weltverbandsboss machen ihn seine zahlreichen Kritiker nebst Wetterpech dafür verantwortlich, dass es zu 19 Absagen und Sturz-Orgien kam. Zumal Eliasch der Weltcup-Familie ein vorrangig auf kommerzielle Interessen ausgerichtetes Programm aufzwang. Die Hoffnung, dass der zum Feindbild der Alpen-Verbände gewordene Milliardär beim FIS-Kongress in Island zurücktritt, ist gering. Vielmehr drohen bis zum Ende seiner Ära weitere zwei Jahre Eiszeit.
Kommentare