Nach Horrorverletzung: Das Sensations-Comeback von ÖSV-Ass Ortlieb

Als sich Nina Ortlieb im Jänner 2021 zum wiederholten Male in ihrer Karriere schwer verletzt hatte, stellte sie sich nicht die Frage: Warum immer ich? Was hat der Skigott bloß gegen mich? Wie kann man nur so viel Verletzungspech haben?
Nein, Nina Ortlieb haderte in der bitteren Stunde nicht mit ihrem Schicksal und den Sternen, sie fragte sich etwas ganz anderes. „Was habe ich falsch gemacht? Was kann ich besser machen?“, erzählt die 26-Jährige im KURIER-Gespräch. „Ich bin da eher der Realist. Der Sturz war mein Fehler. Deshalb habe ich mir auch nie die Frage gestellt: Warum ich?“

Rationaler Zugang
In dieser Hinsicht ähnelt Nina Ortlieb ihrem Vater. Der Olympiasieger und Weltmeister in der Abfahrt hatte stets einen rationalen Zugang zum Rennsport. Die 26-jährige Tochter, die bereits ein Wirtschaftsstudium abgeschlossen hat, scheint ebenfalls das Motto zu beherzigen: Pragmatisch, praktisch, gut.
Deshalb wäre es auch sicher nicht im Sinne von Nina Ortlieb, ihr beeindruckendes Comeback nach 23-monatiger Rennpause als Ski-Wunder abzutun. Den Rängen sechs und zwei in den ersten beiden Saisonabfahrten war ein penibler Master-Plan vorausgegangen.
Strategischer Plan
Die zweifache Junioren-Weltmeisterin ließ sich auf dem Weg zurück Zeit und versuchte auch nicht mit aller Gewalt, einen Start bei den Winterspielen in Peking zu erzwingen.
Gegen Ende des letzten Winters reiste sie zu den Weltcups, nahm dort aber nur an den Trainingsläufen teil. „Ich bin jetzt nicht direkt vom Krankenbett da hergekommen, sondern da waren viele Monate hartes Training - Konditionstraining und Skitraining“, erzählt die 26-Jährige.

Nach ihrer letzten schweren Verletzung im rechten Knie (Meniskus, Kreuzband, Innenband, Patellarsehne gerissen) hat Ortlieb bewusst das Krafttraining intensiviert. Verglichen mit ihren Konkurrentinnen ist die Edeltechnikerin eine zierliche Abfahrerin und hatte körperlichen Nachholbedarf.
Neue Devise
Dazu hat die Vorarlbergerin auch die Lehren aus dem Sturz gezogen, der ihr seinerzeit im Training widerfahren war. „Ich habe gelernt, wann es Sinn macht, Risiko einzugehen und wann nicht“, sagt Nina Ortlieb.
Gerade zu Beginn ihrer Karriere, als es darum ging, im Weltcup Fuß zu fassen und einen der begehrten Startplätze im ÖSV-Team zu ergattern, ging die Vorarlbergerin immer ans Limit – oder auch drüber hinaus.

Nina Ortlieb mit Papa Patrick Ortlieb, dem Olympiasieger und Weltmeister in der Abfahrt
Dieses berühmte Renn-Gen sei einfach in ihr drin, erklärt Papa Patrick Ortlieb. „Ihr letzter Sturz war ganz klar: Übermut tut selten gut. Die Rennpferde gehen halt immer ans Limit. Und deshalb sind sie leider auch immer wieder verletzt. Aber die Nina ist noch jedes Mal stärker zurückgekommen.“
In Lake Louise machte Nina Ortlieb den Eindruck, als wäre es für sie das Selbstverständlichste der Welt, nach zwei Jahren Pause wieder Rennen zu fahren. Die 26-Jährige zeigte bei ihrem Comeback keinerlei Scheu oder Muffensausen. „Ich mache es einfach unglaublich gern. Darum fällt es mir leicht, mich da wieder runterzuschmeißen.“
Konkrete Gedanken an ein Karriereende habe sie nie verschwendet, erzählt Nina Ortlieb. Auch nicht in ihren bittersten Stunden. „Ich hatte nie das Gefühl, dass es bereits das Ende ist. Sondern ich hatte immer das Gefühl, dass ich mein ganzes Potenzial noch nicht ausgeschöpft habe.“
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