KURIER: Ihr Rücktritt wirkte damals wie eine Spontanaktion. Wie überraschend kam damals die Entscheidung für Sie selbst?
Matthias Mayer: Ich hatte mir im Vorfeld tatsächlich schon öfter einmal Gedanken gemacht, dass ich es auf diese Art und Weise machen könnte. Schon nach Olympia hatte ich mir gedacht, dass die Zeit reif ist. Auch im Sommer war es ein Thema. Letzten Endes hat es auch mich selbst überrascht, dass ich es dann so durchgezogen habe. Aber mir war klar: Wenn ich das gescheit durchziehen will, dann muss ich es so machen, dass ich keinem davor etwas sage.
Der spontane Rücktritt in Bormio hat viel Raum für Spekulationen gelassen. Etliche Gerüchte waren danach zu vernehmen. Skurrile, aber auch nachvollziehbare.
War Ihnen klar, dass Sie mit dieser Art des Rücktritts Spekulationen anheizen?
Das war mir zu diesem Zeitpunkt nicht so bewusst. Ich habe dann aber bald mitgekriegt, dass es viele Gerüchte gibt. Aber ich kann all diese Gerüchte abtun.
Welche Gerüchte sind Ihnen zu Ohren gekommen?
Also meine Frau ist nicht schwanger. Das ist also kein Grund. Ich habe auch keinen Streit mit einem Trainer. Es war meine Entscheidung. Ich bin aus meinem eigenen Willen zurückgetreten.
Auch das Thema Doping war zu vernehmen.
Das ist mir neu. Aber darüber braucht man sich keine Gedanken machen. Mit Doping habe ich nichts am Hut. Ich hatte sogar einige Tage vor Bormio erst meine letzte Dopingkontrolle. Und die ist zu hundert Prozent negativ.
Es war auch zu hören, dass Ihnen das Feuer ausgegangen sei und Sie ein Burn-out hätten.
Das würde ich nicht sagen. Natürlich habe ich nach dem Olympiasieg in Peking eine Zeit gebraucht, um mich wieder zu fangen. Ich habe über den Sommer probiert, mich wieder mental fit zu machen. Aber ich würde nicht sagen, dass das der Grund für den Rücktritt war. Wobei es schon so ist, dass ich eine sehr lange Zeit im Skisport bin. Ich bin seit fast 30 Jahren als Skifahrer unterwegs. Da ist es dann schön, wenn man ein bisschen eine Auszeit kriegt.
Heißt das, eine Rennläufer-Karriere ist für den Kopf vielleicht kräfteraubender als für den Körper?
Eine Skikarriere ist an sich sehr schon anstrengend. Und mental ist es sehr, sehr anstrengend. Weil man eben immer auf dem Laufenden bleiben muss und sich immer neu orientieren soll. Man sieht ja nur die 90 Sekunden, die wir runterfahren. Im TV sieht man nur die Show und das Entertainment. Wie viel Energie das in der Vorbereitung kostet, das kann man sich nur irgendwie vorstellen.
War der Rücktritt für Sie eine Form der Befreiung?
Auf der einen Seite sicherlich. Aber ich gebe zu, dass auch eine Stück weit Wehmut dabei war.
Weil Ihnen vielleicht auch bewusst wurde, dass man gewisse Glücksgefühle und Adrenalinkicks im Alltag nicht bekommen kann?
Es gibt keinen Ersatz dafür. Für solche Momente, wenn man in Kitzbühel am Start steht und dieser Renndruck da ist. Wenn man die perfekte Piste sieht, das Umfeld mit den Zuschauern. Das kann man im Alltag nicht herprojizieren. Das ist schon ein irrsinniges Gefühl.
Wenn Matthias Mayer so dahererzählt, dann wirkt er, als wäre er noch immer Rennläufer. Im letzten Monat hat der Kärntner keineswegs den Abstand zum Skisport gesucht. Immer wieder zog es ihn auf die Piste. Wenn ihn Leute ansprechen, dann bekommt er vor allem eines zu hören: „Die meisten finden es schade, dass ich nicht mehr dabei bin.“
Wo geht die Reise hin, was planen Sie für die Zukunft?
Ich habe in den letzten Wochen schon viele Gespräche geführt und auch einige Angebote bekommen. Es sind auch Rufe nach einem Comeback gekommen.
Was antworten Sie denen?
Dass ich zurzeit einmal ein bisschen Urlaub mache.
Zurzeit?
ch mag es zurzeit auch nicht ganz abschreiben. Jetzt bin ich einmal in der Phase, in der ich das Leben genieße und die Rennen im Fernsehen verfolge.
Das klingt jetzt nicht danach, als wäre Ihr Rücktritt endgültig?
Ich werde heute sicher nichts bekannt geben. Ich lasse mir die Entscheidung offen. Wenn ich für mich das Feuer finde, wieder Zielen nachzueifern – warum sollte es kein Comeback geben? Bevor ich für andere mit dem Skitesten anfange, kann ich gleich meine eigenen Skier testen und wieder runterfahren. Ich habe diesbezüglich Gespräche geführt mit Frau und Familie. Irgendwie hat es sich dann entwickelt, dass ich es mir offenlassen will.
Sie sind dreifacher Olympiasieger und einer der berühmtesten Österreicher. Wie ist das Leben als öffentliche Person?
Ich musste das auch erst lernen. Es gab schon Phasen, in denen mich diese Öffentlichkeit gestört hat. Andererseits ist mir klar, dass sich das bei mir wohl nicht großartig ändern wird. Das wird mich mein Leben lang begleiten. Es ist nicht einfach, wenn man immer und überall in Österreich erkannt wird.
Ist denn etwas während der Karriere zu kurz gekommen?
Als Jugendlicher habe ich mir schon oft gedacht: Meine Freunde sind unterwegs und haben eine Gaudi. Und was mache ich? Ich hatte das Gefühl, dass ich mein Leben dem Sport unterordnen muss. Später hat sich das ausgeglichen. Und dann war ich froh, dass ich mich als Junger durchgebissen habe.
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