Material-Revolution im Skizirkus

Ski alpin: Ein neues Reglement wird den Unterschied zwischen Renn- und Freizeitsport noch größer machen.

Eine angesagte (Material-)Revolution findet ausnahmsweise statt. Die Skier haben wieder schmäler und länger zu werden. Still und leise wurde an einem der heißesten Tage des Jahres vom Internationalen Skiverband (FIS) ein neues Reglement beschlossen, das noch für heiße Diskussionen sorgen wird.

Die FIS reagiert damit auf monatelange Tests bzw. (mehrheitlich unter Leitung von Ex-ÖSV-Cheftrainer Toni Giger vorgenommene) praxisnahe, sportwissenschaftliche Untersuchungen, die darauf abzielten, das dramatisch angestiegene Verletzungsrisiko zu verringern.

Vorwarnung

Was Rennläufer anprangerten, findet sich nun auch durch Zahlen belegt: Die Kurvengeschwindigkeiten sind eindeutig zu hoch geworden. Vor allem auch in der alpinen Basis-Disziplin Riesenslalom.

Der Appell des sonst so zurückhaltenden Doppel-Olympiasiegers Benjamin Raich, der im September des Vorjahres im KURIER-Interview vor den "gefährlich breiten Skiern" gewarnt hatte, war somit nicht übertrieben und ist auch nicht wirkungslos verpufft.

Atomic-Rennchef Rudi Huber präzisiert: "Statt wie bisher an eine minimale Breite, hat man sich künftig bei der Rennskiherstellung an eine maximale Breite zu halten." 65 Millimeter bei Riesenslalom-Modellen, 67 bei Super-G- und Abfahrtsskiern.

Umrüstung

Zum Übersee-Training, das die österreichischen Abfahrer erneut in Chile, die Riesentorläufer erstmals in Feuerland am südlichsten Zipfel Südamerikas und die Slalomspezialisten auf neuseeländischem Schnee abhalten, werden die Rennläufer noch mit dem herkömmlichen Material reisen.

Die neuen Materialvorschriften gelten, zumal den ohnehin durch den Rennlauf finanziell schwer ausgelaugten Ski-Firmen ein Umrüsten über Nacht unmöglich zugemutet werden kann, nicht schon für den kommenden Weltcup-Winter, sondern für die Saison 2012/'13 mit dem Weltmeisterschaft-Höhepunkt in Schladming.

Und das künftige Motto "Schmäler und länger" beschränkt sich auf den Rennlauf und bedeutet zumindest vorläufig nicht die totale Abkehr vom Carving-Ski, der Flachländern das Anfänger-Leben erleichtert, bei Fortgeschrittenen häufig aber auch zu folgenschwerer Selbstüberschätzung führt.

Entwarnung

Der Freizeitskiläufer braucht nicht zu befürchten, dass er gänzlich aus dem Trend gerät und sich einen alpinen Ladenhüter einhandelt, falls er jetzt noch beim günstigen Sommer-Abkauf zuschlägt.

"Die Palette von Skiern wird nur um ein Spektrum verbreitert", glaubt ÖSV-Herren-Cheftrainer Mathias Berthold, während der steirische Lauberhorn-Sieger Klaus Kröll am Sinn der Material-Revolution überhaupt zweifelt. "Für uns Abfahrer wird's mit den schmalen Skiern vielleicht sogar noch g'fährlicher."

Anders ausgedrückt: Was Riesentorläufer begrüßen, kann für Speed-Piloten im Zeitalter der Spezialisierung auch ein Nachteil sein.

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