Der Größte muss kein Riese sein
Der Gewinn der Slalom-Goldmedaille bei der Heim-WM war der Beweis gewesen, wie sehr es Marcel Hirscher versteht, am Tag X mit Erfolgsdruck umzugehen. Jetzt krönte er sich auch noch zum Meister der Konstanz. Der Gesamtweltcupsieg, der dem erst 24-Jährigen nun schon zum zweiten Mal gelang, ist eine Leistung, die im Freiluftsport Ski als die sportlich wertvollste gilt.
Wie aber reagierte Marcel Hirscher, nachdem er Samstag im Schweizer Finalort Lenzerheide seinen Vorsprung gegenüber Aksel Lund Svindal sogar auf 229 Punkte geschraubt hatte? Er sprach zuerst von seinem Riesenslalom-Bezwinger Ted Ligety. Und davon, dass er „einen Haufen Erkenntnisse“ gewonnen habe, „die notwendig seien, um Ligety nahe zu kommen.“
Skitechnisch, meint der Salzburger, könne er, Hirscher, nicht mehr all zu viel optimieren, um gleich im nächsten Atemzug hinzufügen: „Ich weiß, dass das vielleicht ein bissel arrogant klingt.“
Dem Salzburger aus Annaberg im Lammertal taugt zwar sein Image als „coolster Österreicher“, das ihm eine landesweite Umfrage vor ein paar Wochen bescherte. Aber er will nicht als eitler Ausnahmeathlet dastehen, sondern lieber als ein Teamplayer, der seine Helfer schätzt.
Erfolgsgeheimnis
Hirscher bezeichnet bei seinem Mikrofon-Slalom, den er längst schon auch unbekümmert auf Englisch besteht, seinen Pokalsieg als „großes Puzzlestück“: „Rund um mich gibt es Hunderte Mosaiksteinchen, die im Endeffekt ein großes Bild ergeben. Und wo jeder seinen Job auf dem gleichen Niveau erfüllen muss, damit die Voraussetzungen gegeben sind, dass ich meine Leistungen bringen kann.“
Konkret meint er damit:
Seinen Torlauftrainer Michael Pircher, der vor der WM einen privaten Schicksalschlag (Unfalltod seiner Lebensgefährtin) zu verkraften hatte;
seinen Atomic-Servicemann Edi Unterberger, der seinerzeit schon an Hermann Maiers Latten erfolgreich Hand angelegt hatte,
seinen PR-Mann und Betreuer Stefan Illek, der früher ORF-Helmkamera-Fahrer am Hahnenkamm war und bei der Fußball-EM 2008 als Pressebetreuer von Teamchef Josef Hickersbergers im Camp Stegersbach fungierte;
und vor allem seinen Vater, den er freundschaftlich „Ferdl“ ruft und den ein besonders Auge für Bewegungsabläufe im Wettkampfsport auszeichnet.
Ferdinand Hirscher verbringt oft halbe Nächte im Ski-Keller. Im vergangenen Sommer hatte Hirscher Senior auch Mathias Walkner beraten, der daraufhin Motocross-Weltmeister wurde.
Seinem Marcel zuliebe teilt sich Ferdinand Hirscher die Leitung der Skischule in Annaberg mit zwei Partnern, um auf Weltcup-Tournee gehen zu können, während Mama Sylvia (ein gebürtige Holländerin aus Den Haag) daheim den Haushalt führt und Marcels jüngeren Bruder Leon (Schule in Steyr) an Wochenenden bekocht.
Papa Hirscher steht nie im Ziel, sucht nicht die Nähe der Kameras. TV-Kommentatoren wie Ex-Weltmeister Frank Wörndl (Eurosport) und Hans Knauß (ORF) blieb dennoch nicht verborgen, wie Ferdinand Hirscher vor Riesenslaloms oft noch Torabstände misst und vom Ergebnis die Wahl der Skischuhe abhängig macht. Mit fast schon Formel-1-ähnlicher Akribie widmet sich das Vater-Sohn-Duo Hirscher der Materialabstimmung.
Im Kraftkammerl aber ist Hirscher allein. Und dort wird er in Zukunft wohl öfters zu finden sein, kündigte er doch nach seinem letzten Slalomsieg an: „Körperlich will ich vor dem Olympia-Winter noch mehr tun.“
Leidenschaft
Möglich, dass er bald auch im Super-G seine Muskel spielen lässt. Noch fehlen ihm dazu einige Kilos. Die kann er sich vielleicht auch bei seinem zweiten Lieblingssport Motocross auftrainieren. „Der Wilde“ sehnt sich jedenfalls schon nach seiner „Maschin“.
Oder wie es Hirscher ausdrückt: „Cool wäre es, mit einem Fingerschnippen auf der Motocross-Strecke zu sein. Fix fertig angezogen, ohne dass man erst den Dreck vom Vorjahr von der Maschin’ runterputzen muss, sondern gleich loslegen kann.“
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