Langläufer Dürr gesteht Eigenblut-Doping vor Olympia 2014

OLYMPISCHE WINTERSPIELE SOTSCHI 2014: LANGLAUF / DÜRR (AUT)
2014 wurde Dürr des Dopings überführt und für zwei Jahre gesperrt. Neben EPO nutzte er damals auch Eigenblut-Doping.

Der 2014 bei den Olympischen Spielen als EPO-Sünder überführte Skilangläufer Johannes Dürr gibt an, damals auch Eigenblut-Doping betrieben zu haben. Der Niederösterreicher sagte in einer am Donnerstag gezeigten ARD-Dokumentation, ihm sei damals bei mehreren Treffen in Deutschland durch einen Helfer Blut abgenommen und Monate später an anderen Orten wieder zurückgeführt worden.

Er sei 2013 über Vermittlung eines anderen, Blutdoping betreibenden Athleten an den ausländischen Mittelsmann bekommen, so Dürr. Die Abnahmen mit medizinischer Ausrüstung habe in einem Motelzimmer an der deutschen A8 in der Nähe von München und in Hotels in der bayrischen Hauptstadt stattgefunden. Die Rückführung sei immer unmittelbar vor Wettkämpfen erfolgt. Vor der Tour de Ski 2013/14 in einem Auto im deutschen Oberhof und vor Olympia 2014 ausgerechnet in einem Hotel gegenüber des Sitzes des Österreichischen Ski-Verbandes (ÖSV) in Innsbruck.

Zwei Jahre Sperre

Dürr war im Februar 2014 als Medaillenkandidat während der Winterspiele in Sotschi positiv auf EPO getestet worden. Der damals in Bezug auf das Dopingmittel geständige Niederösterreicher wurde dafür zwei Jahre gesperrt. Seine mehrfache Einnahme von EPO und von Wachstumshormonen kommt in der ARD-Dokumentation ebenfalls zur Sprache. Die EPO-Ampullen habe er sich über die Vermittlung eines Betreuers besorgt. Auch den Namen oder die Nationalität dieses Mannes gab Dürr nicht an.

Die genaue Dosierung der Dopingmittel zur Vermeidung von positiven Tests sei unter genauen Vorgaben von Unterstützern abgelaufen. "Das ist besprochen worden, mir ist gesagt worden, wie oft ich das nehmen muss. Es ist um EPO und Wachstumshormone gegangen", sagte Dürr.

Unter den Leuten, die ihm halfen, befand sich auch Personal des ÖSV, behauptet Dürr. Wolfgang Schobersberger, der Anti-Dopingbeauftragte des ÖSV, widersprach in der Dokumentation der unterstellten Mitwisserschaft. "Die Antwort ist ein klares Nein. Mir sind solche Fälle nicht bekannt. Einzeltäter wird es immer geben, die entziehen sich aber meiner Kenntnis", sagte Schobersberger.

Schröcksnadel hofft auf Namen der Hintermänner

ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel nahm den TV-Auftritt Dürrs zum Anlass, neuerlich die Namen der Doping-Hintermänner des Niederösterreichers zu fordern. Es laufe bereits ein Gerichtsverfahren zwischen dem ÖSV und Dürr. "Da hat er die Gelegenheit, die Namen zu sagen", erklärte Schröcksnadel gegenüber der APA.

Organisiertes Doping beim ÖSV schloss Schröcksnadel aus. "Vom ÖSV gibt es sicher keinerlei Hilfe für Dopingaktivitäten. Einzeltäter kann man nie ausschließen."

Dieses Interview führte der KURIER bereits im Juni 2018 mit Johannes Dürr:

KURIER: Herr Dürr, was treibt Sie eigentlich an?  

Johannes Dürr: Diese Frage ist sehr berechtigt und sie lässt sich für mich leicht beantworten. Da geht’s nicht um offene Rechnungen, sondern das ist einerseits die große Leidenschaft für den Langlaufsport und andererseits dieser große Traum mit der Heim-WM in Seefeld. Und es reizt mich schon auch die Herausforderung: zu schauen und zu beweisen, dass es auch auf diesem Weg gehen kann.

Als Solist und One-Man-Team.

Genau. Ich möchte sehen, wie weit  ich es mit Einsatz, Training und Herzblut schaffe. Wenn ich nicht überzeugt wäre, dann würde ich nicht so viel Energie in dieses Projekt reinstecken. Ich sehe jedenfalls die viel größere Chance als die Gefahr zu scheitern. 

Was macht Sie eigentlich so zuversichtlich?

Ich weiß, was ich kann. Ich weiß, was mit den Leuten, die mir auf diesem Weg helfen, in den nächsten Monaten möglich ist. Und ich spüre jeden Tag, dass mein Körper auf das Training reagiert. Dazu habe ich schon einige Trainingsjahre hinter mir, einen guten Grundstock. Außerdem ist ja nicht mein Ziel, Weltmeister zu werden. Ich will nur zur Weltmeisterschaft kommen.

Dafür brauchen Sie das Okay des ÖSV. Wie ist aktuell Ihr Verhältnis zum Skiverband?

Ich habe an Präsident Schröcksnadel, Generalsekretär Leistner und Sportdirektor Gandler ein Mail geschrieben, aber bisher noch keine Antwort erhalten. Keine Ahnung, wie sie dazu stehen. Ich werde die Sache so oder so durchziehen, ob es dem ÖSV jetzt gefällt oder nicht. Ich kann eigentlich nur so viel sagen: Meine Arme sind offen. Es wäre wirklich schön, wenn wir Gemeinsamkeiten finden können, denn in der letzten Konsequenz wollen wir doch alle das Gleiche.

Nämlich?

Den Erfolg. In meinen Augen kann das für den ÖSV nur eine Win-Win-Situation sein.  Wenn ich  nicht gut genug bin, dann müssen sie mich eh’ nicht berücksichtigen. Und  wenn ich es schaffen sollte, dann hätten wir bei der WM eine stärkere Mannschaft. Nur um das geht’s im Leistungssport. Das sollte am Ende auch zählen.

Glauben Sie wirklich, dass Sie beim Skiverband mit  offenen Armen empfangen würden?

Ich kann verstehen, dass es gewisse Vorbehalte gibt. Viele werden wahrscheinlich auch nicht wissen, was ich genau mache. Wichtig ist, dass man die Abwehrhaltung abbaut und eine offene Kommunikation versucht. Indem man Mauern baut, wird man nichts beseitigen.

Wie geht’s Ihnen selbst mit Ihrer Doping-Vergangenheit?

Mir geht’s nicht darum, dass das in Vergessenheit gerät. Diese Geschichte  gehört zu meinem Leben und ist Teil meiner Biografie. Sie können mir glauben, dass  ich darauf nicht stolz bin. Ich habe einen Fehler gemacht und einmal die falsche Abzweigung genommen.  Das kann ich nicht mehr rückgängig machen.

Norwegens Langlaufsuperstar Therese Johaug ist nach ihrer zweijährigen Dopingsperre rehabilitiert worden und  darf sofort wieder laufen. Warum mussten und müssen Sie hingegen so hart um die Rückkehr kämpfen? 

In Norwegen gehen sie offenbar damit anders um. Bei uns ist es halt so. Das habe ich akzeptieren müssen. Ich gebe aber die Hoffnung nicht auf, dass wir  gemeinsam wieder einen Weg  finden, damit es ein harmonisches Klima und Miteinander gibt.

Wie hart war die Zeit seit Sotschi für Sie?

 Ich gebe es zu: Es hat  immer wieder Phasen gegeben, in denen mir alles zu viel geworden ist. Da war dann der Sport das Allerletzte, für  das ich Zeit und auch Energie übrig hatte. Da war die  Familie wichtiger, die Arbeit, auch die vielen Verfahren, die es nach Sotschi gegeben hat. Ich musste erst einmal wieder Ordnung in mein  Leben bekommen und auch schauen, dass ich finanziell wieder halbwegs auf die Füße komme. Es gab Zeiten, da  bin ich in der Früh aufgestanden, und habe nicht gewusst, wo mir der Kopf steht. Jetzt ist erstmals seit vier Jahren das Leben nicht mehr durcheinander gewirbelt. Zum Glück hatte ich viele Freunde, die mich gestützt haben.

Werden Sie in der Öffentlichkeit erkannt und angesprochen?

Das passiert selten bis gar nie. Aber was schon interessant ist: Wenn ich mich  vorstelle, wenn jemand meinen Namen hört, dann wissen überraschend viele Bescheid. Es gibt ganz unterschiedliche Reaktionen.

Sind Sie beschimpft worden?

Das ist eigentlich fast ausschließlich in den sozialen Netzwerken passiert. Ich erinnere mich an eine lustige Begebenheit im Alpenzoo in Innsbruck, das muss gleich einmal nach Sotschi gewesen sein. Wir haben da jemanden getroffen, der plötzlich geschimpft hat: ,Ein Wahnsinn der Langläufer, dieser Trottel, wie kann man nur so deppert sein.’

Und wie ging’s dann weiter?

Mein Kollege, mit dem ich damals unterwegs war, hat gesagt. ,Der Trottel steht gerade neben dir.’ Er hat dann gleich gesagt, dass er es so nicht gemeint hat.

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